JSA2025Die Notenbanken werden vom Fortschritt überrollt

Die Stablecoin-Revolution der Banken

Stablecoins und tokenisierte Assets revolutionieren die Finanzmarktinfrastruktur, treiben den Wettbewerb voran und könnten das traditionelle Zentralbankgeld zunehmend substituieren.

Die Stablecoin-Revolution der Banken

Stablecoins fressen
die Notenbanken auf

Bankenkonsortien wie Qivalis rollen den Markt auf mit tokenisiertem Giralgeld. Und die Deutsche Börse integriert Stablecoins tief in ihre Infrastruktur. Zentralbankgeld wird damit zurückgedrängt.

bg Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Manchmal muss man sich schon ein wenig die Augen reiben, mit was für einer Wucht sich der Paradigmenwechsel in der Finanzmarktinfrastruktur vollzieht. Aus den wilden Anfängen von Bitcoin und Kryptohandel hat sich die Distributed Ledger Technology (DLT) als verlässliches Register für die Wertpapierindustrie in Settlement und Nachhandel sowie die verschiedenen Formen des Zahlungsverkehrs entwickelt. Und es ist großartig zu beobachten, wie sich die Profis aus den Geschäftsbanken in den Wettlauf um Innovationen stürzen und dabei die offenen Formen der gemeinsamen Tech-Entwicklung übernehmen, wie sie zunächst die Startups etablierten und damit das Tempo vorlegten.

Zentralbankgeld wird zurückgedrängt

Seitdem die Geschäftsbanken dieses Tempo übernommen haben und auch auf regulatorischer Seite Hindernisse beseitigt werden, manifestieren sich aber Entwicklungen, die tendenziell die Wirkungsmacht der Notenbanken zurückdrängen. Denn mit der tokenisierten Form von Giralgeld als Stablecoin oder Deposit Token ist etwas ins Rollen gekommen, was als Lawine die Nutzung von Zentralbankgeld zurückdrängt. Das betrifft primär das Wertpapiergeschäft, perspektivisch auch den Retail-Zahlungsverkehr, wo der Digitale Euro in Brüssel festhängt und seine Existenz über die Verbindung von Wero mit EuroPA sowie die Integration von Payment-Stablecoins aber schnell obsolet werden kann. Hier rächt sich, dass die EZB ein überfrachtetes Konzept verfolgt und das mit einer Haltung verbindet, die vorgibt, den Euro beschützen zu wollen.

Pilotregime war ein Anfang

In der Hinsicht wird die Notenbank nun vom Fortschritt überrollt. Denn von den USA ausgehend, werden die gesetzlichen Vorgaben geschaffen, um Stablecoins und tokenisierte Assets auf DLT-Infrastruktur voll skalierungsfähig zu machen. Immerhin ist Europa mit dem DLT-Pilotregime Vorreiter für regulatorische Compliance, aber aufgrund zu vieler Beschränkungen konnte das Konzept bislang nicht abheben. Immerhin hatte die ESMA Vorschläge für ein Upgrade auf permanente Geltung des Regimes mit Abschaffung/Reduzierung der Caps beim Volumen von Finanzinstrumenten gemacht. Und auch wenn die EU-Kommission sich viel Zeit mit ihren Vorschlägen gelassen hatte - man kann förmlich spüren, wie die Regelsetzer mit sich ringen - so wurde Anfang Dezember doch im Sinne der ESMA geliefert. Da sich auch im Baseler Ausschuss der Wind pro Stablecoins (und contra 100-prozentiger Eigenkapitaldeckung für Krypto-Assets) gedreht hat, war die Richtung klar.

Werden die Regelsetzer das notwendige tun?

Wenn man sich die bereits auf den Weg gebrachten Initiativen der deutschen und europäischen Finanzindustrie anschaut, kommt man zu dem Schluss, dass die Akteure sowieso darauf vertrauen, dass die Regelsetzer ein voll marktfähiges Infrastruktur-Modell genehmigen werden - allein aus Wettbewerbsgründen. Dabei kann heute schon auf Basis der Micar in Verbindung mit dem Mifid-Regime sowie Erlaubnissen als E-Money-Institut einiges auf die Beine gestellt werden. Das gilt vor allem für das Wertpapiergeschäft in seiner kompletten Wertschöpfungskette.

Projekt Pontes macht Hoffnung

Dieses Geschäft schreit förmlich danach, dass es über Stablecoins und/oder Deposit Token abgewickelt wird - womit weniger über Zentralbankgeld sowie die Systeme der Notenbanken laufen würde. Das möchten Bundesbank und EZB bekanntermaßen nicht und wollen zur Jahresmitte mit dem Projekt „Pontes“ eine Fortsetzung der Pilotphase zum Wertpapier-Settlement über DLT-Systeme ermöglichen. Dabei käme Zentralbankgeld als Wholesale-CBDC zum Einsatz. Für die weitere Zukunft der Finanzmarktinfrastruktur wird im Projekt „Appia“ ein strategisches Zielbild für das Zusammenspiel von Geld, Vermögenswerten und Infrastrukturen entwickelt - was stark auf reine DLT-Systeme hinausläuft, wie sie von der Banque de France schon in der Pilotphase hingestellt wurden.

