InterviewHeiko Wuttke

PNE-Chef fordert maßvolle Neuausrichtung der Energiepolitik

Der Vorstand des Windparkprojektierers PNE hat sich innerhalb eines Jahres neu formiert. Weil sich das Marktumfeld veränderte, musste das SDax- und TecDax-Unternehmen aus Cuxhaven Mittelfristziele korrigieren. Die neue Bundesregierung sollte die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien nun nicht gravierend ändern, fordert PNE-Chef Heiko Wuttke.

PNE-Chef fordert maßvolle Neuausrichtung der Energiepolitik

Im Interview: Heiko Wuttke

„Man kann viel zerstören“

Der neue Vorstandschef des Windparkprojektierers PNE über die Energiepolitik der Bundesregierung, Wachstumsspielräume und Kurskorrekturen

Der Vorstand des Windkraftprojektierers PNE hat sich innerhalb eines Jahres neu formiert. Weil sich das Marktumfeld veränderte, musste das SDax- und TecDax-Unternehmen aus Cuxhaven Mittelfristziele korrigieren. Die neue Bundesregierung sollte die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien nun nicht gravierend ändern, fordert PNE-Chef Heiko Wuttke.

Herr Wuttke, das Marktumfeld hat sich in den vergangenen drei Jahren für PNE erheblich verändert, mittelfristige Geschäfts- und Finanzziele wurden inzwischen angepasst.

Das ist richtig. Die Materialkosten und Zinsen sind gestiegen und die Preise für den Stromverkauf sind gesunken. Diese geänderten Bedingungen haben uns bewogen, die Ziele anzupassen. Wir werden dennoch weiter im operativen Ergebnis und der Kapazität des Eigenbetriebs wachsen.

Haben die veränderten Vorzeichen und die Anpassungen des Kurses zum Umbau des gesamten PNE-Vorstands im vergangenen Jahr geführt?

Das ist eine Mutmaßung. Aus meiner Sicht waren die Anpassungen erforderlich, die wir im ersten Quartal dieses Jahres formuliert haben. Die Strategie „Scale up 2.0“, die PNE anlässlich eines Kapitalmarkttags im Herbst 2022 vorstellte, war sehr stark auf Übernahmen von Anlagen aus erneuerbaren Energien in den Eigenbetrieb ausgerichtet. Das ist nach wie vor richtig. Nur müssen die Übernahmen auch unter geänderten Marktbedingungen finanzierbar sein.

Zur Person

Die ersten Monate als Vorstandschef des Windparkprojektierers PNE hätten für Heiko Wuttke ungünstiger verlaufen können. Seit dem Start des Diplom-Ingenieurs am 13. Januar hat der Aktienkurs des Unternehmens um fast 30% zugelegt, der Börsenwert stieg auf zuletzt über 1,1 Mrd. Euro. Die Branche der Erneuerbaren Energien kennt der 57-Jährige, der aus dem niedersächsischen Twistringen stammt, seit langem. Nach Stationen im Onshore-Vertrieb von Repower Systems und als Leiter der deutschen Projektentwicklung in der Windsparte des schwedischen Stromversorgers Vattenfall wurde Wuttke 2016 Vorstand der Energiegenossenschaft Prokon. 2022 rückte er an die Spitze des Beratungsunternehmens 8.2. Beim Windparkprojektierer PNE gehört Wuttke einem im vergangenen Jahr erneuerten dreiköpfigen Vorstand an.

Das waren sie nicht mehr?

Die Annahmen aus dem Jahr 2022, als der Ukraine-Krieg begann und Preissteigerungen zur Zinswende der Notenbank führten, haben im Verlauf der vergangenen Jahre ihre Gültigkeit verloren. Gestiegene Zinsen, erhöhte Materialkosten sowie gesunkene Strompreise haben uns zu Beginn dieses Jahres veranlasst, die Unternehmensstrategie ein Stück weit anzupassen. Ziel ist eine bessere Balance, ein ausgewogener Mix zwischen dem Aufbau des Eigenbetriebsportfolios und dem Verkauf von Projekten. So wollen wir Wertschöpfung und Cashflow optimieren, die Bilanz stärken und die Profitabilität verbessern.

