Fondsgeschäft

Ein Rekord, der kein Rekord ist

Mit Zuflüssen von netto 158 Mrd. Euro haben deutsche Fonds 2021 eine neue Höchstmarke erzielt. Doch preisbereinigt hat die Branche keinen Rekordwert erreicht, im Verhältnis zum Volumen waren früher höhere Zuflüsse üblich.

Ein Rekord, der kein Rekord ist

Von Jan Schrader, Frankfurt

Noch nie haben deutsche Fonds so viele Mittel eingesammelt wie im zurückliegenden Jahr – und doch fällt das herausragende Ergebnis zum Teil hinter die Jahre 2015 und 2000 zurück, wenn die Inflation berücksichtigt wird oder die Zuflüsse ins Verhältnis zum Fondsvolumen gesetzt werden. Das lässt sich aus Fondsmarktdaten der Deutschen Bundesbank ableiten.

Insgesamt hat die Branche über in Deutschland aufgelegte Fonds im vergangenen Jahr netto 158 Mrd. Euro eingesammelt. Der Absatz liegt damit annähernd 12 Mrd. Euro über dem Ergebnis des bisherigen Spitzenjahrs 2015 sowie deutlich über allen anderen Jahren. Bereinigt um die Inflation dreht sich das Verhältnis allerdings etwas, das Jahr 2015 bleibt in dieser Betrachtung an der Spitze (siehe Grafik). Selbst das mit Abstand rekordhohe Neugeschäft der Publikumsfonds, das im vergangenen Jahr die Marke von 41 Mrd. Euro hinter sich ließ, relativiert sich in diesem Vergleich: Kurz nach der Jahrtausendwende, als private Anleger getrieben von der Börseneuphorie bereitwillig zu Fonds griffen, floss preisbereinigt deutlich mehr Geld in Publikumsfonds. Vor allem Aktienfonds waren damals gefragt.

Noch stärker fällt der Unterschied aus, wenn die Zuflüsse ins Verhältnis zum Volumen gesetzt werden. Denn anders als vor zwei Jahrzehnten handelt es sich bei der Fondsbranche heute um eine reife Industrie, die prozentual nicht mehr so stark wächst wie einst. Insgesamt liegen in deutschen Fonds laut Bundesbank heute rekordhohe 2,84 Bill. Euro, das sind annähernd viermal so viel wie um die Jahrtausendwende. Gemessen daran fällt das Neugeschäft also weniger ins Gewicht.

Superjahre 2000, 2015, 2021

Während im Jahr 2000 der Neue Markt und die Telekom-Aktie die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich zogen und im Jahr 2015 die EZB mit Start des Anleihenkaufprogramms die Aktienmärkte anfachte, steht das zurückliegende Jahr im Zeichen der hohen Sparquote in der Pandemie, einer weiterhin expansiven Geldpolitik und der Erholung der Weltwirtschaft. Der Dax stieg um 16%.

Der Zufluss in Aktien-Publikumsfonds verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf netto 14 Mrd. Euro, nachdem in den Jahren vor der Pandemie in dem Segment zuweilen milliardenschwere Abflüsse verzeichnet worden waren. Im Dezember rutschte das Neugeschäft allerdings leicht unter die Nullmarke. Zuvor waren die Aktienkurse spürbar gefallen. Die Zuflüsse in gemischte Wertpapierfonds wiederum verfünffachten sich auf Jahressicht nahezu auf annähernd 15 Mrd. Euro.

Die Stimmung kippt

Das Fundament für ein weiter solides Geschäft ist gelegt: Weil die deutsche Fondsbranche im Vertrieb den Verkauf von Sparplänen forcierte, ist das erzielte Neugeschäft vermutlich nachhaltiger als in früheren Jahren. Da mit steigenden Aktienkursen auch das Fondsvolumen anschwoll, erzielten die Investmenthäuser im vergangenen Jahr hohe Erträge und agieren nun auf hoher Basis. Allerdings stehen die Aktienmärkte aktuell unter Druck, während die Zentralbanken vermutlich eine Zinswende vorbereiten. Vor allem der Absatz von Publikumsfonds hängt stark vom Marktgeschehen ab, so dass die Fondsbranche bald Gegenwind im Vertrieb spüren könnte.

Ähnlich wie Publikumsfonds sammelten auch Spezialfonds mit netto 117 Mrd. Euro im vergangenen Jahr mehr Geld ein als jemals zuvor. Nach Berücksichtigung der Inflation fällt dieser Wert allerdings wie auch das Gesamtergebnis hinter das Jahr 2015 zurück. Spezialfonds werden für institutionelle Anleger aufgelegt und sind in Summe größer als die Kategorie der Publikumsfonds. Weil Investoren um die Jahreswende Mandate vergeben, steigt auch das Neugeschäft von Spezialfonds typischerweise in dieser Zeit. Allein im Dezember fuhren Spezialfonds netto mehr als 31 Mrd. Euro ein, also gut ein Viertel des gesamten Neugeschäfts im vergangenen Jahr. Vor allem private Stiftungen ohne Erwerbszweck wie Kirchen und Vereine legten laut Bundesbank kurz vor Jahresschluss viel Geld in Spezialfonds an, aber auch Altersvorsorgeeinrichtungen.

Am Donnerstag legt auch der Branchenverband BVI den Jahresabsatz der deutschen Fondsindustrie vor. Auch hier zeichnet sich zumindest nominal ein Rekord ab, nachdem der Fondsabsatz bis Ende September schon nah an den bisherigen Höchstwert im Jahr 2015 herangerückt war. Anders als die Bundesbank zählt der Verband auch das hiesige Neugeschäft mit ausländischen Fondsvehikeln, so dass die Statistik gerade für Publikumsfonds höhere Werte ausweisen dürfte.

Wertberichtigt Seite 6

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