Lebensmittel-Einzelhandel

„E-Grocery“ soll kräftig wachsen

Der Anteil des Online-Geschäfts am Lebensmittel-Einzelhandel ist in Deutschland seit 2017 lediglich von 2 auf 3 % gestiegen, obgleich für das „E-Grocery“ seit Jahren starkes Wachstum vorausgesagt wird. Nun prognostiziert die Unternehmensberatung Accenture für 2030 in drei Szenarien einen Anteil am Gesamtmarkt zwischen 8 % und 17 %.

„E-Grocery“ soll kräftig wachsen

md Frankfurt

Im Jahr 2030 könnte der Online-Anteil der Lebensmitteleinkäufe 10% bis 15% des Gesamtmarktes ausmachen. So lautet die Konsensprognose der Unternehmensberatung Accenture, die auf Daten des Marktforschers GfK basiert. „Jetzt ist die Zeit für Händler, bestehende Geschäftsmodelle neu und ganzheitlich zu denken, um sich im Umfeld neuer Wettweber und schnell ändernder Kundenbedürfnisse langfristig zu positionieren“, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie.

Von 2 auf 3 Prozent

Fast gleichlautende Aussagen hört man allerdings seit Jahren, meist aus interessegeleiteten Quellen, ohne dass sich der Anteil der Online-Bestellungen am Lebensmittelmarkt in Deutschland nennenswert geändert hätte. Auch aus der Accenture-Studie geht hervor, dass der Anteil des E-Commerce am Lebensmittel-Einzelhandel seit 2017 lediglich von 2% auf 3% gestiegen ist (siehe Grafik). Das mag eine Zunahme um 50% sein, die absolute Quote blieb aber im Vergleich zu den Marktanteilen anderer Handelssegmente gering. Nicht einmal in den Coronajahren 2020 und 2021, in denen die Menschen aus Furcht vor Ansteckung mit dem Virus grundsätzlich viel mehr übers Internet orderten als in den Jahren zuvor, stieg der E-Commerce-Anteil in beachtenswertem Maße an.

Accenture behauptet dagegen, dass ein sich rasant veränderndes Einkaufsverhalten der Kunden und neue Anbieter wie Picnic, Getir und Gorillas zu einem tiefgreifenden Wandel im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel geführt habe. Für die traditionellen Vertriebskanäle und Akteure sei diese Entwicklung eine ernstzunehmende Herausforderung.

Nur wenige große Lebensmittel-Einzelhändler verfügen laut Accenture über ein umfassendes, skalierbares Online-Angebot. Auch im europäischen Vergleich liege Deutschland deutlich hinter Nachbarländern wie Großbritannien und Frankreich.

„Der heute niedrige Online-Anteil von Lebensmitteln macht den deutschen Markt insbesondere für Disruptoren wie Picnic oder Gorillas angreifbar, die oft massiv durch Venture Capital unterstützt werden“, heißt es. Das gelte auch für Handelsriesen wie Amazon und JD.com, die selbst ausreichend Kapital mitbringen, um schnell neue Geschäftsmodelle zu etablieren.

Mit der Aussage „Traditionelle Lebensmittelhändler müssen schnell reagieren, um ihren Vorsprung in einem sich rasch verändernden Wettbewerbsumfeld verteidigen bzw. ausbauen zu können“ wiederholt Accenture eine Warnung, die in den letzten Jahren schon zigfach zu hören war, ohne dass die angesprochenen Anbieter bislang spürbar unter Druck geraten wären.

Drei Szenarien

Basierend auf der demografischen Entwicklung, den Veränderungen im Einkaufsverhalten und neuen Geschäftsmodellen zeichnen sich gemäß Accenture drei Szenarien für das Jahr 2030 ab. Für die Modellierung seien die Daten von mehr als 30000 Haushalten aus dem GfK Consumer Panel FMCG Deutschland ausgewertet worden.

Unter der Annahme moderater Wachstumsraten, die nicht auf das Niveau zurückfallen, das vor der Pandemie bestand, sei im ersten Szenario für das „E-Grocery“ ein Marktanteil von 8% zu erwarten.

Das zweite Szenario geht vom Markteintritt weiterer stationärer Einzelhändler in den Online-Lebensmittelhandel sowie der Ausweitung von Geschäftsmodellen aus benachbarten Märkten aus, gegebenenfalls auch mit Eintritt neuer Pure Player. Dies führt zu einem Marktanteil von etwa 12% bis 2030.

Das dritte Szenario impliziert, dass ein oder mehrere Wettbewerber mit einem auf Omnichannel ausgerichteten Filialnetz in den Markt eintreten und sich durch ein umfassendes Online-Lebensmittelangebot, eine breite Produktpalette und zusätzliche Services wie Abonnements und Mahlzeitboxen positionieren. Die Eröffnung mittelgroßer Filialen in deutschen Städten ab 80000 Einwohnern könnte Accenture zufolge ausreichen, um einen Marktanteil von etwa 5 Prozentpunkten zusätzlich zu den oben genannten 12% E-Grocery-Anteil zu erreichen, so dass ein starkes Wachstum auf einen Anteil von 17% zu erwarten wäre.

„Letzte Chance“

Diese „letzte Chance“ zu verpassen, um sich im E-Grocery zu positionieren, wäre nach Ansicht von Accenture ein folgenschwerer Fehler für etablierte Unternehmen. Akteure wie Rewe, die einen Anteil von über 15% am E-Grocery-Markt habe, hätten sich bereits erfolgreich positioniert und damit eine Ausgangsbasis zur weiteren Expansion geschaffen. Abo-Dienste wie Hellofresh reduzierten zudem den noch zu erobernden Anteil am künftigen E-Commerce-Markt. In Fachkreisen ist allerdings bekannt, dass Rewe unzufrieden mit der Entwicklung ihres Online-Geschäfts ist, das wegen der hohen Implementierungskosten bislang nur Verluste machte. Der Werbeaufwand wurde spürbar zurückgenommen.

Etablierte Lebensmittel-Einzelhändler sollten sich Partner suchen, empfiehlt Accenture, um mit begrenzten Investitionen bestehende Kompetenzlücken zu schließen. Beispiele seien die Zusammenarbeit von Instacart mit Aldi in den USA und von Flink mit Rewe in Deutschland.