BaFin setzt auf Evidenz statt pauschale Klima-Puffer
BaFin setzt auf Evidenz statt pauschale Klima-Puffer
Finanzaufsicht treibt Neuorientierung bei ESG voran â Fokus auf realen Klimarisiken â Nachhaltigkeitskonferenz in Frankfurt
wbr Frankfurt
Der Hype ist vorbei. Doch die Dringlichkeit ist gröĂer denn je. Auf der diesjĂ€hrigen BaFin-Konferenz zur Nachhaltigkeit am Freitag wurde deutlich: Die Bundesanstalt fĂŒr Finanzdienstleistungsaufsicht rĂŒckt angesichts zunehmender klimatischer Extremereignisse und regulatorischer UnĂŒbersichtlichkeit den Fokus neu â und fordert mehr Pragmatismus und Effizienz im Umgang mit nachhaltigen Finanzthemen.
Der Boom um nachhaltige Finanzprodukte sei zu Ende, so BaFin-PrĂ€sident Mark Branson zu Beginn der Tagung. Es habe zu Greenwashing und zu MarketingĂŒbertreibungen gefĂŒhrt. In einer Welt, die sich sichtbar verĂ€ndert â 2024 war weltweit das erste Jahr mit einer Durchschnittstemperatur ĂŒber 1,5 Grad Celsius â, mĂŒsse Nachhaltigkeit mehr denn je Teil der risikoorientierten Finanzaufsicht sein. Dabei mahnt Branson zur VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit: âWir brauchen keine falsche PrĂ€zision.â
Ein kontrovers diskutiertes Thema auf der Konferenz war die EinfĂŒhrung zusĂ€tzlicher Kapitalanforderungen fĂŒr Finanzinstitute. Im Raum stehen etwa ein pauschaler Eigenkapitalzuschlag fĂŒr Immobilienfinanzierungen, bei denen kein konkreter Sanierungsplan zur Erreichung von Klimazielen vorliegt. Auch dem vorgeschlagenen Systemrisikopuffer fĂŒr klimabezogene Risiken steht Branson kritisch gegenĂŒber: Solche generellen Puffer könnten falsche Anreize setzen. Es brauche stattdessen differenzierte, risikobasierte AnsĂ€tze, die auf konkreten Daten und Analysen beruhen. âMaĂnahmen mĂŒssen evidenzbasiert seinâ, betonte Branson. Die Aufsicht wolle vermeiden, dass Klimaauflagen zur Kreditverknappung fĂŒhren.
Fokus auf physische Risiken
Ein zentrales Thema der Konferenz: die zunehmende Relevanz physischer Klimarisiken. Die BaFin attestiert der Finanzbranche Nachholbedarf bei der Integration klimabedingter Extremereignisse in Risikomodelle. âBislang wurde zu sehr auf Transitionsrisiken fokussiertâ, so Branson. Gemeint sind Risiken, die durch regulatorische VerĂ€nderungen in der Klimapolitik entstehen. Diese treten jedoch angesichts stagnierender politischer Ambitionen zunehmend in den Hintergrund.
Physische Risiken â etwa durch Hitzewellen, DĂŒrren oder Ăberschwemmungen â betreffen heute bereits Kreditportfolios, Immobilienwerte und Versicherungsbilanzen. Branson forderte daher eine stĂ€rkere BerĂŒcksichtigung von Naturgefahren-Daten: Das Risikomanagement mĂŒsse sich intensiv mit diesen Risiken befassen. Die BaFin betont, dass ESG-Risiken in etablierte Risikokategorien integriert und systematisch bewertet werden sollen.
Ruf nach Klarheit
Ein weiteres Spannungsfeld: der Umgang mit Nachhaltigkeitsversprechen und regulatorischen Offenlegungspflichten. Mit der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sollen Transparenz und Vergleichbarkeit verbessert werden. Doch Branson mahnt: Es sei schĂ€dlich, wenn Regulierung an negativen Trends scheitere. Auch die viel diskutierte Green Asset Ratio sieht Branson skeptisch: âGut gemeint, aber nicht aussagefĂ€hig.â
Ăbergang als Chance â nicht nur Pflicht
Die BaFin will den Wandel nicht nur beaufsichtigen, sondern mitgestalten. Ihre 2022 vorgestellte ESG-Strategie legt fĂŒnf Handlungsschwerpunkte fest â von praxistauglicher Regulierung ĂŒber DatenqualitĂ€t bis hin zur Greenwashing-PrĂ€vention. Fortschritte zeigen sich: Mit dem Rundschreiben zum âPrudent Person Principleâ hat die Aufsicht Ende 2024 auch die Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft verpflichtend in die Risikobetrachtung von Versicherern integriert.
Doch Herausforderungen bleiben. Silke Stremlau, ehemals Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung, betonte daher, wie wichtig es sei, dass Banken eigene Kompetenz im Umgang mit Nachhaltigkeit aufbauen und nicht nur regulatorischen Pflichten nachkommen. âDie Beratung muss auf Augenhöhe stattfindenâ, sagte sie. âEs braucht Anreize â etwa ĂŒber gĂŒnstigere Kreditkonditionen.â
ProportionalitĂ€t und AugenmaĂ
Ein wiederkehrendes Thema war die ProportionalitĂ€t der Regulierung â insbesondere mit Blick auf kleinere Institute. Branson: âProportionalitĂ€t ist uns bei der BaFin ein Herzensanliegen.â Er fordert, dass GroĂinstitute im Fokus stehen mĂŒssen, wenn es um die BekĂ€mpfung der Klimakrise geht. âDiesen Kampf gewinnen wir nicht mit Berichten von kleinen Banken. Wir mĂŒssen den Fokus auf die groĂen Investoren und gröĂten Verursacher richten.â