Börsengänge

Europas IPO-Motor brummt im Herbst wie seit 2021 nicht mehr

Das IPO-Fenster im September und Oktober war gemessen an der Anzahl der europäischen Emissionen bereits das erfolgreichste seit 2021. Investmentbanker Thorsten Zahn von J.P. Morgan erwartet noch mehr. Auch das österreichische Fintech Bitpanda gibt die IPO-Pläne für New York auf und wendet sich Frankfurt zu.

Europas IPO-Motor brummt im Herbst wie seit 2021 nicht mehr

Der beste IPO-Herbst
in Europa seit 2021

Wachsende Pipeline bei J.P. Morgan – Bitpanda wendet sich von Debüt in New York ab

cru Frankfurt

Europa wird im Wettbewerb mit den USA für Börsengänge wieder attraktiver. Noch vor kurzem hatte Bitpanda-Gründer Eric Demuth für das geplante IPO seiner Krypto-Handelsplattform, die ihren Hauptsitz in Wien hat, zwischen Frankfurt und New York geschwankt. Jetzt ist die Option New York für die Österreicher vom Tisch, wie drei mit der Sache vertraute Personen berichten. Nach Angaben von Investmentbankern genüge es nicht, auf den Zug der Krypto-Begeisterung in den USA aufzuspringen.

Es bräuchte einen klaren Bezug zu den USA, der jedoch fehle. Das Geschäft von Bitpanda sei mit den in Europa mühsam von Land zu Land erworbenen regulatorischen Freigaben sehr europäisch geprägt, und deswegen werde ein IPO auch hier erfolgen. Die Bewertung wird auf 3,5 Mrd. Euro taxiert.

Damit zeichnet sich nach den Abwanderungen der Fintechs Klarna aus Stockholm und Wise aus London an die Börse in New York eine Trendwende ab. Das Volumen der Börsengänge und Kapitalerhöhungen in Europa hat in der zweiten Jahreshälfte bereits deutlich zugenommen, insbesondere in Stockholm (siehe Grafik). „Darüber hinaus weitet sich die Auftragspipeline aus“, sagte Thorsten Zahn, Deutschlandchef der Equity-Capital-Markets-Aktivitäten von J.P. Morgan, der Börsen-Zeitung. „Das IPO-Fenster nach dem Sommer war gemessen an der Anzahl der Transaktionen bereits das erfolgreichste September-Oktober-Fenster seit 2021.“

Elf Debüts oberhalb von 50 Mill. Euro

Das gilt auch mit Bezug auf den Emissionserlös von 8,5 Mrd. Dollar, der in 22 IPOs eingeworben wurde, davon die Hälfte mit einem Volumen von jeweils mehr als 50 Mill. Euro. Dabei gibt es noch zwei Wochen im Oktober für zusätzliche Emissionserlöse. „Wir haben lange darauf gehofft“, sagte Zahn. „Jetzt hat sich das Umfeld tatsächlich verbessert. Das gilt besonders für die USA, die ihr geschäftigstes IPO-Quartal seit 2021 hatten, und zeitversetzt bald auch für Europa.“

Nach der Flaute die Erholung in der Breite

Nach der monatelangen Flaute in Folge des Trump'schen Libaration Day ist nicht nur das aktuelle IPO-Volumen überraschend hoch. „Bemerkenswert sind auch die Breite der vertretenen Sektoren, die häufige Einbindung von Ankerinvestoren und die immer schnellere Ausführung der IPOs zur Minimierung des Marktrisikos“, sagte Zahn. „Es gab sehr hohe Überzeichnungsraten, engere Preisspannen, und die IPO-Rabatte fielen knapper aus.“ Bei der Noba Bank war es keine Spanne, sondern ein Fixpreis anstatt eines Bookbuilding. Die besten Unternehmen konnten sogar mit einem leichten Aufschlag zu den vergleichbaren gelisteten Wettbewerbern bewertet werden. Das war etwa beim Schweizer Kleinanzeigenkonzern Swiss Marketplace Group der Fall.

Die meisten Börsengänge haben den Anlegern Gewinne eingebracht. Das stärkste Kursplus seit IPO verzeichnet der schwäbische Stromnetzausrüster Pfisterer mit 167%. Die vier größten europäischen IPOs nach dem Sommer waren der Schweizer Sicherheitsdienstleister Verisure (+22%) mit dem Debüt in Stockholm, die Swiss Marketplace Group (-5%), der deutsche Prothesenhersteller Ottobock (+5%), und die schwedische Internetbank Noba (+30%).

TKMS kommt - und vielleicht noch Brainlab

J.P. Morgan war an drei dieser vier IPOs beteiligt und hat sich damit im jüngsten Aufschwung in Europa an die Spitze gesetzt. In Deutschland wird für Montag (20. Oktober) noch der Spinoff der Thyssenkrupp-U-Boot-Tochter TKMS erwartet. Danach könnte noch die Medizintechnikfirma Brainlab aus München einen zweiten Anlauf nehmen, nachdem das IPO kurz vor der Sommerpause abgesagt worden war. Die Schwergewichte wie der Aufzugshersteller TK Elevator, die BASF-Agrarchemie und der Panzerkonzern KNDS werden dagegen erst für 2026/27 erwartet.

Das zweite Halbjahr war indes auch von milliardenschweren Kapitalerhöhungen geprägt. „Dafür gab es eine Vielzahl verschiedener Gründe“, analysiert Zahn. „Finanziert werden mit dem frischen Kapital Wachstum, Fusionen und Übernahmen, Bilanzsanierung, Ausweitung des Streubesitzes und Liquidität.“ J.P. Morgan nahm bei den drei größten Kapitalerhöhungen jeweils einen Teil auf die eigene Bilanz. Am größten war die Bezugsrechtsemission des dänischen Meereswindparkentwicklers Orsted über 9,4 Mrd. Dollar für den Ausbau der Offshore-Projekte. Der Energiekonzern Iberdrola besorgte sich 5,9 Mrd. Dollar für Investitionen in die Netze. Und auch die Platzierung großer Aktienpakete durch Großaktionäre verzeichnete hohe Volumina von 8,7 Mrd. Dollar in Europa seit September.