Philipp Grosse, Vonovia

„Indexmiete ist eine Option bei der Neuvermietung“

Vonovia steht an mehreren Fronten unter Druck. Zum einen haben sich die Kapitalkosten mehr als verdoppelt, zum anderen schlägt die Inflation durch. Jetzt kommen Indexmieten ins Spiel.

„Indexmiete ist eine Option bei der Neuvermietung“

Annette Becker.

Herr Grosse, die Bundesregierung hat jüngst einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Vermieter an der Klimaabgabe beteiligt in Abhängigkeit von der Klimaeffizienz des Gebäudes. Was halten Sie davon?

Ich finde das grundsätzlich einen guten Weg. Das Dilemma ist, dass die Verbraucher einerseits motiviert werden sollen, weniger Energie zu verbrauchen. Auf der anderen Seite soll aber auch die Gebäudesubstanz bereitgestellt werden, damit man klimaeffizient wohnen kann. Unzureichend berücksichtigt ist allerdings, dass es auf den Zustand des Gebäudes ankommt, nicht auf den Verbrauch.

Der Zustand des Gebäudes wird aber doch durch die Einteilung der einzelnen Gebäude in die verschiedenen Stufen berücksichtigt.

Im aktuellen Gesetzentwurf kommt es nicht auf den Soll-, sondern den Ist-Verbrauch an. Das heißt, man kann ein Gebäude hochwertig energetisch sanieren. Doch wenn sich der Mieter in seinem Nutzerverhalten nicht anpasst, müssen wir als Vermieter für diese Kosten aufkommen.

Mit welchen jährlichen Belastungen aus der Klimaabgabe kalkuliert Vonovia?

Wenn man den heutigen Bestand nimmt, sind wir für 2023 bei etwa 8 Mill. Euro. Die Kosten werden in den kommenden Jahren sinken, weil wir unseren Bestand weiter modernisieren.

Was bedeutet die anziehende Inflation für die Wohnungswirtschaft? Regulatorisch bedingt sind Sie an die Mietspiegel gebunden. In diesen wird sich die Teuerung aber erst mit zeitlicher Verzögerung niederschlagen.

Inflation heißt Kostensteigerung, zum Beispiel für Baumaterialien und Energie. Außerdem haben wir heute, auch bedingt durch die Inflation, ein ganz anderes Zinsniveau als vor wenigen Monaten. Dennoch liegt unsere Inflationserwartung über der Zinserwartung. Hinzu kommen höhere Löhne – wir beschäftigen 16 000 Mitarbeiter – und höhere Kosten für Instandhaltung – im vergangenen Jahr haben wir rund 25 Euro pro Quadratmeter ausgegeben.

Dennoch bringt Vonovia jetzt Indexmieten ins Spiel, bei denen die Miete jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst wird. Bis zu 140 000 Wohnungen aus Ih­rem Bestand sind nach einer Ih­rer Präsentationen dafür geeignet. Wie schnell werden Sie die Mieten bei einer jährlichen Fluktuationsrate von 8 bis 9% umstellen?

Die Anpassung eines Mietvertrages bedarf der Zustimmung beider Parteien. Das heißt, die Indexmiete ist im Wesentlichen eine Option bei der Neuvermietung. Mit der Indexmiete verzichten Vermieter aber zugleich auf die Modernisierungsumlage. Das ist für den Mieter ein gut nachvollziehbares Instrument. Indexmieten machen derzeit weniger als 1 % unserer Wohnungsmietverträge aus. Ihr Anteil wird auch künftig überschaubar bleiben. Wir unterstützen den Mietspiegel auch weiterhin und halten uns an unsere Zusage, dass niemand ausziehen muss, weil er sich seine Wohnung nicht mehr leisten kann.

Bundesbauministerin Geywitz ist nach eigenem Bekunden kein Fan der Indexmiete. Inwieweit be­rücksichtigen Sie die politische Sichtweise bei ihrem Vorgehen?

