Ali Niknam

„Wir werden die Mittel nutzen, um coole Sachen in Deutschland zu machen“

Ali Niknam hat seit der Gründung von Bunq 125 Mill. Euro in die Smartphone-Bank gesteckt. Im vergangenen Jahr hat er die erste Finanzierungsrunde mit externen Investoren gedreht. Die frischen Mittel will der Gründer nutzen, um die Präsenz in Deutschland zu stärken.

„Wir werden die Mittel nutzen, um coole Sachen in Deutschland zu machen“

Von Stefan Paravicini, Berlin

Deutschland rückt in den Fokus von Neobanken aus dem europäischen Ausland. Erst vor wenigen Tagen hat die britische Finanzplattform Revolut angekündigt, mit einer europäischen Banklizenz aus Litauen hierzulande auf Kundenjagd zu gehen. Auch eine deutsche IBAN will sich der Konkurrent der Berliner N26 beschaffen. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde wurde Revolut mit rund 30 Mrd. Euro bewertet. Die französische Qonto hat bei einer knapp 500 Mill. Euro schweren Runde gerade eine Bewertung von 4,4 Mrd. Euro erzielt und will sich mit den frischen Mitteln ebenfalls verstärkt dem deutschen Markt zuwenden. Die Neobank, die sich mit ihrem Angebot vor allem an Selbständige und mittelständische Unternehmen richtet, hat bis zu 100 Mill. Euro für Investitionen in die deutsche Niederlassung in den nächsten zwei Jahren reserviert.

Erste externe Finanzierung

Auch Ali Niknam, der Gründer der niederländischen Neobank Bunq, hat sich für das neue Jahr einiges für den deutschen Markt vorgenommen. „Wir werden die frischen Mittel aus dem externen Funding nutzen, um mehr coole Sachen in Deutschland zu machen“, sagt Niknam, der mit Bunq im Sommer eine knapp 200 Mill. Euro schwere Series A zu einer Bewertung oberhalb von 1 Mrd. Euro abgeschlossen hat, an der er sich auch selbst beteiligte. Insgesamt hat der serielle Gründer mit iranischen Wurzeln, der in Kanada und den Niederlanden aufwuchs, schon 125 Mill. Euro in die 2012 von ihm gegründete Neobank gesteckt. „Das ist ziemlich viel Geld, auch wenn man es schnell ausspricht“, sagt Niknam.

Mit Unterstützung des ersten externen Investors, Pollen Street Capital aus London, will Niknam jetzt auch in Deutschland angreifen. Ist es ein Angriff auf das Land von N26, die sich im Herbst fast 1 Mrd. Dollar an frischen Mitteln beschafft und die Bewertung dabei auf 9 Mrd. Dollar geschraubt hat? „Wir sehen Deutschland als Land der Sparkassen“, sagt Niknam. Bunq verfügt bereits über eine deutsche IBAN und kommt mit der eigenen App hierzulande schon gut an. „Die Kunden lieben viele unserer Features, unter anderem die hohen Sicherheitsstandards“, sagt Niknam. Die Kundendaten seien im Rechenzentrum von Amazon Web Services in Frankfurt untergebracht.

Das Angebot eines nachhaltigen Kontos – „Easy Green“ – werde ebenfalls schon gut angenommen, obwohl es mit einer monatlichen Gebühr von 17,99 Euro deutlich teurer als das Basisangebot mit 2,99 Euro ist. Dafür lässt Bunq pro 100 Euro, die über das Konto ausgegeben werden, einen Baum pflanzen und verspricht, den Kunden im Durchschnitt innerhalb von zwei Jahren klimaneutral zu stellen. „Ich habe schon 7745 Bäume gepflanzt“, zeigt Niknam auf der eigenen App vor. „Das ist mein Wald, ich kann damit spielen und ich liebe es“, deutet der Gründer neben dem Nachhaltigkeitsaspekt den Gamifi­cation-Aspekt des Angebots an.

„Wir sind traditionell nicht nur bei privaten Nutzern stark, sondern auch bei Geschäftskunden aus dem KMU-Segment“, sagt Niknam zur Zielgruppe. Im ersten Schritt werde sich Bunq deshalb „auf Expats und junge Paare, junge Unternehmen und Gründer konzentrieren“, präzisiert er die Zielkohorten im deutschen Markt. „Ge­stützt auf unsere Marktforschung haben wir in diesen Zielgruppen viele Vorteile gegenüber unseren Konkurrenten.“ Der Fokus auf junge Paare und Menschen, die seit Kurzem zusammenleben, hat auch mit den Features der App für das Teilen von Ausgaben zu tun.

