Banken

Banken steht ein Comeback als ESG-Transformationspartner bevor

Der drohende Niedergang traditioneller Geldhäuser wurde in den letzten Jahren schon viel beschworen. Tatsächlich winkt ihnen, nunmehr mit Rückenwind durch die Zinswende, ein Comeback als ESG-Transformationspartner.

Banken steht ein Comeback als ESG-Transformationspartner bevor

Der drohende Niedergang traditioneller Geldhäuser wurde in den letzten Jahren schon viel beschworen: starre Strukturen, die den Wandel blockieren. Verschlafene Digitalisierungsprozesse, die sich nur mühsam aufholen lassen. Agile Fintechs, die von allen Seiten zum Angriff ansetzen. Bis vor kurzem schwächte zudem das Niedrigzinsniveau die Profitabilität des Kerngeschäfts.

Oft prognostizieren Expertinnen und Experten auf Basis dieser Argumente eine düstere Zukunft für Banken. Von tektonischen Verschiebungen ist gar die Rede: weg vom Kerngeschäft der Geldhäuser – der Risikotransformation – hin zu Daten und Technologien. Das meiste davon ist nicht falsch – zumindest war es das bis vor kurzem nicht. Denn angesichts aktueller Entwicklungen kehren sich viele Argumente in ihr Gegenteil um.

Die Fintechs zum Beispiel straucheln angesichts steigender Zinsen, zurückhaltender Wagniskapitalgesellschaften und zunehmender Regulierung. Zudem machen sie immer häufiger die schmerzhafte Erfahrung, in manchen Geschäftsbereichen nicht gegen die etablierten Player anzukommen. Den Großbanken dagegen kommt die Zinswende zugute. Sie macht ihr Kerngeschäft wieder profitabel. Anders als der vermeintliche Zeitgeist nahelegt, befinden sich viele Geldhäuser deswegen in einer guten Situation.

Ertragstöpfe werden größer

Hinzu kommt das wahrscheinlich wichtigste Thema unserer Generation – die durch den Klimawandel vorangetriebene ESG-Transformation. Sie lässt die Ertragstöpfe der Banken, zumindest mittelfristig, ansteigen und – noch wichtiger – verleiht dem Geschäft der Kreditinstitute einen gesellschaftlichen Auftrag mit Sinn: das, was man heute Purpose nennt.

Durch die Zinswende und den hohen Finanzierungsbedarf im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels können Banken also profitabel wachsen, während der Wettbewerb nur in Teilbereichen anzieht. Das Tal der Tränen ist durchschritten. Ein genauer Blick auf die derzeitigen Entwicklungen verdeutlicht dies.

Da ist als Erstes das Kerngeschäft der Banken. Nach und nach, so heißt es immer wieder, werde es von den schnellen, agilen und auf Technologie fokussierten Fintechs unterhöhlt. Aktuell zeigt sich allerdings, dass diese These in ihrer Absolutheit nicht stimmt. Während Fintechs im standardisierbaren Geschäft wie bei Payments oder im Retail-Assetmanagement tatsächlich zunehmend davoneilen, beißen sie sich an Themen wie der Kreditvergabe im Firmenkundengeschäft, der Projektfinanzierung oder bei Spezialfinanzierungen die Zähne aus.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Finanzierung eines Windparks oder die Kreditvergabe für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur lässt sich nicht einfach standardisieren. Stattdessen kommt es auf enge Kundenbeziehungen, detailliertes Fachwissen und tiefe Kenntnis regulatorischer Anforderungen und Trends an, um den Kunden hochindividualisierte Lösungen anbieten zu können. Alles Leistungen, die Fintechs (noch) nicht im Portfolio haben.

Parallel geraten Fintechs von gleich mehreren Seiten unter Druck: eine sich abzeichnende Rezession, steigende Zinsen sowie drohende Regulierungswellen. Seit Beginn dieses Jahres haben europäische Venture-Capital-Firmen ihre monatlichen Finanzierungen für Start-ups um 45% gekappt. Das Ergebnis: erste Entlassungswellen und gekürzte Marketingbudgets. Steigende Zinsen lassen zudem Kapital teuer werden. Für Fintechs und Big Tech zeichnen sich außerdem stärkere Regulierungsvorstöße ab, vor allem für BNPL-Angebote (Buy Now Pay Later) und im Anti-Trust-Bereich. Ob sich Fintechs und Big Tech unter diesen Vorzeichen in die schwer zugänglichen Kernbereiche der Banken vorwagen, darf bezweifelt werden.

Dekade voller Chancen

Für die traditionellen Geldhäuser zeichnet sich dagegen eine Dekade voller Chancen ab. Denn für sie löst die Zinswende einen gegenteiligen Effekt aus: Ihr Kerngeschäft wird plötzlich wieder attraktiv. In den USA hat die Zentralbank den Leitzins bereits um 0,75 Prozentpunkte angehoben, auf die neue Spanne von 1,5 bis 1,75%. Die EZB kündigt ebenfalls zum ersten Mal seit elf Jahren eine Zinserhöhung an, die Landesbank Baden-Württemberg erwartet Ende 2022 einen EZB-Leitzins von 1%. Und vielerorts wird erwartet, dass die moderaten Erhöhungen erst der Anfang sind. Der Rückenwind für die Banken dürfte weiter zunehmen.

Im Mittelpunkt des Wandels

Die Verteidigung ihres Kerngeschäfts sowie die neuen makroökonomischen Vorzeichen bilden für die Geldhäuser somit das notwendige Fundament. Mit ihm können sie sich neu positionieren und die eigene gesellschaftliche Rolle unter Beweis stellen: als Finanzier der ESG-Transformation und wichtiger Treiber im Kampf gegen den Klimawandel. Dieses Thema wird die kommende Dekade stark prägen – und massive Investitionsvolumina erfordern. Die Banken stehen dabei als Transmissionsriemen im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Transformation. Sie können das Kapital für die Dekarbonisierung beschaffen und damit die Finanzierung der Übergangsphase erleichtern. Und sie können Unternehmen bei deren ESG-Transformation begleiten – mit Kapital sowie tiefer Industrie- und Kundenexpertise.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Ertragstöpfe der Geldhäuser dadurch erheblich anschwellen werden – mindestens mittelfristig. Einige Banken haben das bereits erkannt und sich in Stellung gebracht, um ihren Teil dieses Extra-Potenzials abzugreifen. Dazu gehört zwingend auch, das Thema ESG ganzheitlich im eigenen Geschäftsmodell zu verankern und durchzusetzen. Nur so können Institute die Chancen des nachhaltigen Wandels verstehen, ihre Kunden bei der Transformation erfolgreich begleiten und sich vom Wettbewerb absetzen.

Aufbruchstimmung herrscht

Wer sich derzeit in den Vorstandsetagen der großen Banken umhört, merkt schnell, dass die enormen Chancen des Wandels dort längst diskutiert werden. Nach den schwierigen 10er-Jahren herrscht keine Depression, sondern Aufbruchstimmung. Um erfolgreich zu sein, wird es für die Banken nun darauf ankommen, dieses Momentum konsequent durch eine holistische und ESG-integrierte Strategie zu nutzen.