„ESG ist kein nachgelagerter Aspekt“
Im Gespräch: Catriona Marshall
„Ein großer Schritt in Richtung Klarheit“
Die ESG-Chefin der französischen Fondsboutique Comgest über ESMA-Leitlinien und Nachhaltigkeit unter Druck
wbr Frankfurt
Ab Mai 2025 gelten neue Vorgaben für die Verwendung von Begriffen wie „nachhaltig“ oder „ESG“ im Namen von Fondsprodukten. Die europäischen ESMA-Leitlinien setzen erstmals verbindliche Anforderungen: Mindestens 80% der enthaltenen Vermögenswerte müssen nachweislich den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Die Branche reagiert mit Anpassungen – und nicht selten mit Unsicherheit.
Bei Comgest, einem unabhängigen Vermögensverwalter mit einem verwalteten Vermögen von über 27 Mrd. Euro, betrachtet man die Entwicklung differenziert. „Wir begrüßen die neuen ESMA-Richtlinien ausdrücklich“, sagt Catriona Marshall, Head of Sustainable Investment. „Denn sie sind aus unserer Sicht ein großer Schritt in Richtung Klarheit für Anleger.“
Ohne ESG-Prüfung geht nichts
Der Anlagestil von Comgest ist langfristig ausgerichtet, wachstumsorientiert und geprägt von Qualität – auch und gerade im ESG-Kontext. „Wenn wir eine Aktie analysieren, ist ESG kein nachgelagerter Aspekt“, erklärt Marshall. Vielmehr fließe die ESG-Bewertung direkt in die Einschätzung eines Unternehmens ein. „Unsere ESG-Analyse beeinflusst Bewertungen, Risikoeinschätzungen und vor allem die Qualitätsleveleinstufung. Ohne diese interne Einstufung darf kein Portfoliomanager investieren.“
Rüstungskonzerne fallen durch
Dabei ist die ESG-Integration nicht starr, sondern wird fortlaufend mit Blick auf regulatorische Entwicklungen angepasst. Das zeigt sich etwa in der aktuellen Diskussion um Rüstungstitel. Zwar wurde die gruppenweite Ausschlusspolitik in Bezug auf konventionelle Waffen überarbeitet – auch in Reaktion auf veränderte EU-Standards. Doch Marshall stellt klar: „Kurzfristiger Rückenwind durch politische Entwicklungen reicht nicht aus. Für uns zählen langfristige Qualität, nachhaltiges Wachstum und stabile Ertragsmodelle. Das sind Kriterien, die viele Rüstungskonzerne nicht erfüllen.“ Für die sogenannten ESG-Plus-Fonds des Hauses bleiben weitreichende Ausschlüsse ohnehin bestehen.
Ratings oft intransparent
In der Praxis bedeutet das: Auch wenn bestimmte Titel formal investierbar wären, wird nur gekauft, wenn sie den internen Anforderungen genügen. Das gilt insbesondere für sensible Branchen, aber auch im Umgang mit der Vielzahl externer Bewertungen. „ESG-Ratings sind oft intransparent, uneinheitlich und schwer vergleichbar“, so Marshall. Comgest nutzt die Ratings, setzt aber in erster Linie auf eigene Analysen, direkten Kontakt zu den Unternehmen und eine unabhängige Prüfung kritischer Hinweise.
Diese Bewertungslogik greift auch im aktiven Einfluss auf die Unternehmen. Für Marshall ist klar: „Ein erfolgreiches Engagement heißt für uns nicht nur Zielerreichung, sondern auch, dass wir mit dem Unternehmen offen und vertrauensvoll kommunizieren können.“ Es geht nicht nur darum, Forderungen zu stellen, sondern um ein belastbares Verhältnis.
Keine übertriebenen Nachhaltigkeitsversprechen
Die regulatorischen Anforderungen steigen – nicht nur für Assetmanager, sondern auch für die Unternehmen selbst. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) kommt eine ESG-Berichtspflicht auf große und mittlere Firmen zu. Comgest sieht darin auch eine Chance. „Wir haben bewusst keine übertriebenen Nachhaltigkeitsversprechen gemacht, sondern dokumentiert, was wir tatsächlich tun.“
Auch in einem Umfeld mit wachsendem politischem Gegenwind und kritischen Debatten bleibt ESG nach Einschätzung von Marshall bei vielen institutionellen Investoren im Fokus. Die Nachfrage nach Strategien mit sauberem Energiebezug oder nachhaltigen Geschäftsmodellen zeige sich robust.
Neue ESMA-Regeln schärfen ab Mai 2025 die Verwendung von „nachhaltig“ und „ESG“ in Fondsnamen: Mindestens 80% der Anlagen müssen belegbar grün sein. Manager reagieren mit Umbauten – und Fragen. Comgest-Expertin Catriona Marshall begrüßt die Klarheit, setzt weiter auf strenge interne ESG-Prüfungen.