Energiemärkte

Geopolitik treibt den Ölpreis an

Der Preisanstieg bei Rohöl dürfte weitergehen, denn neben einem knappen Angebot und einer robusten Nachfrage wird der Preis auch von geopolitischen Faktoren angetrieben.

Geopolitik treibt den Ölpreis an

Fast alle Energieträger haben einen enormen Preisanstieg hinter sich. Während sich der Gaspreis in Europa vervielfacht hat, steht bei der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude auf Sicht von zwölf Monaten ein Anstieg von immerhin mehr als 55% zu Buche. Am Montagmorgen gab es am asiatischen Markt mit 94 Dollar je Barrel ein weiteres Siebenjahreshoch.

Zu den wesentlichen Gründen für den starken Preisanstieg gehören die robuste weltweite Nachfrage, da sich die Omikron-Variante des Coronavirus als weniger schwerwiegend erwiesen hat, als eingangs gedacht. Nach Einschätzung der Analysten der Commerzbank wird die Nachfrage schon im zweiten Halbjahr wieder das Niveau von vor dem Beginn der Pandemie erreicht haben.

Hinzu kommt, dass die Produktion von Erdöl hinter den Erwartungen zurückbleibt. Laut der Commerzbank-Experten lag die Produktion des Kartells „Opec plus“ Ende 2021 um knapp 800.000 Barrel pro Tag (bpd) unter dem vorgesehenen Niveau. Die Bank erwartet, dass die Diskrepanz zwischen den eigentlich erwarteten Produktionsniveaus und der Realität in den kommenden Monaten noch größer ausfallen wird. „Über freie Kapazitäten verfügen ohnehin nur noch wenige Länder am Persischen Golf“, erläutert Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Selbst Russland scheine nicht mehr in der Lage, die Produktion noch wesentlich stärker erhöhen zu können. Und seitens der die amerikanischen Schieferölproduzenten gebe es bislang wenig Anzeichen, deutlich mehr Öl zu fördern. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet, dass sich die freie Kapazität der Opec in der zweiten Jahreshälfte auf lediglich noch 2,6 Mill. bpd halbieren wird. „Wenn die Nachfrage weiterhin stark wächst oder wenn es Enttäuschungen auf der Angebotsseite gibt, bedeutet dies angesichts des niedrigen Niveaus der Lagerbestände und der sinkenden freien Kapazitäten, dass sich der Ölmarkt 2022 auf ein weiteres volatiles Jahr einstellen kann“, verdeutlichen die Ökonomen der IEA die aus ihrer Sicht angespannte gegenwärtige Lage.

Die Commerzbank hat deswegen jetzt ihre Prognose für den Ölpreis nach oben angepasst. Sie rechnet nun für das zweite Quartal mit einem Brent-Ölpreis von 85 Dollar, bislang waren es 75 Dollar. Für das zweite Halbjahr werden immerhin noch 80 Dollar gegenüber bislang 75 Dollar erwartet.

125 Dollar möglich

Andere Analysten gehen von einem noch stärker ausgeprägten Anstieg des Ölpreises aus. So rechnen die Experten von Morgan Stanley mit 100 Dollar bereits im Sommer, wobei sie ebenfalls auf die niedrigen Lagerbestände, die niedrigen freien Kapazitäten und auch auf die geringen Investitionen in die Ölbranche verweisen. Goldman Sachs hat ebenfalls auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Ölpreis bis auf 100 Dollar steigen könnte. Bei der US-Großbank J.P. Morgan hält man sogar einen Anstieg bis auf 125 Dollar für möglich.