„Das Produkt ist zu 90% fertig. Wir arbeiten vor allem an verstärkter Visibilität und daran, unsere Ge­schichte bekannt zu machen“, sagt Niknam zu den Plänen für Deutschland. Das macht Bunq in einem ersten Schritt mit einer neuen Werbekampagne. „Mit einigen Plänen wollen wir überraschen“, sagt Niknam zu den weiteren Vorhaben. Nur so viel: „Ich glaube und hoffe, dass 2022 das Jahr sein wird, in dem Bunq einen großen Fußabdruck in Deutschland hinterlassen wird.“

Sechsstellige Kundenzahl

Zum aktuellen Fußabdruck der Bank gibt Niknam wenig Auskunft. Das Online-Portal „Finanzszene“ hat aus den jüngsten Geschäftszahlen eine niedrige sechsstellige Zahl an Retailkunden und eine mittlere fünfstellige Zahl an Geschäftskunden abgeleitet. „Jeder, der das wirklich wissen will und schlau genug ist, kommt zu einer Schätzung. Ich habe gute und schlechte Schätzungen gesehen“, sagt Niknam nur.

Den Dezember habe Bunq mit Profit abgeschlossen. „Das Geschäft ist sehr gesund, und das ist wichtig, denn wir betreiben hier keine Facebook-Seite, wir haben es mit dem Geld der Kunden zu tun“, sagt der Gründer. Jetzt stehe aber erst einmal wieder aggressives Wachstum im Vordergrund. „Und ein Land wie Deutschland erfordert viel Geld, um den Markteinstieg richtig zu machen.“ Das Einlagenvolumen, das 2021 mehr als verdoppelt wurde und bereits im Frühjahr die Schwelle von 1 Mrd. Euro überschritten hat, werde die Neobank 2022 „sehr wahrscheinlich“ wieder verdoppeln.

Das vergangene Jahr stand bei Bunq im Zeichen des ersten externen Fundings mit Pollen Street Capital und der rund 150 Mill. Dollar schweren Übernahme der irischen Capitalflow aus dem Portfolio des Investors.

„Wir wollten nie einen Investor nur des Geldes wegen an Bord holen“, erklärt Niknam zu der Transaktion. Mit Capitalflow, die Finanzierungen für mittelständische Unternehmen in Irland zur Verfügung stellt und dafür jetzt auch Einlagen von Bunq einsetzt, teile man eine „Obsession für die Kunden“. Mit Pollen Street Capital habe man einen Investor gefunden, der nicht nur Taschen voller Geld mitbringe, sondern bereits in ein Unternehmen investiert habe, das sich auf Kunden fokussiert. Die Übernahme von Capitalflow löse für Bunq außerdem das Problem der Negativzinsen, die die Europäische Zentralbank für Einlagen in Rechnung stellt. „Am Ende war es ein No-Brainer“, sagt Niknam zu der Übernahme im Zuge des externen Fundings, die Ende November auch grünes Licht der Aufsichtsbehörden bekommen hat.

Eine Blaupause für künftige M&A-Transaktionen sei die Akquisition nicht. Bunq verfüge über genügend Mittel, weitere Übernahmen ohne Hinzunahme weiterer externer Investoren zu stemmen. „Wir rennen nicht von Fundraising zu Fundraising, um magische Zahlen zu erschaffen. Das sollen die anderen machen, und sie machen es gut“, sagt Niknam. Die Bank habe eine klare Vorstellung, wie sie das Leben für ihre Kunden in finanzieller Hinsicht leichter machen könne. „Wenn wir eine Firma sehen, die das für einen bestimmten Bereich leistet und unsere Werte teilt, beginnen wir mit Gesprächen“, erklärt der Bunq-Chef das Zielraster für Übernahmen. Als serieller Gründer habe er eine besondere Sympathie für andere gründergeführte Firmen, ergänzt Niknam.

Für die nächsten Expansionsschritte plant Bunq die Gründung weiterer Ländergesellschaften in europäischen Märkten, um mit einer lokalen IBAN operieren zu können. „Das ist wichtig, denn trotz der Harmonisierung des europäischen Zahlungsverkehrs gibt es weiterhin große IBAN-Diskriminierung.“ Expansion und Innovation erfolgten deshalb nicht so schnell, wie es für den Verbraucher gut wäre. „Wir wollen eine Bank sein, die man wirklich nutzen kann, nicht nur ein Spielzeug“, sagt Niknam.

Fernziel Amerika

Heute ist Bunq mit ihrer europäischen Banklizenz zwar in allen Ländern der EU präsent, verfügt aber nur in den wichtigsten Einzelmärkten Niederlande, Deutschland, Frankreich und Spanien über eine lokale IBAN. Irgendwann wolle die „Bank of the free“ – so der Bunq-Slogan – auch im „Land of the free“ USA starten, sagt der Gründer. Hier seien die Anforderungen der Regulierung innovationsfreundlicher als in Europa, sagt Niknam, der als Beispiel für die Überregulierung auf dem alten Kontinent auch das jüngste Urteil des BGH zu Kontogebühren aus dem vergangenen Jahr anführt. „Es wäre besser, wenn die Kunden ihr Bankkonto leichter wechseln könnten.“

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