Wolfgang Köhler

„Die öffentlichen Mittel werden nicht reichen“

Green und Sustainable Finance wird nach Einschätzung von Wolfgang Köhler, in der DZ Bank für das Kapitalmarktgeschäft verantwortlich, in den kommenden Jahren an den Finanzmärkten eine zentrale Rolle spielen. Die DZ Bank sieht sich hier auch klar in der Verantwortung. Neue Produkte werden die Investoren erfreuen.

„Die öffentlichen Mittel werden nicht reichen“

Kai Johannsen.

Herr Köhler, welchen Stellenwert wird Green und Sustainable Finance für die DZBank in den kommenden Jahren haben?

Innerhalb der DZBank werden hiervon in den nächsten Jahren alle Bereiche betroffen sein. Wir sehen die Bedeutung des Themas aber auch in der gesellschaftlichen Debatte. Dies sind Marktsegmente, die sich sehr rasant entwickeln. Unser Haus, aber auch unsere gesamte Gruppe hat ohnehin seit Jahren schon eine sehr nachhaltige DNA. Das Thema wird noch größer werden, und wir werden sehen, dass Nachhaltigkeit praktisch in allen Geschäftsbereichen klar implementiert wird. Die Finanzindustrie ist bekanntermaßen ein Intermediär. Da geht es nicht nur um die eigenen Finanzen, sondern auch darum, dass man als Haus auch anderen Akteuren einen Zugang zu den Finanzmärkten verschafft. Das wird eine größere Dimension in unserem Hause annehmen: Wir werden mehr Emissionen an den Markt bringen, und auch das Geschäft als Bookrunner wird stark ausgebaut. Das hat man zum Beispiel bei der ersten grünen Bundesanleihe gesehen, bei den Covid-19-Nachhaltigkeitsanleihen oder bei den Sure-Anleihen der EU. Da werden wir künftig stärker vertreten sein und haben dabei auch immer die SDG der UN im Blick.

Sie haben nun eine grüne strukturierte Anleihe gebracht. Wie ist sie gelaufen?

Sehr gut. Aus Treasury-Sicht sind wir sehr zufrieden. Es war nun unsere dritte grüne Anleihe, die wir an den Markt gebracht haben. Das siebenjährige Papier, das mit einem Volumen von bis zu 300 Mill. Euro angesetzt war, war doppelt überzeichnet. Es war nicht das Ziel, den Bond nur innerhalb unserer Gruppe zu vertreiben, sondern wir haben auch gezielt nachhaltige Investoren außerhalb der Gruppe – national und international – angesprochen. Das Papier ist insgesamt gut angekommen, wir konnten den Emissionsspread sogar noch ein wenig zurücknehmen. Bei den Investoren konnten wir sehen, dass es sich um Adressen handelt, die selbst auch schon ganz klar den nachhaltigen Weg gehen. Diese Adressen haben aus Überzeugung unseren grünen Bond gekauft. Das passte einfach zusammen. Wichtig ist, dass solche Anleihen dann auch klar standardisiert sind, etwa durch das Einhalten der Green Bond Principles der ICMA. Man selbst braucht zudem ein gutes Rating. Das sind alles Voraussetzungen für eine erfolgreiche internationale Emission. Die Nachfrage nach grünen Anleihen ist heute immer noch größer als das Angebot, und deshalb reiht sich die DZBank hier ein, um auch diese Nachfrage bedienen zu können und die Lücke ein wenig zu schließen.

Worin bestehen die Strukturierungselemente dieser Anleihe, und was sind die Gründe dafür?

Es gibt zwei Aspekte. Wir haben einen regulatorischen Charakter in der Struktur. Es ist ein Senior Non-Preferred Bond. Man könnte neudeutsch auch Tier 3 sagen. Strukturiert wurde die Anleihe auch deshalb, weil die Einhaltung der MREL-Quoten bei uns, aber auch in anderen Häusern immer wichtiger wird. Deshalb gibt es einen gewissen Emissionsbedarf in dieser Klasse. Deshalb haben wir nun eine grüne Anleihe als Senior Non-Preferred strukturiert, und das ist am Markt hervorragend angenommen worden. Der zweite Punkt ist, dass wir uns verstärkt auf Offshore-Windpark-Programme fokussieren und diese finanzieren. Dabei geht es um Projekte in Deutschland, aber auch in Frankreich, Großbritannien oder auch den Niederlanden. Warum ausgerechnet offshore? Der Grund liegt darin, dass diese Projekte auf dem Meer einen höheren Wirkungsgrad erzielen. Damit lässt sich dann auch mehr Strom produzieren. Und wir haben einen direkten Bezug zur Taxonomie der EU.

