Swift

Russland-Sanktionen schaffen „strategisches Dilemma“

SAFE-Forscher Andreas Nölke regt eine Reform der Governance des Zahlungsinformationsnetzes Swift an. Im Zuge der Sanktionen gegen Russland riskieren die EU und die USA, ihre zentrale Rolle in der globalen Finanzinfrastruktur zu verlieren.

Russland-Sanktionen schaffen „strategisches Dilemma“

bn Frankfurt – Das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE (Sustainable Architecture for Finance in Europe) regt angesichts der Sanktionen gegen Russland Änderungen in der Governance von Swift an. Um das globale Vertrauen in die Neutralität des globalen Zahlungsinformationsnetzes wiederherzustellen, könnte eine institutionelle Reform nötig sein, schreibt Andreas Nölke, Professor für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt sowie Leiter einer SAFE-Forschungsgruppe. Derzeit sei Swift organisiert als private Organisation mit einer öffentlichen Führungsstruktur, die allerdings von den Zentralbanken der Industrieländer der G10 dominiert werde; nichtwestliche Institutionen nähmen nur an dem viel schwächeren „Swift Oversight Forum“ teil. Soll Swift nach Sanktionierung Russlands einen Status „als globales öffentliches Gut (wieder-)erlangen, dürfte diese Situation nicht haltbar sein“, meint er. Über Swift laufen mehr als 90% der grenzüberschreitenden Zahlungsinformationen. Dies betrifft ein Volumen von 140 Bill. Dollar, die wiederum 152% der globalen Wirtschaftsleistung ausmachen.

Nach dem Ausschluss der russischen Sberbank aus dem Netz macht Nölke ein „strategisches Dilemma“ des Westens aus: Auf der einen Seite stellt Swift ein machtvolles Instrument für Wirtschaftssanktionen dar, und die Brutalität des Angriffs Russlands auf die Ukraine spricht dafür, es als wirtschaftliche Waffe zu benutzen. Zugleich riskieren die EU und die USA damit jedoch, ihre zentrale Rolle in der globalen Finanzinfrastruktur zu verlieren – von höheren Kosten für grenzüberschreitende Finanztransaktionen abgesehen. Der zunehmende Gebrauch von Swift als Sanktionswerkzeug hat bereits den Aufbau alternativer Zahlungsinformationssysteme durch Russland und China gefördert und auch Indien entwickelt entsprechende Optionen, wie er argumentiert. Das größere Problem für die westlich dominierte Infrastruktur wird demnach allerdings die Einführung digitalen Zentralbankgelds (CBDC) sein, denn diese­ Zahlungssysteme werden nicht nur Swift, sondern das gesamte Korrespondenzbankensystem umgehen können.

Die Erosion von Instituten wie Swift dürfte auch das US-Finanz­system treffen, schreibt Nölke mit Blick auf die Finanzierung des US-Leistungsbilanzdefizits. Zwischen 1999 und 2021 ist der Anteil des Dollar an den internationalen Zahlungsreserven von 71% auf 59% gesunken. Der Rückgriff auf Zahlungsinfrastruktur als Waffe gegen Russland dürfte nicht zuletzt die Soft Power des Westens, die schon in der Pandemie durch die Weigerung, Impfstoff zu teilen, gelitten habe, abermals verringern, meint er. Die EU und die USA stehen demnach jedenfalls vor der Wahl, die grenzüberschreitende Zahlungsinformationsinfrastruktur für Wirtschaftssanktionen zu benutzen oder sie als öffentliches Gut zu behandeln: „Beide Optionen können nicht kombiniert werden“, folgert Nölke.

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