Zu Recht gelten bei Indexmieten gesetzliche Regelungen, die Mieter schützen. Wenn wir aber weiterhin wollen, dass investiert wird, zum Beispiel in den Neubau, können wir die steigenden Kosten nicht völlig ignorieren.

Sie machen Abstriche bei Akquisitionen und dem Neubau für den eigenen Bestand. Grund dafür sind die gestiegenen Kapitalkosten. Könnten Sie deren Entwicklung mal skizzieren?

Da muss ich gleich mal widersprechen. Wir machen keine Abstriche, sondern wir müssen uns als kapitalintensives Unternehmen mit den Gegebenheiten des Kapitalmarktes auseinandersetzen. Unsere Kapitalkosten haben sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Das ist zum einen eine Funktion unseres Aktienkurses, der implizit die Eigenkapitalkosten zum Ausdruck bringt. Zum anderen sind die Fremdkapitalkosten gestiegen. In dieser Situation machen Akquisitionen derzeit für uns keinen Sinn.

Warum?

Wir können mit unseren gestiegenen Kapitalkosten die geforderten Preise im Transaktionsmarkt nicht mehr abbilden. Da sind andere Spieler wie beispielsweise Pensionsfonds oder größere Family Offices besser unterwegs, da sie zurzeit geringere Kapitalkosten haben. Projektentwicklung ist im Ergebnis nichts anderes als eine Akquisition. Man entwickelt und baut eine Immobilie und entscheidet am Ende, ob man die Immobilie an Dritte oder sich selbst verkauft – natürlich zu Marktpreisen.

Sie haben auch angekündigt, statt 800 Mill. nur noch 700 Mill. Euro in die Instandhaltung des Be­stands zu investieren. Wiederholen Sie damit nicht den Kardinalfehler aus der Vergangenheit, als Private Equity Kommunalbestände aufkaufte und nichts investierte – Stichwort: Gagfah/Dresden?

Da ist ein sehr unfairer Vergleich. Wir investieren mehr Geld in unsere Bestände als je zuvor. Dabei müssen wir zwei Töpfe unterscheiden: zum einen den Topf der regulären Kleininstandhaltung, den wir ergebnismindernd in unserer Gewinn-und-Verlust-Rechnung abbilden. Dieser Topf mit jährlich rund 400 Mill. Euro bleibt unangetastet. Zum anderen haben wir Instandhaltungen, die substanzerhaltend sind und die wir kapitalisierend auf die Bilanz nehmen. Das sind auch 400 Mill. Euro. Letztere werden wir ein wenig zurücknehmen, weil wir in den vergangenen Jahren immens in Vorleistung gegangen sind. Wir bewegen uns aber weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Das ist in keiner Weise mit den Private-Equity-Zeiten vergleichbar, als tatsächlich mitunter zu Lasten der Substanz gelebt wurde.

Vonovia hat jetzt Finanzschulden von 47 Mrd. Euro auf den Büchern. Wie groß ist der jährliche Refinanzierungsbedarf?

Das sind pro Jahr etwa 3,5 bis 4,5 Mrd. Euro. Wir sind im Schnitt über acht Jahre finanziert.

Zu welchen Konditionen müssen Sie sich refinanzieren, wenn sich die Fremdkapitalkosten mehr als verdoppelt haben?

Unsere durchschnittlichen Finanzierungskosten liegen derzeit bei 1,2 %. Bei neuen Finanzierungen liegen wir heute bei 2,6 bis 2,7 %. Das bereitet mir aber keine schlaflosen Nächte, weil wir langfristig finanziert sind. Unsere durchschnittlichen Finanzierungskosten erhöhen sich bei einer vollständigen Refinanzierung der anstehenden Fälligkeiten ab 2023 um 10 Basispunkte pro Jahr.

Durch die gestiegenen Finanzschulden fällt der Zinsaufwand in Summe aber ungleich höher aus.

Bei einer Verdoppelung der Fremdkapitalkosten sprechen wir pro Jahr von einem Betrag zwischen 35 und 40 Mill. Euro.