Welche Rolle spielt der Kapitalmarkt in Sachen Green und Sustainable Finance in den kommenden Jahren?

Der Kapitalmarkt wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Neben den eigenen Finanzierungen wird natürlich die Intermediärsfunktion einen hohen Stellenwert in den kommenden Jahren haben. Die öffentlichen Mittel werden nicht reichen, um die großen, globalen politischen Ziele in Sachen Klimawandel und Nachhaltigkeit zu erreichen. Die Mobilisierung privater Mittel und die Lenkung derselben in die richtigen Projekte ist eine wichtige Rolle des Kapitalmarktes. Deshalb wird das Kapitalmarktgeschäft in dieser Hinsicht in nächster Zeit stark ausgebaut werden. Wenn wir Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umbauen wollen, dann kommen wir ohne einen starken grünen und nachhaltigen Kapitalmarkt nicht aus. Allein die Lücke für die Klimafinanzierung wird von uns auf 500 Mrd. Dollar pro Jahr geschätzt. Berücksichtigt man weitere ökologische und soziale Herausforderungen, summiert sich diese Lücke auf mehrere Billionen Dollar pro Jahr. Daran kann man deutlich sehen, welche Anstrengungen noch vor uns liegen – auch auf der Finanzierungsseite. Markt und Intermediäre haben hier eine immer wichtigere Schlüsselrolle.

Wie kann und muss der Kapitalmarkt die Transformation unterstützen, um die benötigten Gelder zu allokieren?

Es geht ja nicht nur darum, diese enormen Kapitaldimensionen zu stemmen. Es geht eben auch darum, dass man alle Akteure auf diesem Weg mitnimmt, und dabei geht es ja nicht immer nur um rein grün oder um rein sozial. Es existieren sehr viele Mischformen, gerade in Verbindung zur Nachhaltigkeit. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Projekte finanziert wurden, die nah an grünen oder sozialen Aspekten waren. Der Transformation der gesamten Realwirtschaft kommt aber eine weit größere Rolle zu. Und da müssen wir eben auch solche Akteure mitnehmen, die heute vielleicht eher noch als braun eingestuft werden oder irgendwo in der Mitte des Weges hin zu einer grünen und nachhaltigen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft stehen. Darunter sind auch viele Akteure, deren Produkte sich gar nicht so schnell transformieren lassen. Das wird Zeit erfordern, und die müssen wir ihnen lassen, um unseren Wohlstand nicht zu gefährden. Bei der Transformation ist der Weg das Ziel. Wir können ja nicht heute festlegen, dass derjenige, der bereits grün und nachhaltig ist, uneingeschränkt an Wirtschaft und Gesellschaft teilhaben darf, und all diejenigen, die es noch nicht sind, werden an die Seitenlinie gestellt. Das wäre der falsche Weg.

Welche Kapitalmarktprodukte helfen der Wirtschaft, um zu einer nachhaltigen Realwirtschaft zu kommen?

Im Vordergrund stehen bekanntermaßen die Fixed-Income-Produkte. Das sind nachhaltige Anleihen, aber auch nachhaltige Schuldscheine, verknüpft mit den Green Bond Principles der ICMA, die der international anerkannte Standard in diesem Marktsegment sind. Wir haben in diese Transformation hinein aber auch schon angefangen, neue Instrumente und Produkte zu strukturieren, wie etwa Target-Linked-Anleihen und -Schuldscheine, bei denen eine klare Zweckbindung der Emissionserlöse zugrunde zu legen ist. Damit wollen wir die Transformation unterstützen. Wir haben bei diesen Strukturen einen variablen Kupon und verknüpfen die Finanzierungskonditionen des Bonds oder Schuldscheins mit dem Erreichen von bestimmten Nachhaltigkeitszielen. Wenn man zum Beispiel bei der angestrebten CO2-Reduktion im Laufe der Jahre bestimmte Ziele nicht erreicht hat, steigt der Kupon. Das geht dann zulasten des Unternehmens. Dies soll Ansporn sein für die Unternehmen, sich um eigene CO2 -Emissionen beziehungsweise den eigenen CO2-Fußabdruck zu kümmern.

