Finanzinvestor

Macquarie trennt sich von Stromkonzern Estag

Sieben Jahre nach dem Einstieg will sich Macquarie jetzt wieder von der Beteiligung am österreichischen Energiekonzern Estag trennen. Der Verkaufsprozess für die Sperrminorität an dem milliardenschweren Unternehmen ist gestartet. Mit der Ausrichtung auf Erneuerbare passt Estag zu ESG-Kriterien großer Investoren.

Macquarie trennt sich von Stromkonzern Estag

cru Frankfurt

Der australische Finanzinvestor Macquarie stellt seine Beteiligung am milliardenschweren österreichischen Energiekonzern Estag – der Energie Steiermark – zum Verkauf. Mit der Transaktion beauftragt sind die Investmentbank Barclays und die Kanzlei Linklaters. Das wird aus Finanzkreisen bestätigt.

Macquarie war 2015 mit 25,1% eingestiegen und hatte die Sperrminorität damals vom französischen Staatskonzern Électricité de France erworben. Die übrigen Anteile gehören der Steiermärkischen Landesregierung, die laut Gesellschaftervereinbarung mit Macquarie auch die vollen Kontrollrechte ausübt, dem Private-Equity-Haus aber zwei von acht Sitzen im Aufsichtsrat einräumte. Zudem wurde vereinbart, dass die Australier frühestens nach fünf Jahren verkaufen dürfen. Macquarie hatte damals an EdF knapp 260 Mill. Euro für die 25,1% der Anteile bezahlt, die zuletzt 12 Mill. Euro Dividende einbrachten.

Inzwischen dürfte das Anteilspaket allerdings angesichts des kräftigen Anstiegs der Preise für Strom, Gas und Fernwärme deutlich mehr wert sein. Für die Erzeugung von Strom nutzt Estag zudem ausschließlich die erneuerbaren Quellen Wasser, Wind, Sonne und Biomasse. Damit entspricht der Energiekonzern den Anforderungen an ESG (Um­welt, Soziales, Governance), die auch bei den Investoren der Private-Equity-Industrie immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Das Unternehmen mit rund 2000 Beschäftigten hat den Umsatz seit 2016 nahezu verdoppelt auf 1,8 Mrd. Euro. Das Konzernjahresergebnis lag zuletzt bei 48 Mill. Euro, und das operative Ergebnis (Ebit) halbierte sich 2021 auf 31 Mill. Euro. Das Eigenkapital betrug laut Konzernbericht für 2021 per Jahresende 2,3 Mrd. Euro, die Schulden lagen bei 2,9 Mrd. Euro. Bis 2025 will Vorstandssprecher Christian Purrer, der seit zehn Jahren an der Spitze des Unternehmens steht, 1 Mrd. Euro in den Ausbau erneuerbarer Energie und in die Entwicklung von smarten Netzen investieren.

Beteiligungen von Finanzinvestoren an Energiekonzernen der öffentlichen Hand gibt es auch in Deutschland. Ende 2019 hatte Europas größtes Private-Equity-Haus Ardian 26% am norddeutschen Energieversorger EWE aus Oldenburg für 1,5 Mrd. Euro übernommen. Im April 2020 verkauften Rheinenergie und EnBW ihre Beteiligung von 45,1% am Mannheimer Energieversorger MVV, der zu 50,1% der Stadt Mannheim gehört, an den Finanzinvestor First State. Darüber hinaus erwägt die US-Private-Equity-Firma­ Carlyle derzeit den Kauf der Ölfördersparte des deutlich größeren österreichischen Energiekonzerns OMV.

Hungrig nach Kapital

Energiewende und Digitalisierung fordern den kommunalen Strom- und Wärmeversorgern, Netzbetreibern und Infrastrukturanbietern nicht nur technologisch viel ab. Auch finanziell stellen die Megatrends die öffentlichen Träger vor schwierige Aufgaben. Verlässliche Zahlen sind schwer zu bekommen; die Initiative Deutsche Infrastruktur (IDI) argumentierte Ende 2020 für den Stromnetzausbau mit 52 Mrd. Euro Investitionsbedarf von 2019 bis 2030 nach Netzentwicklungsplan. Die Finanzierungslücke auf dem Weg zum flächendeckenden Glasfasernetz war demnach 2019 etwa doppelt so hoch.

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