Wirecard-Ausschuss

„Aufsichtsversagen und Wagenburgmentalität“

„Deutsche Aufsichtsbehörden sind nicht fit für das Internetzeitalter und digitale Geschäftsmodelle“, lautet das Fazit, zu dem Vertreter der Opposition in ihrem Bericht zum Wirecard-Untersuchungsausschuss kommen.

„Aufsichtsversagen und Wagenburgmentalität“

sp Berlin

Die Vertreter von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke im Untersuchungsausschuss zum Betrugsskandal bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard lassen in ihrem Abschlussbericht kein gutes Haar am Handeln von Regierung und Behörden. „Es geht um den größten Börsen- und Finanzskandal der Nachkriegszeit, der durch kollektives Aufsichtsversagen, deutsche Wagenburgmentalität gegenüber Nicht-Deutschen sowie ein politisches Netzwerk und die Sehnsucht nach einem digitalen nationalen Champion und dessen Markteintritt in China ermöglicht wurde“, schreiben die Fraktionen, mit deren Stimmen der Ausschuss im Herbst des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht wurde. Die Behörden hätten in dem Finanzskandal auf allen Ebenen versagt, heißt es in dem 675 Seiten starken Dokument. „Deutsche Aufsichtsbehörden sind nicht fit für das Internetzeitalter und digitale Geschäftsmodelle“, lautet das schonungslose Fazit der Opposition.

Die politische Hauptverantwortung sehen die Initiatoren des parlamentarischen Sondergremiums bei Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt nicht gut weg. Sie habe sich „naiv“ von Lobbyisten für die Interessen von Wirecard einspannen lassen, heißt es mit Blick auf eine China-Reise im Herbst 2019, auf der sich Merkel für einen Markteintritt des damaligen Dax-Konzerns in China starkmachte. Harsche Kritik übt die Opposition auch an den Wirtschaftsprüfern von EY, die die Bilanzen von Wirecard über Jahre testiert hatten. „Die Prüfungstätigkeiten waren schlicht ungenügend“, heißt es in dem Bericht. Eine kritische Grundhaltung sei bei EY nie erkennbar gewesen.

Wirecard meldete am 25. Juni des vergangenen Jahres Insolvenz an, nachdem sich angebliche Guthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Mrd. Dollar als Luftbuchungen erwiesen hatten. Der Kollaps, der milliardenhohe Verluste für Investoren und Gläubiger nach sich zog, sei verhinderbar gewesen, erklärte FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Spätestens Anfang 2019 habe es ausreichend viele Warnhinweise gegeben, die das Eingreifen der Behörden erforderlich gemacht hätten. Stattdessen hätten viele Mitarbeiter in den für die Aufsicht zuständigen Behörden selbst mit Wirecard-Aktien gehandelt, ätzte der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi. Auch Warnhinweise aus dem Ausland seien versickert, monierte die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus. So habe etwa die Finanzaufsicht BaFin Vorwürfe zu Unregelmäßigkeiten in der Wirecard-Bilanz nicht inhaltlich überprüft und eine tiefsitzende Skepsis gegenüber angelsächsischen Medien und Investoren an den Tag gelegt.

Ende Juni im Parlament

Alle drei Oppositionsparteien zogen ein positives Fazit zur Arbeit des Untersuchungsausschusses, der heute drei weitere Zeugen hört und dessen Ergebnisse Ende Juni im Parlament diskutiert werden sollen. .„Der Untersuchungsausschuss hat sehr gute Arbeit geleistet“, lobte gestern auch Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick. Das gelte insbesondere für die Abgeordneten der Opposition. „Die Regierungsfraktionen waren dagegen vor allem darum bemüht, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen“, kritisierte Schick. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD wollen eine eigene Bewertung des Untersuchungsausschusses vorlegen. Von der AfD wird ein Sondervotum erwartet.