Qivalis ein zentraler Akteur

Zur Jahresmitte will aber auch schon das Qivalis getaufte Bankenkonsortium für einen Euro-Stablecoin betriebsbereit sein. Banken wie ING, DekaBank, Unicredit und BNP Paribas gehören dazu und hatten Anfang Dezember mit der Berufung des ex-Coinbase-Deutschlandchef Jan Sell Nägel mit Köpfen gemacht. Qivalis zielt auf grenzüberschreitende Zahlungen sowie Asset-Settlement, also das komplette Spektrum - wobei die Komponenten Wertpapiergeschäft und Firmenkunden-Zahlungsverkehr ein großes Gewicht haben dürften. Aber auch in DeFi-Protokollen soll der noch namenlose Euro-Stablecoin anschlussfähig sein und Verbreitung finden als Zins- und Settlement-Instrument.

Kapital im Euroraum allokieren

Angesichts der Dominanz der Dollar-Stablecoins ist es auch höchste Eisenbahn, dass die hiesige Finanzindustrie mit Euro-Stablecoins dagegen hält, um im Euroraum die capital flows zu generieren. Wichtig ist, dass Kapital hier allokiert wird, die Reserven also bei deutschen und europäischen Instituten liegen und zusätzliche Erträge aus dem Stablecoin-Geschäft selbst erzielt werden. Ein nativer Euro-Stablecoin würde zur monetären Autonomie Europas erheblich beitragen, so der Qivalis-CEO - und bringt es damit auf den Punkt.

Noch ein Euro-Stablecoin-Konsortium

Neben Qivalis hat sich auch schon ein anderes Euro-Stablecoin-Konsortium mit Banco Santander, Bank of America, Barclays, BNP Paribas, Citi, Deutsche Bank, Goldman Sachs, MUFG Bank, TD Bank Group und UBS formiert. Allerdings ist dieses Konsortium noch nicht so weit fortgeschritten wie Qivalis. Als E-Money-Institut für Stablecoins zugelassen in Europa sind Anbieter wie Circle und Allunity, ein Joint Venture von DWS, Flowtraders und Galaxy Digital. Beide sind auch Partner der Deutschen Börse, die ihre Infrastruktur in aller Breite und Tiefe modernisiert hat für das Zeitalter von DLT und tokenisierten Wertpapieren.

Deutsche Börse setzt Meilenstein zur Stablecoin-Einführung

Allein was bei der Deutschen Börse als zentraler Akteur der europäischen Wertpapierbranche abgeht, ist bemerkenswert: Seit Ende September haben die Eschborner drei Stablecoin-Partnerschaften geschlossen mit Circle, SG Forge und zuletzt Allunity. Dabei werden primär Euro-Stablecoins integriert, optional aber auch Mica-konforme Dollar-Stablecoins, was für ein grenzüberschreitendes Geschäft einfach dazugehört. Die Deutsche Börse setzt damit einen Meilenstein zur breiten Einführung von Stablecoins in Europa. Im Grunde wird die ganze Marktinfrastruktur der Börse DLT-fähig gemacht, von Clearstream bis zu den Konzerntöchtern 360T, 3DX sowie Crypto Finance - nebst der hauseigenen Tokenisierungslösung „D7 DLT“.

Wholesale CBDC gehört dazu

Die Deutsche Börse weist explizit darauf hin, dass die Stablecoin-Partnerschaft die Bestrebungen zum Einsatz von digitalen Zentralbankwährungen im Großkundengeschäft (wCBDC) nur ergänzen sollen. Sobald es diese Euro-Wholesale-CBDC gibt, kann die Börse je nach Transaktion und Marktteilnehmer auch dieses digitale Zentralbankgeld einsetzen, das traditionellerweise im Interbankenverkehr für Großbetragszahlungen verwendet wird.

Tether verfolgt keine großen EU-Ambitionen

Wer in Europa bislang nur indirekt mitspielt, ist Stablecoin-Marktführer Tether. In das Micar-Regime wollte sich CEO Paolo Ardoino nicht begeben, also hat man es dabei belassen, Europa nur mit der Tokenisierungsplattform Hadron zu bespielen, die lizensierte E-Money-Institute wie Quantoz und StablR zur Ausgabe von Stablecoins nutzen - wobei Tether an beiden beteiligt ist und über diesen Umweg am europäischen Markt teilnimmt. Richtig Geld in die Hand nimmt Tether nur, um in den USA ein regulierter Anbieter zu werden. Dort sitzt auch der dem US-Präsidenten nahestehende Geschäftspartner Cantor Fitgerald, der seit Jahren die Dollar-Staatsanleihen für Tether verwaltet.

Stripe und Circle in Lauerstellung

In Lauerstellung befinden sich Tech-Innovatoren wie Stripe. Das Fintech hat mit „Tempo“ ihre eigene, auf Payment optimierte Blockchain am Start und mit Klarna schon einen ersten Großkunden gefunden, der über „Tempo“ seinen eigenen Dollar-Stablecoin betreibt. Auch Circle dürfte mit ihrer auf die komplette Onchain-Finance-Wertschöpfungskette spezialisierten Blockchian „Arc“ in den USA starten und dann Europa ins Visier nehmen. Über „Arc“ ist das komplette Programm möglich: Onchain-Kredite, Währungs- und Terminmarktgeschäfte, tokenisierte Sicherheiten und KI-gesteuerter Zahlungsverkehr.

Dieser Blick in die Zukunft zeigt, mit welcher Wucht die Blockchain in den Kapitalmarkt drängt. Und da es nicht mehr nur die Startups sind, sondern auch Großbanken und Börsenkonzerne, gewinnen privatwirtschaftliche Initiativen mit Giralgeldlösungen Territorium hinzu - mitunter auf Kosten der Notenbanken.