Kartellstrafe

Autobauer auf Irrfahrt

Die hohe Strafe für BMW und VW aufgrund technischer Absprachen zeigt, dass die EU auch bei der Festlegung von Standards genau hinschaut. Auch die Standardsetzung kann – falsch gemacht – teuer werden.

Autobauer auf Irrfahrt

Die EU-Kommission hat BMW und Volkswagen fast 900 Mill. Euro Kartellstrafe aufgebrummt, weil diese bei technischen Absprachen zur Abgasreinigung ihrer Diesel-Motoren wohl klar über das Ziel hinausgeschossen sind. Vergleichbar teure Urteile waren bislang Preis­absprachen oder anderen unmittelbar wettbewerbsfeindlichen Verstößen vorbehalten. Dass eine technische Absprache die EU-Kommission­ zu einem derart hohen Strafmaß bewegt, ist indes ein Novum. Ohne den Straferlass für Daimler, die das Kartell aufgedeckt hatte, und den Nachlass für Beweislieferant Volkswagen wären es sogar über 2 Mrd. Euro gewesen.

Auf den ersten Blick mutet das Urteil der Kommission extrem hart an. Schließlich sind Absprachen zwischen den Branchenvertretern gerade bei Technologien, die hersteller- und fahrzeugklassenübergreifend aufgrund regulatorischer Vorgaben zum Einsatz kommen, nicht nur üblich, sondern auch angebracht. Man denke nur an die bereits angelaufene Elektrifizierung der Automobilindustrie. Einheitliche La­deanschlüsse oder Standards für die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladesäule sind sogar im Sinne des Verbrauchers. Ohne Absprachen zwischen Wettbewerbern drohte ein Lade-Chaos wie in den Anfängen der Mobiltelefonie.

Mit ihrer Absprache in Bezug auf die Stickoxid-Abgasreduzierung bei Diesel-Fahrzeugen haben sich die Hersteller VW, BMW und Daimler aber auf eine Irrfahrt begeben. Gemeinsam festgelegt wurden nicht nur unkritische Punkte wie eine Normierung der Einfüllstutzen, sondern auch die möglichen Größen für die Harnstoff-Tanks und sogar wie weit die Fahrzeuge mit einer Tankfüllung „Adblue“ kommen sollten. Aus letzteren beiden Angaben leitete sich ein Durchschnittsverbrauch ab, der nicht etwa auf technischen Erkenntnissen basierte, sondern am grünen Tisch ausgehandelt wurde.

Lässt sich die Festlegung auf eine gemeinsame Tankgröße aufgrund der Abfüllung aus Kanistern, die sich so ebenfalls leichter normieren ließen, vielleicht noch rechtfertigen, gilt dies nicht für die Festlegung auf einen maximalen Durchschnittsverbrauch. Die Branche sollte diesen Schuss vor den Bug aber als Warnung für die nächsten Jahre nehmen. Denn auch in der Elektrifizierung sind längst nicht alle technischen Standards gesetzt. Mit Blick auf diese gilt es, immer erst genau zu prüfen, ob es einen Standard überhaupt braucht. Die Kommission hat mehr als deutlich gemacht, dass es sehr teuer werden kann, bei dieser Prüfung falschzuliegen.

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