Vonovia wird nur noch investieren, was zuvor auch verdient wurde. Wie groß ist dann künftig das Investitionsbudget?

Wir haben unser Investitionsbudget um rund 40 % eingekürzt. Das kommt im Wesentlichen aus der Umwidmung der Projektentwicklungen, die künftig vornehmlich an Dritte verkauft werden sollen. Die Investitionen in den Bestand von 1 bis 1,1 Mrd. Euro können wir sehr gut aus dem Cashflow unter Berücksichtigung der Dividende darstellen. Berücksichtigt ist aber auch, dass wir vor allem mehr nicht strategische Bestände verkaufen werden. Damit bekommen wir die Innenfinanzierungskraft so weit gestärkt, dass wir sämtliche Investitionen, die wir tätigen wollen und unter Berücksichtigung des Klimapfades auch müssen, stemmen können.

Die energetische Sanierung wird auf die Miete umgelegt. Vonovia hat eine Obergrenze bei 2 Euro pro Quadratmeter eingezogen, ge­setzlich erlaubt sind 3 Euro. Bleibt es bei den 2 Euro?

Qua Regulatorik liegt die Grenze bei 3 Euro pro Quadratmeter respektive 2 Euro in gewissen Märkten. Entscheidend für den Mieter ist die monatliche Gesamtmiete, also die Warmmiete. Wenn wir in einzelnen Fällen erreichen, dass die Energiekosteneinsparung für den Mieter sehr hoch ist, werden wir mehr als 2 Euro berechnen müssen. Wir werden das in einer sozialverträglichen Art und Weise machen.

Aus Risikoerwägungen hat Vonovia lange kein Developmentgeschäft betrieben. Erst mit der Übernahme der Buwog kam das Entwicklungsgeschäft dazu. Wie verändert sich das Risikoprofil in dem veränderten Umfeld?

Ein Entwickler als Teil eines großen Bestandshalters profitiert von der Stärke der Bilanz und dem Zugang zum Refinanzierungsmarkt. Vor diesem Hintergrund ist ein Unternehmen wie Vonovia mit einem werthaltigen Bestand im Zweifel der bessere Entwickler. Unsere Projektentwicklungen stehen mit rund 2,5 Mrd. Euro in der Bilanz, bei einer Bilanzsumme von 100 Mrd. Euro. Daran sieht man, dass das Geschäft unser Risikoprofil nicht wesentlich verändert. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren rund 8 000 Wohnungen gebaut, jetzt sehen wir massive Kostensteigerungen. Da sich unsere Projektentwicklung aber in Märkten abspielt, in denen es ein starkes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gibt, können wir sie dennoch weiterhin zu stabilen Margen darstellen. Es gibt gelegentlich Verzögerungen, weil Materialien oder Personal auf dem Bau fehlen, das ist der größte Engpass. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Situation im Jahresverlauf entspannen kann, weil viele Gesellschaften nicht mehr bauen werden.

Vonovia überlegt, Partnerschaften einzugehen respektive Minderheiten an Beständen zu veräußern. Sie sprechen von einer neuen Allokation zwischen öffentlichem und privatem Kapital. Was meinen Sie damit?

Das fußt auf der Erkenntnis, dass unterschiedliche Investoren sehr unterschiedliche Eigenkapitalkosten haben. Die Aktie von Vonovia notiert aktuell mit einem rund 40-prozentigen Abschlag auf ihren Nettovermögenswert, das impliziert Eigenkapitalkosten von etwa 6 %. Demgegenüber zahlen Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen, die direkt in Immobilien investieren, die Preise, die wir bilanziert haben. Das impliziert, dass deren Eigenkapitalkosten bei 3 % liegen. Das heißt aber auch, dass es Investorengruppen gibt, die bessere Eigentümer für unsere Immobilien sind als unsere derzeitigen Kapitalgeber.

