Jeffrey Sonnenfeld, Yale

Heftige Vorwürfe gegen IWF wegen Russland-Prognose

Der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sonnenfeld klagt „gewissenloses Nachbeten von Putins Propaganda“ durch den Internationalen Währungsfonds an. Der IWF wehrt sich.

Heftige Vorwürfe gegen IWF wegen Russland-Prognose

rec Frankfurt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht sich aufgrund seiner Einschätzungen zur russischen Wirtschaft harten Vorwürfen ausgesetzt. Jüngsten Analysen des IWF zufolge ist die Lage in Russland trotz Krieg und Sanktionen nicht so schlecht wie angenommen. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung geht der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sonnenfeld von der Universität Yale hart mit dem IWF ins Gericht: Sonnenfeld hält die Einschätzungen für „naives, wenn nicht gar gewissenloses Nachbeten von Putins Propaganda“. Der IWF verteidigt sich und betont in einer allgemeinen Stellungnahme „das ungewöhnlich hohe Maß an Unsicherheit“.

Im jüngst aktualisierten Weltwirtschaftsblick hat der Währungsfonds seine diesjährige Prognose für Russland entschärft: Eine Rezession hält er 2022 zwar für unabwendbar, aber diese dürfte mit −6 % nicht so verheerend ausfallen wie kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs im April erwartet. Zu gänzlich anderen Erkenntnissen ist ein Team von Ökonomen aus Yale um Sonnenfeld gekommen: Der Massenexodus ausländischer Unternehmen und die westlichen Sanktionen „verkrüppeln die russische Wirtschaft“, lautet das Fazit einer viel beachteten Studie.

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung legt der Professor der Yale School of Management nach, indem er auf den IWF losgeht. Dessen Einschätzungen, wonach die russische Wirtschaft unerwartet widerstandsfähig gegenüber Krieg und Sanktionen sei, hält Sonnenfeld für „gefährliche, wenn nicht sogar giftige Aussagen“. Der Kreml veröffentliche Daten nur noch unvollständig, „wobei ungünstige Daten selektiv weggelassen werden“. Das ist grundsätzlich bekannt. Sonnenfeld wirft den IWF-Ökonomen vor, sich dennoch auf offizielle Statistiken verlassen zu haben. Das Vorgehen des IWF nennt er „beschämend“. Außerdem kritisiert er mangelnde Transparenz.

In einer allgemeinen Stellungnahme entgegnet der IWF: „Unsere jüngste Basisbewertung der russischen Wirtschaft deutet darauf hin, dass einige Sektoren widerstandsfähiger waren als ursprünglich angenommen, was aber nicht bedeutet, dass Russland den Sanktionen vollständig standgehalten hat.“ Im selben Zuge habe der IWF die Prognose für 2023 gesenkt. Außerdem entstehe Russland „erheblicher und dauerhafter wirtschaftlicher Verlust“.

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