Klimaschutz

Sparkassen für CO 2 -Preis statt Kredit­dokumentation

Sparkassenpräsident Helmut Schleweis stimmt die Finanzgruppe auf neue ESG-Berichtspflichten im Firmenkundengeschäft ein. Für den Klimaschutz hält er einen Preis für CO2-Emissionen für besser geeignet.

Sparkassen für CO 2 -Preis statt Kredit­dokumentation

jsc Frankfurt

Die Sparkassen befürchten in der Klimapolitik eine zu starke Konzentration auf Dokumentationspflichten in der Kreditvergabe an Unternehmen: Die Regulierung ziele perspektivisch auf eine möglichst genaue Definition von nachhaltigen Geschäftsfeldern, die von Banken und Sparkassen erfasst werden müssten, sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis am Mittwoch anlässlich einer Studie zum Mittelstand. „Es gibt die Überzeugung, dass man Fortschritte in diesem Bereich nur dann erzielen kann, wenn alles dokumentiert und alles aufgeschrieben ist“, sagte er. „Und das, glaube ich, ist der falsche Weg.“ Stattdessen sollten Firmen durch Instrumente wie einen Preis auf CO2-Emissionen ermuntert werden, in einer Transformation der Wirtschaft eine Chance zu sehen.

Welche Vorschriften konkret auf Sparkassen zukommen werden, schält sich nach und nach heraus, wie Schleweis deutlich machte. In der Finanzbranche sind bereits mehrere regulatorische Großprojekte angerollt, die auf eine umfassende Berichterstattung zur Nachhaltigkeit zielen. Während für den Kapitalmarkt die EU-Taxonomie entwickelt wird, die zuerst mit Blick auf den Klimaschutz nachhaltige Wirtschaftszweige definieren wird, bereitet die European Banking Authority (EBA) Kriterien für eine Green Asset Ratio (GAR) für Banken vor.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verweist auf bereits bestehende EBA-Leitlinien, die von großen Banken eine Begründung verlangen, sofern sie Darlehen an Firmen mit hohem Nachhaltigkeitsrisiko vergeben. Diesen Grundsatz werde die deutsche Finanzaufsicht BaFin vermutlich im kommenden Jahr aufgreifen und mit einer Übergangsfrist auf kleinere Institute anwenden, erklärt der Verband. Die BaFin hat bereits Ende 2019 in einem Merkblatt die Erwartung formuliert, dass sich die beaufsichtigten Finanzadressen mit Nachhaltigkeitsrisiken auseinandersetzen und das Ergebnis dokumentieren sollten. Zugleich verzichtet sie dabei ausdrücklich auf konkrete Prüfungsanforderungen.

Mehr als „grün und braun“

Die Sparkassen haben in einer freiwilligen Selbstverpflichtung erklärt, dass sie Kunden bei einer Umstellung auf eine klimaschonende und nachhaltige Wirtschaftsweise begleiten, dass sie ihre Aktivseite im Bewusstsein von Klima-, Umwelt- und sozialen Risiken steuern und ihr Risikomanagement um Klimaaspekte ergänzen. Konkrete Vorgaben macht die Erklärung nicht. 203 der deutschlandweit 370 Sparkassen haben sich bereits angeschlossen. Einen Ausschluss bestimmter Firmen empfiehlt Schleweis nicht. „Wir trennen nicht in grün oder braun, sondern wir finanzieren unsere Kunden bei einer Transformation.“

Der Mittelstand, dem der DSGV mit Hilfe von Fachleuten der Sparkassen auf den Zahn gefühlt hat, setzt laut Erhebung bereits weitgehend konkrete Schritte zum Klimaschutz um, wie Schleweis ausführte. Treiber des Wandels seien Imagegründe, Regulierungsvorgaben und der Wunsch nach gesellschaftlicher Verantwortung. Ge­schäftschancen, Wettbewerb und Kostendruck spürten die Unternehmen hier bislang seltener – aber das werde sich ändern: „Mit einer Intensivierung der politischen Maßnahmen, wie zum Beispiel einer erhöhten Bepreisung der Treibhausgasemissionen, wird das Kostenargument eine Relevanz erlangen.“

Während eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft laut Schleweis mit dem „wahrscheinlich größten Investitionsprogramm in dieser Dekade“ einhergehe, hat der Mittelstand die Coronakrise weitgehend überstanden. „Wir rechnen daher nach wie vor nicht mit einer Insolvenzwelle.“ Die Risikovorsorge vieler Sparkassen falle in diesem Jahr geringer aus als ursprünglich veranschlagt. Das Neugeschäft der Firmenkredite erreichte im ersten Halbjahr 50 Mrd. Euro: Der gewerbliche Wohnungsbau übersteigt mit 19 Mrd. Euro die Vorjahre, während Investitionskredite mit 32 Mrd. Euro etwa auf dem Niveau von 2019 liegen. Im ersten Halbjahr 2020 haben Sparkassen inklusive Coronahilfen der Förderbanken 54 Mrd. Euro zugesagt.

Trotz der Kritik an möglichen neuen Vorgaben stellt sich aber auch Schleweis hinter das Prinzip, dass Sparkassen Nachhaltigkeitsrisiken in der Kreditvergabe beobachten. Die Finanzgruppe hat eine Sparkassen-ESG-Bewertung (S-ESG-Score) aufgebaut, die Branchen miteinander vergleicht. Rund ein Fünftel der Wirtschaftszweige weise höhere Nachhaltigkeitsrisiken auf. „Kredite in diese Branchen erfordern in Zukunft eine besondere Begründung.“