ENERGIEWIRTSCHAFT IM UMBRUCH

Energiewende stellt Geschäfte der Versorger "auf den Kopf"

Kraftwerksbetreiber vor "harten Zeiten" - Berater von EY fragen sich, wie die Energiewirtschaft künftig noch Geld verdienen kann

Energiewende stellt Geschäfte der Versorger "auf den Kopf"

ge Berlin – Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und die Digitalisierung haben das traditionelle Geschäftsmodell der etablierten Erzeuger “auf den Kopf” gestellt. Erodierende Ergebnisbeiträge aus den Kraftwerken sowie nur unbedeutende Anteile an der Ökostromerzeugung stellen Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Stadtwerke vor die Frage, mit welchen Geschäftsmodellen sie künftig noch Geld verdienen können, heißt es in einer Studie “Geschäftsmodelle 2020” der Beratungsgesellschaft EY. Darin listen die Autoren als erste und wichtigste Forderung an die (offenbar zurückhaltenden) Energieversorger auf, die Bedürfnisse der Kunden stärker in den Mittelpunkt ihrer Geschäftsmodelle zu rücken. Zugleich ist EY der Überzeugung, dass die Digitalisierung die Energiewirtschaft stärker verändern dürfte als andere Branchen. Dies werde jedoch die Stadtwerke wenig tangieren, die ihre Rolle als Infrastrukturdienstleister der Region oder Kommune beibehalten dürften.Gleichwohl gelte, dass neue, risikofreudige und/oder finanzstarke Wettbewerber und Start-ups mit einer Vielzahl von innovativen Ideen den Handlungsdruck auf die etablierten Unternehmen erhöhten. Um zusätzliche Gewinne zu erzielen, könnte die bisherige Wertschöpfungskette der Erzeuger auf den Bereich “hinter den Zähler” ausgedehnt werden, schlagen die EY-Experten unter Verweis auf britische oder Schweizer Vorbilder vor – “hier können sich EVU gegenüber Wettbewerbern noch differenzieren, dem Kunden zusätzlichen Mehrwert schaffen und damit zusätzliche Wertschöpfung für das Unternehmen generieren”. Strompreise bleiben niedrigDen Betreibern konventioneller Kraftwerke machen die EY-Autoren wenig Hoffnung auf eine baldige Erholung der daniederliegenden Elektrizitätspreise. Zwar werde die Stilllegung der Atomkraftwerke bis 2022 und die Einführung der Braunkohlekapazitätsreserve den Sockel der Grundlastkraftwerke reduzieren. Diese Kürzungen dürften aber lediglich einen “stabilisierenden Effekt auf die Börsenstrompreise” haben. Entsprechend seien auch für das konventionelle Kraftwerksgeschäft neue Ideen gefragt, “denn auf die Betreiber kommen harte Zeiten zu”.Nicht viel besser sieht es aus Sicht von EY für die Betreiber der überregionalen Übertragungsnetze aus, die das Rückgrat der Stromversorgung sind. Zwar profitieren diese Netzbetreiber von den staatlich regulierten und im derzeitigen Zinsumfeld durchaus stattlichen Renditen. Doch da der Ausbaubedarf der Transportnetze in den nächsten zehn Jahren weitestgehend abgearbeitet sein dürfte, benötigten auch diese Unternehmen in Zukunft neue Geschäftsfelder, warnen die Studienautoren. Das heutige Geschäftsmodell verlagere sich weg vom Asset-lastigen hin zu einem Dienstleistungsgeschäft. Wie schnell diese Verschiebung ausfallen werde, hänge von der Geschwindigkeit der weiteren Dezentralisierung ab, also dem Ausmaß der lokalen und regionalen Selbstversorgung, heißt es in der Studie weiter.Der Energiehandel wiederum werde mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien – aus Wind und Sonne – immer volatiler, da die Stromerzeugung von Wetter- und Umwelteinflüssen abhängt. Volatiler als FinanzprodukteEY zufolge ist die Volatilität am deutschen Intraday-Markt für Strom etwa 200-mal so hoch wie an anderen Finanzmärkten. Wegen der raschen Wetter- und Temperaturschwankungen werde der Handel immer kurzfristiger. “Der Trend geht zum Intraday-Handel, dem Abschluss und der Erbringung von Geschäften innerhalb eines Tages”, beobachten die Experten. Während die Zahl solcher Eintageskontrakte an dem zentraleuropäischen Spotmarkt Epex Spot der Leipziger Energiebörse EEX 2014 um ein Drittel gestiegen war, fiel das langfristig gehandelte Volumen hierzulande innerhalb der vergangenen fünf Jahre um 36 % zurück. Im Rekordmonat Juli 2015 entfielen auf Stundenkontrakte 2,9 Terawattstunden (TWh) von insgesamt gehandelten 4,1 TWh. Viertelstundenkontrakte kamen auf weitere 0,7 TWh.