Während die fundamentale Lage auf dem Markt mit der lebhaften Nachfrage und dem eng umgrenzten Angebot die Hauptrolle für den Preisanstieg des Energieträgers spielt, gibt es einen weiteren Faktor, der sich zunehmend auswirken könnte: die aktuellen geopolitischen Konflikte, die sich bislang immer weiter zuspitzen. Im Mittelpunkt steht momentan die Ukraine-Krise, die die Gefahr birgt, dass es zu einem Krieg in dem eng mit der Nato verbündeten Land unter Beteiligung Russlands kommt. Eine solche militärische Auseinandersetzung oder, genauer gesagt, westliche Reaktionen darauf, könnten die Energiepreise noch sehr viel weiter in die Höhe treiben. Zwar schließen die Nato-Länder ein direktes militärisches Eingreifen aus. Sie erwägen aber sehr weitgehende finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen gegen den wichtigen Energieproduzenten Russland. Die Forderungen gehen soweit, dass gewissermaßen die gesamten Energieeinfuhren des Westens aus Russland eingestellt werden könnten, um das Land finanziell unter Druck zu setzen. Dies würde zum einen die russischen Gaslieferungen nach Europa betreffen, zum anderen aber auch die gegenwärtigen Lieferungen von Rohöl und Ölprodukten in die USA. Und ein möglicher Ausschluss der russischen Institute aus dem Swift-Bankennetzwerk würde bedeuten, dass europäische Länder erhebliche Schwierigkeiten hätten, für die russischen Erdgaslieferungen zu bezahlen. Moskau hat bereits durchblicken lassen, dass im Fall von Zahlungsausfällen die Lieferungen eingestellt würden.

Zwar ist es zweifelhaft, dass die westlichen Regierungen im Fall eines bewaffneten Konflikts in der Ukraine letztlich so weit gehen, da sie mit derartigen Schritten ihre eigenen Länder stärker schädigen würden als Russland. Und es gibt auch bereits Bestrebungen seitens Frankreich, Italiens und auch Deutschlands, die Situation diplomatisch zu entschärfen. Allerdings würde den Akteuren an den Energiemärkten bereits die Perspektive derartiger Sanktionen im Falle eines Kriegsausbruchs ausreichen, um mit Panik zu reagieren. Dies würde ohne Zweifel den Preis für Erdgas am europäischen Spotmarkt von derzeit knapp unter 80 Euro je Megawattstunde wieder auf Rekordniveau von 150 Euro und darüber hieven. Ähnliches gilt für den Ölpreis: Die Analysten der DZBank verweisen nun ausdrücklich auf die geopolitische Risiken und insbesondere auf den Ukraine-Konflikt und merken an, dass ein Ölpreis von 120 Dollar denkbar wäre. Dies gilt allerdings nur für ihr Risikoszenario. In ihrem Hauptszenario gehen sie davon aus, dass die diplomatischen Verhandlungen erfolgreich sein werden, dass sich der Prozess allerdings länger hinziehen wird. Sie betonen grundsätzlich, dass die Geopolitik die Versorgungslage überlagere, so dass künftig beim Ölpreis ein Risikoaufschlag zu berücksichtigen sei.

Schwelender Iran-Konflikt

Es gibt noch weitere Konflikte, die sich auf den Ölpreis auswirken. Trotz einer gewissen Entspannung ist es keineswegs sicher, dass die indirekten Verhandlungen zwischen USA und dem Iran über das iranische Atomprogramm und eine Rückkehr der USA zum Vertrag über das Atomprogramm erfolgreich abgeschlossen werden. Da aus US-Sicht das Problem vor allem im Aufstieg des Irans zur führenden Regionalmacht am Persischen Golf und zu einem wichtigen Knotenpunkt auf der neuen chinesischen Seidenstraße liegt, kann es jederzeit zu einer neuen Eskalation am Golf und sogar zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen, zumal auch das eng mit den USA verbündete Israel den Iran als Bedrohung ansieht und bereits Vorbereitungen für einen Militärschlag getroffen hat. Dies ist auch der Grund, weshalb der Ölpreis auf die jüngsten Entspannungssignale kaum reagiert hat, die eigentlich auf eine baldige Rückkehr des iranischen Öls auf den Weltmarkt hindeuten sollten. Folgen für den Ölpreis hätte sicherlich auch ein chinesisch-amerikanischer Krieg im südchinesischen Meer oder um Taiwan, auch wenn es dabei nicht um die Energieversorgung geht.

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