Private Equity

Finanzinvestoren werden zu Wagnis­kapitalisten

Finanzinvestoren drängen in das Geschäft mit Wagniskapital. Immer öfter erweitern traditionelle Private-Equity-Häuser wie EQT, Permira, KKR, TPG und Apax ihre Investments auch auf Venture Capital. Minderheitsbeteiligungen an stark wachsenden Tech-Jungunternehmen, die noch keinen Gewinn machen, lassen auf höhere Renditen hoffen.

Finanzinvestoren werden zu Wagnis­kapitalisten

Von Christoph Ruhkamp,Frankfurt

Seit KKR, die Mutter aller Private-Equity-Firmen, 1976 von Jerome Kohlberg, Henry Kravis und George Roberts gegründet wurde, ist die Branche vor allem für stark fremdfinanzierte Käufe von Mehrheitsbeteiligungen an relativ großen und etablierten nicht-börsennotierten Unternehmen samt anschließender Kostensenkung bekannt – ein Ruf, der 1989 in dem Buch und dem darauf folgenden Film „Barbarians at the Gate“ verewigt wurde, in dem die hart umkämpfte Übernahme des US-Tabakkonzerns RJR Nabisco be­schrieben wird.

Doch inzwischen vollzieht sich ein Strategiewandel. Die Finanzinvestoren steigen öfter mit Minderheitsbeteiligungen bei jungen und stark wachsenden Unternehmen ein, die noch keinen Gewinn machen – meist gründergeführte Firmen aus dem Technologiesektor.

Neben Private-Equity-Häusern haben auch andere nichttraditionelle Investoren – darunter Investmentbanken, Hedgefonds, Pensionsfonds, Staatsfonds und Corporate-Venture-Capital-Zweige – den Kapitalfluss in die europäische Venture-Capital-Branche in den vergangenen zehn Jahren verstärkt. Der Wert der Transaktionen mit Beteiligung nichttraditioneller Investoren überstieg im ersten Halbjahr 2021 laut dem Analysehaus Pitchbook 37,8 Mrd. Euro und übertraf damit bereits den Wert des gesamten Jahres 2020.

„Immer öfter erweitern traditionelle Private-Equity-Häuser ihre Investments auch auf Venture Capital“, sagt Dominik Stein, Investmentmanager bei EQT Growth, dem gerade neu gegründeten Zweig des schwedischen Finanzinvestors für junge Wachstumsunternehmen. „Viele Start-ups stammen aus dem Technologiesektor, und von dieser Branche wird ein besonders starkes Wachstum erhofft.“ Etabliertere Jungunternehmen mit Technologieführerschaft könne man jedoch in der Regel nicht vollständig erwerben, wie es bei Buy-outs üblich ist, deswegen fokussiere sich EQT Growth auf Minderheitsbeteiligungen  bei Finanzierungsrunden.

„So bekommen wir früh Zugang zu den spannenden Unternehmen“, sagt Stein. Das sei der Grund für die Expansion von Finanzinvestoren im Wagniskapitalsektor. EQT bereitete laut einer Erklärung im März 2021 einen Fonds mit einem Volumen von 2 Mrd. Euro vor.

Das Team von EQT Growth strebt nach eigenen Angaben Investitionen in Höhe von 50 Mill. bis 200 Mill. Euro an, dementsprechend könnte der Fonds zwischen zehn und 20 Investitionen umfassen. „Wir haben bereits vor dem Abschluss des Fundraising mit Eigenkapital von EQT fünf Beteiligungen erworben, darunter Wolt, Mollie und Vinted“, sagt Stein.

Neue Investorenklasse

In den letzten fünf Jahren hat sich zwischen den traditionellen Venture-Capital-Firmen und den herkömmlichen Private-Equity-Investoren eine neue Investorenklasse herausgebildet – die Growth Fonds, die immer mehr Kapital auf sich ziehen. „Sie setzen auf junge Unternehmen, deren Umsatz schon stark wächst, die aber noch nicht profitabel sind“, sagt Nikolas Westphal von der auf Tech-Deals spezialisierten Investmentbank Clipperton. „Dort sind die Renditen oft höher.“ Es sei ein Typ von Unternehmen, den es vor fünf bis zehn Jahren noch selten gab und der auch nicht in die alten Kategorien passte, weil diese Unternehmen größer sind als die klassischerweise in Finanzierungsrunden von Wagniskapitalgebern unterstützten Firmen.

