Insolvenzen

Schon jetzt mehr Großinsolvenzen als 2021

Die Zahl der Großinsolvenzen wird das ausgesprochen niedrige Vorjahresniveau in diesem Jahr übertreffen. Die Rettung der angeschlagenen Firmen über Distressed M&A wird dagegen schwieriger: Investoren halten sich zurzeit zurück.

Schon jetzt mehr Großinsolvenzen als 2021

sar Frankfurt

Die Zahl der Insolvenzen bei Unternehmen mit einem Umsatz größer als 20 Mill. Euro nähert sich wieder dem Niveau vor der Corona-Pandemie an. Das zeigt der neue Insolvenzreport „5 nach 12“ der Restrukturierungsberatung Falkensteg, der quartalsweise die Insolvenzanmeldungen analysiert. Zwischen Antrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen zumeist zwei bis drei Monate. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres gab es demnach 84 Insolvenzanträge von Unternehmen in dieser Umsatzgröße, das ist schon jetzt mehr als im gesamten Jahr 2021, als nur 76 Anträge gestellt wurden.

Aufgrund umfassender staatlicher Hilfsleistungen lag die Zahl der Firmenpleiten im zweiten Jahr der Pandemie trotz starker wirtschaftlicher Einschränkungen und Lockdowns auf einem extrem niedrigen Niveau. Ein Anstieg war daher erwartet worden, von einer veritablen Pleitewelle sprechen Experten aber dennoch nicht. Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt prognostiziert einen Wert von etwa 130 Verfahren bis Jahresende, das wäre in etwa der Wert aus dem Jahr 2019. Im ersten Pandemiejahr hatte es mit 181 Großinsolvenzen einen Ausreißer nach oben gegeben.

Auch in der aktuellen Situation bleibt das Insolvenzgeschehen je­doch stark von staatlichen Hilfsmaßnahmen abhängig. Eckhardt fordert an dieser Stelle ein Umdenken in der Politik, denn Insolvenzen komme eine wichtige Aufgabe zu: „Durch die Hilfeleistungen haben sich so­genannten Zombie-Unternehmen deutlich vermehrt und binden Arbeitskräfte sowie wertvolle Ressourcen, die händeringend von marktfähigen Firmen gesucht werden“, sagt er.

Automotive stark betroffen

Nach Branchen sortiert entfielen im dritten Quartal die meisten Insolvenzanträge auf Unternehmen aus der Autozulieferindustrie, die mit sieben Fällen vertreten war. Es folgen die Branchen Maschinenbau und Nahrungsmittel mit je fünf Fällen sowie Hersteller von Metallwaren und Kunststoffprodukten mit je vier Insolvenzanträgen. Die nach Umsatz größten Fälle des dritten Quartals sind das Insolvenzverfahren des Autozulieferers Dr. Schneider Holding mit 431 Mill. Euro Jahresumsatz und 4500 Mitarbeitern sowie das Schutzschirmverfahren des Schuhhändlers Ludwig Görtz, der mit 1800 Beschäftigten zuletzt knapp 200 Mill. Euro umsetzte.

Unter den 76 Unternehmen mit mehr als 20 Mill. Euro Umsatz, die im vergangenen Jahr einen Insolvenzantrag gestellt haben, ist im dritten Quartal nur drei weiteren der Neustart gelungen. Insgesamt sind damit 41 Unternehmen über einen Insolvenzplan oder einen Weiterverkauf saniert worden. Elf Verfahren aus dem vergangenen Jahr sind noch offen, 18 Firmen wurden liquidiert.

Falkensteg beobachtet derzeit bei Distressed-Investoren, die auf Übernahmen kriselnder Unternehmen spezialisiert sind, mehr Zurückhaltung. Die Zukunftsfähigkeit der insolventen Unternehmen lasse sich kaum mehr prognostizieren, zudem werde die Finanzierung für Firmenübernahmen teurer. Das hat Folgen: „Der Kauf eines insolventen Unternehmens durch einen Finanzinvestor findet praktisch nicht mehr oder schlicht noch nicht statt“, kommentiert Jonas Eckhardt.

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