Was bedeutet das?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder verkaufe ich einen Teil der Immobilien und bekomme dafür den Wert, den ich bilanziert habe. Der Nachteil ist, dass die Bewirtschaftungsplattform mit dem Verkauf deskaliert wird. Daher halten wir es für intelligenter, Anteile an immobilienhaltenden Gesellschaften zu verkaufen und weiterhin der Bewirtschafter der Bestände zu bleiben.

Aber die Anteile der Minderheiten wären nicht fungibel.

Die Fungibilität ist nicht die einer Aktie, aber vergleichbar einer Direktinvestition in eine Immobilie. Das haben wir uns nicht selbst ausgedacht. Das sind Modelle, die in anderen Subsektoren wie Logistikimmobilien oder Gewerbeimmobilien nicht untypisch sind. Das ist eine vernünftige Form der Kapitalfreisetzung, indem man die unterschiedlichen Kapitalkosten der verschiedenen Investorengruppen arbitriert. Ich tausche die Eigenkapitalgeber aus. Auf dem Fremdkapitalmarkt machen wir das schon länger zwischen dem unbesicherten Bondmarkt und dem besicherten Bankenmarkt, so dass wir die aus unserer Sicht besten Konditionen bekommen.

Aus Sicht der Vonovia-Aktionäre geht damit aber Wert verloren.

Die entscheidende Frage ist, was man mit dem freigesetzten Kapital anfängt. Das macht nur Sinn, wenn die Reinvestition zu Konditionen erfolgt, die besser sind als bei dem zuvor gebundenen Kapital. Ich mache es ganz einfach, will das aber nicht als Ankündigung für einen Aktienrückkauf verstanden wissen. Wenn ich ein Asset zum Nettovermögenswert (NTA, Anm. d. Red.) verkaufe und das Geld in eine Aktie mit einem Abschlag auf den NTA von 40 % reinvestiere, dann ist die Wertschaffung aus Aktionärssicht immens.

Gibt es Überlegungen zu einem Aktienrückkauf? Sie haben das Kapital im Dezember doch erst um 8 Mrd. Euro erhöht.

Wir müssen das freigesetzte Kapital in die beste Reinvestitionsmöglichkeit stecken, die wir zu gegebener Zeit haben. Was wir sicher nicht machen, ist, das Geld auf dem Bankkonto liegen zu lassen und negative Zinsen zu zahlen. Solange Immobilienportfolien mit hohem Abschlag gehandelt werden und es umgekehrt auf dem Transaktionsmarkt keinen Hinweis für Preisdruck gibt, würde ich die Idee des Aktienrückkaufs nicht als abwegig abtun. Ein solches Unterfangen macht man aber sicher nicht zu Lasten der Kapitalstruktur.

War die Beteiligung an der Adler Group in der Rückschau ein Fehler?

Es ist richtig, dass unsere Eigentümer das Engagement bei Adler nicht goutiert haben. Sie haben das als unnötige unternehmerische Entscheidung bewertet. Vor diesem Hintergrund sagen wir sehr klar, dass wir kein weiteres Kapital in die Adler-Beteiligung allokieren werden. Es bleibt bei den 250 Mill. Euro beziehungsweise 25 Basispunkten unserer Bilanzsumme. Wir sind heute ein Aktionär wie viele andere, frustriert von der Entwicklung, aber gleichzeitig überzeugt von der Substanz, die in Adler steckt. Wie jeder Aktionär werden wir, wenn der entsprechende Wert erreicht ist, unsere Disposition treffen. Wir sind offen für einen Verkauf.

Wieso müssen Sie die Aktien nicht mit dem Marktwert bewerten, sprich keine Abschreibung auf die Beteiligung vornehmen?

Bilanziell handelt es sich um eine At-Equity-Beteiligung, die nur dann einen Wertberichtigungsbedarf hat, wenn wir der Meinung sind, dass unser Beteiligungswert nicht mehr durch anteiliges Eigenkapital der Adler Group gedeckt ist. Das deckt sich mit unserem Blick auf die Substanz der Bestände und Projekte, die nach unserer Einschätzung die Schulden deutlich übersteigen.

Das Interview führte

BZ+
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