IU-Group-CFO: „Wir sind keine Hochschule zweiter Klasse“
Die Ludwig-Maximilians-Universität in München, die Freie Universität in Berlin oder die Goethe-Universität in Frankfurt sind wohl den meisten Menschen ein Begriff – anders als die IU Group. Dabei lernen an den Einrichtungen der privaten Hochschulgruppe mehr als 140.000 Studierende online, hybrid oder in Präsenz. Das sind etwa so viele wie an den drei Traditionsuniversitäten zusammen.
Die IU Group ist die Holding hinter der IU Internationalen Hochschule; seit 2023 gehören auch das Walbrook Institute in London und die kanadische University of Fredericton dazu. 2024 erwirtschaftete sie rund 600 Mill. Euro Umsatz, im laufenden Jahr sollen es 650 Mill. Euro werden. Die Umsatzrendite lag zuletzt bei mehr als 25%.
Es gibt nach wie vor Vorbehalte gegenüber Online-Studiengängen.
Marvin Lange, IU Group
Den Zugang zum Studium gestaltet die IU Group bewusst breit: Auch ohne Numerus Clausus und (Fach-)Abitur ist ein Studium möglich, sofern die Studenten bestimmte Zulassungsvoraussetzungen mitbringen, etwa eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung.
Breiter Zugang weckt Widerstände
Allerdings sorgen der breite Zugang und die Online-Formate auch für Gegenwind, wie CFO Marvin Lange einräumt. „Es gibt nach wie vor Vorbehalte gegenüber Online-Studiengängen“, sagt Lange im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das ärgert ihn: „Wir sind keine Hochschule zweiter Klasse.“ Vielmehr sei die IU „die größte Hochschule in Deutschland, obwohl wir uns über Studiengebühren finanzieren“, sagt der 41-Jährige.
Doch gerade in Berufen mit regulierten Zugängen, etwa über berufsständische Organisationen, sind die Voraussetzungen streng. Die IU musste hier schon Lehrgeld zahlen. Einen dualen Studiengang Architektur musste die IU neu akkreditieren, nachdem mehrere Studenten Schadenersatz gefordert hatten, weil ihr Abschluss von der Architektenkammer nicht anerkannt wurde. Die Strukturen seien nun angepasst und die neu akkreditierten IU-Abschlüsse kammerfähig, versichert Lange. Mit den Architektenkammern sei man weiterhin in einem konstruktiven Austausch. „Wir wollen langfristig über Qualität beweisen, dass auch ein Online-Architekturstudium genauso wertig ist wie der klassische Weg.“
Im Schnitt 13.000 Euro Studienkosten
Etwa 70% der Studenten lernen an der IU ganz oder teilweise online. Im Schnitt zahlen sie über die gesamte Laufzeit eines Bachelor-Studiums hinweg rund 13.000 Euro. Für hybride Lernformen gibt es Vor-Ort-Standorte in 38 Städten, zentrales Element ist ein virtueller Campus.
Die Belegschaft der IU Group liegt Lange zufolge bei knapp 4.000 Beschäftigten, auch wenn das Unternehmen zuletzt Personal abgebaut hat. Zuvor habe es „eine Phase von Hyper Growth“ gegeben, sagt der CFO. „Wir haben die Kostenbasis und die Prozesse glattgezogen, um nachhaltiges Wachstum langfristig sicherzustellen.“
Oakley Capital als Eigentümer
Hinter der IU Group steht seit 2017 der Private-Equity-Investor Oakley Capital, der die Beteiligung 2023 von seinem Fund III in einen Continuation Fund transferiert hat. Das Unternehmen habe deutlich besser abgeschnitten als im ursprünglichen Investitionsszenario, hieß es damals in einer Mitteilung. Der Fund III rechnete beim Ausstieg mit einer Bruttorendite von 85% IRR (Internal Rate of Return).

IU Group
Das Umsatzwachstum ist Lange zufolge immer noch zu mehr als 90% organisch getrieben; die Zukäufe in England und Kanada seien kleinere Arrondierungen gewesen, um den Marktzugang zu erleichtern. „Der nächste Schritt wäre wahrscheinlich eine etwas größere Akquisition im dreistelligen Millionenbereich“, sagt Lange. Er will aber auch nicht ausschließen, die IU Group selbst in eine größere Einheit einzubringen. „Wir sind grundsätzlich auch offen für einen Zusammenschluss auf Augenhöhe.“ Ein Treiber für diese Offenheit ist der Einzug künstlicher Intelligenz in Bildungsangebote. „Es macht in unseren Augen sehr viel Sinn, da Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln.“
Die Technologie bietet gerade bei Online-Lernangeboten viele Möglichkeiten. KI kann Bildungsangebote stark auf einzelne Nutzer zuschneiden. Ein Student bekommt Texte ausgespielt, während der Kommilitone die Inhalte via Video vermittelt bekommt. Vorwissen und beruflicher Kontext können einfließen: „Die KI kann mir Zusammenhänge anhand von Beispielen erklären, die mir im Berufsalltag begegnen“, erklärt Lange. Im Selbstversuch hat der CFO zwei Module der Hochschule absolviert – „in Data Science, das war schon knackig“.
Wenn man die beste BWL-Vorlesung der Welt besuchen möchte: Stanford stellt die alle online.