Mit der Kurskorrektur wurden Vorgaben bis Ende 2027 geändert. Inwiefern?

Wir gehen davon aus, dass wir Ende 2027 auf ein Eigenbetriebsportfolio von Windparks mit einer Gesamtleistung von etwa 1,1 Gigawatt (GW) anstatt 1,5 GW im Betrieb oder im Bau kommen werden. 2024 hat sich die Nennleistung des Eigenbetriebs durch Fertigstellung und Übernahme von Windparks um gut 50 auf 428,5 MW erhöht. Inzwischen sind wir bei rund 492 MW im Betrieb und weiteren 214 MW im Bau. Das Wachstum als unabhängiger Stromerzeuger (Independent Power Producer, IPP) wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

Gibt es das vorherige Portfolioziel noch?

Auf längere Sicht halten wir an dem Plan, auf ein Eigenbetriebsportfolio von 1,5 GW im Betrieb oder Bau zu kommen, fest. Eine Jahreszahl nennen wir nicht. Wir müssen erst einmal auf unsere eigenen Mittel und stabile Cashflows schauen. Um stärker wachsen zu können, müssen sich die Kapitalmöglichkeiten verbessern.

Die Eigenkapitalquote hat sich von rund 25% im Jahr 2022 auf etwa 15% im vergangenen Jahr verringert. Am bisherigen Geschäftsmodell mit den drei Segmenten Projektentwicklung, Stromerzeugung und Dienstleistungen halten Sie fest?

Ja. Klar ist: Wir müssen profitabel wachsen. Das tun wir auch. Wir stellen für 2027 ein operatives Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) von rund 140 Mill. Euro in Aussicht. Das sind lediglich 10 Mill. Euro weniger, als wir 2022 angekündigt haben. 2024 lagen wir bei 69 Mill. Euro. Dass sich die Eigenkapitalquote verringert hat, ist Folge von erhöhten Investitionen in den Eigenbetrieb, des veränderten Marktumfelds mit höheren Aufwendungen für Maschinen, Material und Personal sowie gestiegenen Finanzierungskosten einerseits und gesunkenen Strompreisen andererseits.

Wie beurteilen Sie die Finanzlage Ihres Unternehmens?

Die Finanzlage ist, wenn man auch bestimmte Bewertungssachverhalte mit Blick auf Bestand und Projekt-Pipeline berücksichtigt, stabil. Aber es ist wichtig, dass wir vernünftig haushalten. Wir achten darauf, dass wir in verträglichem Umfang wachsen. Derzeit ist es nicht so, dass wir signifikantes Wachstumskapital aufnehmen.    

Ist eine Kapitalerhöhung kein Thema?

Doch. Ein notwendiger Beschluss hat sich aber in der vergangenen Hauptversammlung nicht ergeben.

Am Sitz in Cuxhaven (Foto) beschäftigt PNE derzeit 210 Mitarbeiter, an den weiteren großen Standorten Husum und Hamburg 200 bzw. 115 Mitarbeiter.
Am Sitz in Cuxhaven (Foto) beschäftigt PNE derzeit 210 Mitarbeiter, an den weiteren großen Standorten Husum und Hamburg 200 bzw. 115 Mitarbeiter.
PNE AG

Schon zum wiederholten Mal nicht.

Das ist richtig. Mit der Beschlusslage müssen wir arbeiten. Das heißt, wir müssen die Wachstumsmöglichkeiten selbst erwirtschaften. Die Bäume wachsen derzeit nicht in den Himmel, aber sie wachsen weiter.

Wie sieht es mit Fremdfinanzierung aus?

Fremdfinanzierung für Investitionen ist bei uns in der Regel eine Non-Recourse-Finanzierung einzelner Projekte, keine generelle Unternehmensfinanzierung.

PNE hat 2022 eine Anleihe über 55 Mill. Euro mit fünfjähriger Laufzeit und einem 5%-Kupon zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur und zur Wachstumsfinanzierung begeben und diese vor kurzem auf 65 Mill. Euro aufgestockt. Können Sie sich weitere Emissionen vorstellen?