Braucht es gegebenenfalls auch neue Kategorien von Kapitalmarktinstrumenten, mit denen Emittenten zusätzliche Mittel aufnehmen können?

Das ist durchaus eine Perspektive. In der Nachhaltigkeitsfinanzierung ist sicher noch nicht alles ausgeschöpft. Gerade der Mittelstand hat aufgrund der Größe der Unternehmen oftmals wenig Chancen, nachhaltige Use-of-Proceeds-Strukturen zu begeben. Da müssen die Banken unterstützend im Transformationsprozess und bei den entsprechenden Finanzierungen zur Seite stehen. Mit Target-Linked-Instrumenten ist es bereits gelungen, den potenziellen Emittentenkreis deutlich zu erweitern. Zudem gibt es auch sogenannte Use-of-Proceeds-Transition-Bonds. Diese haben das Potenzial, sich zu einer eigenen Assetklasse zu entwickeln, was zu einer klaren Abgrenzung zum Sustainable-Bond-Markt führen würde. Mit Target-Linked- und Use-of-Proceeds-Strukturen können dann Geschäftsmodelle in ihrer Umstellung finanziert werden. Das geht vielfach nicht über Nacht, sondern erfordert mehrjährige Zeithorizonte. Dabei können wir diese Adressen in ihrer Umstellung sehr gut begleiten. Wir halten es für den falschen Weg, solche Unternehmen von der Transformation auszuschließen, sie müssen integriert werden.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen in Sachen Green und Sustainable Finance in den kommenden Jahren?

COP26 hat ja gezeigt, dass der politische Wille, hier global in Sachen Green und Sustainability voranzukommen, durchaus noch Entwicklungsspielraum nach oben hat. Die Kapitalmärkte müssen neben der Politik einen ganz eigenen Beitrag leisten, indem sie solche Entwicklungen beschleunigen. Der Markt wird deutlich wachsen müssen, er steht erst am Anfang einer großen Bewegung. Das Wachstum war bisher im Wesentlichen eine quantitative Ausprägung. Das geht ohne Zweifel weiter. Aber auch qualitativ wird der Markt für Green und Sustainable Finance in den kommenden Jahren wachsen. Die qualitative Dimension der Transformation ist eine der größten Herausforderungen in den nächsten Jahren. Ein weiterer Punkt ist die Regulierung in Sachen ESG-Finanzierung oder der Ansatz zu einer grünen Geldpolitik. Ich habe ein wenig Sorge, dass wir in Richtung eines Regulierungs-Overkills laufen könnten. Das würde gerade die so dringend erforderliche Flexibilität in der Transformationsphase unnötig einschränken oder gar konterkarieren.

Wo liegen für Sie auch die größten Chancen in dieser Hinsicht?

Wir müssen den Kreis derjenigen, die in diesem Prozess mit von der Partie sind, noch deutlich ausweiten. Das wird bei einigen nicht leicht, da sie nur schwer transformiert werden können. Man denke nur an das Beispiel der Zementindustrie. Wir brauchen zum Beispiel viel mehr Wohnraum, und dafür muss gebaut werden, aber die Zementindustrie kann den CO2-Fußabdruck nicht über Nacht verringern. Das wird Jahre dauern. Die Hebelwirkung der Transformation wird eine der größten Chancen in den nächsten Jahren sein. Wir sollten dabei bestimmte Transformationsgrade festlegen. Aufgabe und Chance für uns als Intermediäre ist, genau diesen Prozess als Partner und mit Produkten zu begleiten.

Das Interview führte

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