Es werden mehr solcher Firmen gegründet, weil es einfacher geworden ist und mehr erfahrene Gründer gibt, die oft sogar Unternehmen in Serie aus der Taufe heben. „Ein Beispiel dafür in Deutschland ist Felix Jahn von McMakler, der vorher schon mehrere Unternehmen wie Home24 gegründet sowie Erfahrung bei Rocket Internet gesammelt hat und an dessen Firma wir mit 10% beteiligt sind“, sagt Max Fowinkel, Managing Director bei Warburg Pincus in Berlin. „Früher wurden die Investoren oft von schnell wachsenden Software-Geschäftsmodellen abgeschreckt, weil sie sie nicht verstanden haben.“ Inzwischen habe sich das geändert, und es gebe mehr positive Beispiele. „Was uns von manchen der großen Spieler unterscheidet, ist, dass Warburg Pincus nicht nur einmal Geld beisteuert“, sagt Fowinkel mit Blick auf serielle „Einhorn“-Großfinanzierer wie Tiger Global. „Wir bleiben meist über mehrere Jahre dabei, investieren gern über mehrere Runden hinweg und helfen aktiv auf unterschiedliche Weise beim Unternehmensaufbau.“

Inzwischen sind vor allem im Technologiesektor viele größere Jungunternehmen neu entstanden. „Deshalb haben fast alle großen Private-Equity-Häuser Ableger gegründet, die auf Growth Investments setzen“, beschreibt Westphal die Entwicklung. „Das hat den Zugang der Firmen zu Kapital erheblich erleichtert.“ Allein in den vergangenen neun Monaten habe sich deshalb die Zahl der „Einhörner“ in der deutschsprachigen Region, also Unternehmen mit einer Milliardenbewertung, von 24 auf 41 nahezu verdoppelt.

Während früher oft Business-to-Consumer-Unternehmen hohe Bewertungen erzielten, sind es heute häufig Business-to-Business-Geschäftsmodelle mit verlässlich wiederkehrenden Umsätzen. „Die Beträge, die in den Growth-Sektor fließen, sind inzwischen so hoch, dass mittlerweile ein erheblicher Wettbewerb zwischen den Investoren um attraktive Firmen herrscht“, beobachtet Westphal.

Die meisten der großen Finanzinvestoren wie Permira, KKR, TPG und Apax weiten ihre Aktivitäten im Venture Capital aus. Zur Jahresmitte haben nichttraditionelle Investoren im Wagniskapitalsektor einen neuen Jahresrekord aufgestellt und nicht gezögert, Kapital zu investieren. „Wir gehen davon aus, dass sich dieses Tempo fortsetzen wird, wenn sich die Volkswirtschaften öffnen und wir uns dem Jahresende nähern“, erwartet Pitchbook-Analyst Nalin Patel. Nichttraditionelle Investoren seien sehr daran interessiert, schnell wachsende Unternehmen in trendigen, technologiebasierten Sektoren zu unterstützen, die das Potenzial für verbesserte Renditeprofile aufweisen. Die Pandemie habe den Zufluss von nichttraditionellem Kapital nicht gebremst.

An der Finanzierung des Batterieherstellers Northvolt etwa in Höhe von 2,3 Mrd. Euro waren zahlreiche nichttraditionelle Investoren wie Pensionsfonds, Investmentbanken und internationale Konzerne beteiligt. Tatsächlich wurde die Mehrheit der größten Finanzierungsrunden im zweiten Quartal, einschließlich der Megarunde von Northvolt, in irgendeiner Form von nichttraditionellen Investoren unterstützt. So schloss beispielsweise der Amsterdamer Zahlungsspezialist Mollie eine Finanzierungsrunde von 665 Mill. Euro ab, an der neben den Hedgefonds Alkeon Capital Management und HMI Capital auch die Private-Equity-Giganten EQT und Blackstone Group beteiligt waren.

Kleine Tech-Firmen gesucht

„Wir sind der Meinung, dass Anleger, deren Portfolios eine Reihe traditioneller Sektoren abdecken oder die in Branchen mit schwacher Performance engagiert sind, ihre Ressourcen nun stärker auf Technologie konzentrieren und ihre Positionen neu ausrichten sollten“, rät Pitchbook-Analyst Patel. Europäische Start-ups, die in sich entwickelnden Sektoren wie dem E-Commerce, der während der Pandemie einen Boom erlebt hat, Potenzial aufweisen, seien jetzt „erstklassige Investitionsziele“ für internationale Finanzinstitute, die mit Kapital ausgestattet sind.

Große Technologieunternehmen seien in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen. Während der Pandemie hätten sich neue Technologielösungen als entscheidende langfristige Wachstumsbereiche erwiesen. „Wir gehen davon aus, dass in Zukunft mehr Finanziers ihre Investitionen in kleinere technologiebasierte Unternehmen erhöhen werden“, sagt Pichbook-Mann Patel voraus.

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