Wir werden uns spätestens im kommenden Jahr überlegen, ob wir verlängern oder ob wir mehr machen wollen.

Sie sagen, PNE müsse Wachstumsmöglichkeiten selbst erwirtschaften. Was heißt das im Detail?

Wir verkaufen bestimmte Projekte, die wir entwickeln, anstatt sie in den eigenen Bestand zu übernehmen. So können wir Einnahmen erzielen, um unser Wachstum mit den Projekten zu finanzieren, die wir in den Eigenbetrieb übernehmen wollen. Zudem bereinigen wir unser Portfolio in bestimmten Märkten. Im vergangenen Jahr haben wir unser US-Geschäft an den amerikanischen Investor Lotus Infrastructure veräußert, zu Beginn dieses Jahres unsere schwedischen Gesellschaften an den norwegischen Versorger Aneo. Weitere Portfoliobereinigungen im Onshore-Wind- und im Photovoltaik-Bereich werden dort folgen, wo wir in naher Zukunft nicht mit zufriedenstellenden Renditen rechnen können.

Wo?

Wir planen Bereinigungen in Panama und in der Türkei.

Sie verringern den internationalen Auftritt.

Insgesamt sind wir derzeit einschließlich der Service-Dienstleistungen in 14 Märkten präsent, künftig werden es vielleicht noch zehn oder zwölf Märkte sein. Außerhalb Europas sind wir, was die Projektentwicklung im Wind- und Photovoltaik-Bereich angeht, derzeit mit Kanada, Panama, Südafrika, Türkei und Vietnam in fünf Ländern aktiv. Wir werden uns aus zwei Märkten zurückziehen. In weiteren schauen wir genau hin. In Europa sind wir mit dem Geschäft in Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und Spanien grundsätzlich zufrieden. Wichtig sind aber Fortschritte bei den Netzanschlüssen. Hier gibt es Engpässe, die die Umsetzung von Projekten verzögern. Das gilt nicht zuletzt auch für Rumänien.

Über welchen Zeitraum streben Sie die Portfoliobereinigung an?

Von heute an gerechnet über zweieinhalb Jahre, bis Ende 2027. Wir müssen aber auch abwarten, wie sich in Anbetracht der wachsenden Volatilität bestimmte Themen in Deutschland und Europa entwickeln. Mit einem Erneuerbaren-Anteil von mehr als 60% ist das Thema Netzanschluss virulent. Es wird darauf ankommen, dass wir Projekte an den richtigen Stellen entwickeln, nicht nur an windigen oder sonnigen, sondern an solchen, die dem Energienetz am besten dienen. Wir stehen vor einigen Herausforderungen, sehen uns aber für die kommenden Jahre gut gewappnet.

Was sorgt für Zuversicht?

Wir werden ja beim Wachstum nicht vollständig ausgebremst. Wenn wir bis Ende 2027 auf etwa 1,1 GW installierter Leistung im Eigenbetrieb kommen, heißt das immer noch, dass wir uns von heute aus mehr als verdoppeln werden. Die Wachstumsgeschwindigkeit nimmt etwas ab. Wir fokussieren uns mehr auf profitables Wachstum.

Sie haben auf die gestiegenen Kosten in den vergangenen Jahren verwiesen. Welche Rolle spielen jetzt Einsparungen?

Wir prüfen an vielen Stellen intensiver, ob wir Kosten reduzieren können, wie dringlich Ausgaben sind. Wir verfolgen aber kein dezidiertes Sparprogramm. Wir versuchen vor allem, Projekte deutlich besser abzuwickeln, indem wir Schnittstellen zwischen Lieferanten und unserer Planung enger gestalten, indem wir Projekte beschleunigen, damit Kapital weniger lang gebunden ist. 

Mehr Projektverkäufe sind der größere Hebel zur Verbesserung der Lage?

Ja.

Politisch hat der Wind zuletzt gegen Erneuerbare gedreht. Inwiefern wird sich dies auf Projektverkäufe aus?