Marvin Lange, IU Group
Erste Testläufe mit KI gab es bei der IU Group schon vor knapp fünf Jahren, damals noch mit GPT 2.0 – auf Initiative von CEO Sven Schütt, wie Lange betont. „Als er damit angefangen hat, habe ich ihn noch für verrückt erklärt“, sagt der Finanzvorstand lachend. Mittlerweile sei die seither entstandene Datenbasis ein Wettbewerbsvorteil. „Wir haben anonymisierten Zugriff auf mehr als eine Million bewerteter Klausuren.“ Über Inhalte könne man sich in der Branche ohnehin kaum differenzieren, findet Lange: „Der Content ist sowieso schon vorhanden. Wenn man die beste BWL-Vorlesung der Welt besuchen möchte: Stanford stellt die alle online.“ KI könne diese Inhalte aber gezielt so aufbereiten, dass der einzelne Nutzer sie bestmöglich versteht – und sogar abschätzen, wann die Person bereit für eine Prüfung ist.
Künstliche Intelligenz durchforstet Wissensbasis
Umso wichtiger ist es, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz überwacht wird. Falsche Informationen durch Halluzinationen müssen bei der Interaktion von Studierenden mit dem hauseigenen Chatbot ausgeschlossen werden. „Sonst verlieren die Studierenden jedes Vertrauen“, sagt Lange. Daher gilt immer das Prinzip „human in the loop“, es greift eine menschliche Kontrolle: „Die Lehrbeauftragten müssen jede gestellte Frage beim ersten Mal validieren“, erläutert Lange. Die Antwort stehe bis dahin unter Vorbehalt.
Die IU Group sieht Lange in einem Punkt im Vorteil gegenüber vielen anderen Unis: „Unser gesamtes akademisches Wissen ist auf einer standardisierten Plattform digital verfügbar und kann von einer KI durchforstet werden.“ Denn anders als an den meisten Hochschulen gehören die Inhalte nicht den Lehrenden, sondern der Hochschule.
Prüfungen unter Beobachtung
2016 hat die IU Online-Klausuren im Fernstudium eingeführt, nach eigenen Angaben als erste Hochschule weltweit. Die Prüfungen seien umfassend abgesichert, sagt Lange. Offene Kameras und Mikrofone sind Pflicht. „Wenn jemand immer wieder die Augen vom Bildschirm nimmt, um nach links unten zu schauen, dann ist das ein Fehlversuch – dann vermuten wir da einen Spickzettel oder ein Handy“, sagt Lange. Die Regeln lege die IU streng aus. „Wir wissen, dass wir als privater Online-Anbieter unter Beobachtung stehen. Deshalb ist uns Integrität total wichtig.“
Zur Person
Marvin Lange begann seine berufliche Laufbahn bei der Bertelsmann-Tochter Arvato, später ging er für den Gütersloher Konzern nach Großbritannien, wo er unteranderem CFO von Prinovis UK war. Es folgten Stationen bei dem Anbieter von Online-Spielen Gameforge und bei ProSiebenSat.1, wo Lange von 2013 an Teil der Geschäftsführung der Online-Videothek Maxdome war.
Für Lange selbst war der Wechsel zur IU Group im Jahr 2019 der Eintritt in eine neue Welt – vorher arbeitete er in der Gaming-Branche und im Entertainment-Geschäft. Bei dem Fernsehsender ProSiebenSat.1 war er von 2013 an Teil der Geschäftsführung der Online-Videothek Maxdome. „Mich hat es auch persönlich motiviert, am Thema Bildung zu arbeiten“, sagt er. „Zuvor waren meine Kennzahlen darauf ausgerichtet, die Menschen möglichst lange vor dem Fernseher zu halten. Da ist der gesellschaftliche Beitrag eher überschaubar.“
Den Austausch mit dem Private-Equity-Eigner Oakley Capital beschreibt Lange als „enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe“. Die Branche denkt üblicherweise in Fünf-Jahres-Zyklen, der Wechsel in den Continuation Fund war 2023. Neben einem Zusammenschluss hält Lange sich auch andere Optionen offen. „Wir schließen grundsätzlich keine Exit-Route aus“, sagt der Finanzchef. Ein öffentliches Listing sei denkbar – „hat aber die Nachteile, dass die Börse für so ein langfristiges Produkt wie Bildung manchmal ein bisschen zu ungeduldig ist“, vermutet er. Der CFO findet auch die Variante des Private IPO interessant. Dabei richtet sich die Offerte nur an ausgewählte Investoren oder institutionelle Anleger. „Wir müssen sehen, für was der Markt dann reif ist.“
Im Gespräch: Marvin Lange
„Wir sind keine Hochschule zweiter Klasse“
Der CFO der IU Group über den Einsatz von KI bei Online-Studiengängen und die Zusammenarbeit mit Private Equity
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
An der privaten Hochschulgruppe IU Group lernt der Großteil der Studenten online. Dem Konzept hafte zu Unrecht das Stigma einer „Hochschule zweiter Klasse“ an, sagt CFO Marvin Lange. Den größten Wachstumshebel für das Oakley-Portfoliounternehmen sieht er im Einsatz künstlicher Intelligenz. Dafür kann er sich auch Partnerschaften vorstellen.