Ich bin froh, dass wir unser US-Geschäft im vergangenen Jahr veräußern konnten. Die politischen Rahmenbedingungen haben sich ja stark verschoben. In Deutschland spüren wir bislang keine großen Auswirkungen, nachdem sich eine neue Regierung formiert hat. Gleichwohl will ich aber betonen, dass es für die Energiewirtschaft in Deutschland nicht zu einem Fadenriss kommen darf. Wir als Branche und die Wirtschaft insgesamt blicken ja nicht nur auf eine Wahlperiode von vier Jahren. Wir sind angewiesen auf Investitionssicherheit. Deshalb benötigen wir politische Rahmenbedingungen, die über Legislaturperioden hinweg möglichst verlässlich sind. Die deutsche Energiewirtschaft für Erneuerbare braucht keine weitere Altmaier-Delle.

Äußerungen der neuen Bundeswirtschaftsministerin machen Ihnen Sorge?

Aussagen zum Ausbau der Erneuerbaren in den vergangenen Jahren lassen jedenfalls aufhorchen. Wenn jetzt die politische Ausrichtung justiert wird, darf nicht zu weit zurückgedreht werden. Sich vor allem wieder auf die alte Energiewirtschaft zu besinnen, um Deutschland stabil zu halten, kann nicht die Lösung für einen Wirtschaftsbereich mit hunderttausenden Beschäftigten sein. Die Rahmenbedingungen für den Bereich der erneuerbaren Energien dürfen sich nicht so weit verändern, dass tatsächlich ein Fadenriss entsteht.

Sie meinen das Ausbautempo?

Ausbautempo, aber auch Ausschreibungen oder Marktdesign. Veränderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes müssen die Auswirkungen beachten. Man kann viel zerstören.

Zurück zu Ihrem Unternehmen: Wie schätzen Sie die Aussichten für Erlöse bei den geplanten Projektveräußerungen ein?

Gut. Es wird darauf ankommen, dass wir zeigen können, wie gut unsere Projekte sind. Wichtig sind aber eben auch die Rahmenbedingungen.

Wie groß ist der Anteil der zur Veräußerung anstehenden Projekte in Deutschland und im Ausland?

Die Anzahl – nicht die Leistung in Megawatt – der Projekte verteilt sich in etwa zu einem Drittel auf Deutschland und zu zwei Dritteln auf die internationalen Märkte.

Wäre es in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen nicht angemessen, Dividendenzahlungen auszusetzen?

Ein Aussetzen der Dividendenzahlung für 2024 stand mit Blick auf die Größenordnung nicht zur Debatte. Wir sind finanziell und bilanziell gesund, haben im vergangenen Jahr solide geliefert und ein sehr respektables operatives Ergebnis weit über der Guidance erzielt. Zudem wachsen wir weiter.

Die Anpassungen der Unternehmensstrategie und der mittelfristigen Zielvorgaben werden von allen Gesellschaftern mitgetragen?

Ja, das ist mein Eindruck. Die Hauptversammlung im Mai ist in ruhigen Bahnen verlaufen. In der Generaldebatte gab es Nachfragen, aber auf Ablehnung sind die Adjustierungen bei Ausrichtung und Zielen nicht gestoßen.

Bleibt PNE eigenständig? Ihr größter Aktionär Morgan Stanley Infrastructure, der aktuell über 50% der Stimmrechte hält, führte in der Vergangenheit Gespräche über einen Verkauf der PNE-Anteile, die Anfang 2023 beendet wurden.

Dass immer mal wieder Spekulationen aufkommen, ist normal, wenn es Private-Equity-Firmen im Eigentümerkreis gibt. Ich kann das nicht weiter kommentieren.

Ein Wort zum laufenden Geschäftsjahr: Gilt die bisherige Prognose?

Ja. Der Geschäftsverlauf bewegt sich, was die Projekte angeht, im Rahmen unserer Erwartungen. Die meisten Projekte werden wir erst im zweiten Halbjahr umsetzen. Nicht so gut war aufgrund des geringen Windes bislang der Ertrag aus den Bestandsanlagen. Das betrifft aber die gesamte Branche. An der Prognose für 2025, die eine Steigerung des Ebitda auf 70 bis 110 Mill. Euro vorsieht, halten wir dennoch fest.  

Das Interview führte Carsten Steevens.