Anleihemarkt

Schulden von Sri Lanka nachhaltig restrukturieren

Am Beispiel von Sri Lanka könnte gezeigt werden, wie sich Schulden eines Staates nachhaltig strukturieren lassen, meinen die Experten von Nordea. Engagement spielt hier eine Rolle.

Schulden von Sri Lanka nachhaltig restrukturieren

Die Bilder sind Anfang Juli um die Welt gegangen: Zehntausende wütender Sri Lanker demonstrieren angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten auf den Straßen der Hauptstadt Colombo. Sie stürmen den Palast des Präsidenten Gotabaya Rajapaksa, machen Selfies in dessen Pool, Küche und Schlafzimmer. Der Aufenthaltsort Rajapaksas ist zu diesem Zeitpunkt unbekannt. In Singapur taucht er nach einer Flucht über die Malediven wieder auf, um schließlich am 14. Juli offiziell von seinem Amt zurückzutreten. Damit beendet er die mehr als 20 Jahre andauernde Herrschaft seiner Familie über den Inselstaat. Der seit Mai 2022 amtierende Premierminister Ranil Wickremesinghe wird am Tag danach als neuer Staatspräsident vereidigt.

Desaströser Zustand

Rajapaksa hat sein Land und den Staatshaushalt in einem desaströsen Zustand zurückgelassen. Bereits im April erklärte Sri Lanka offiziell seine Zahlungsunfähigkeit. Die Schulden belaufen sich auf rund 51 Mrd. Dollar. Seitdem mangelt es an Gas, Treibstoff, Medikamenten und Lebensmitteln, da die Importe der Güter nicht mehr bezahlt werden können. Eine Inflation von um die 30% und die seit der Corona-Pandemie weggebrochenen Einnahmen aus dem Tourismus verschärfen die Spannungen in der Bevölkerung weiter. Anfang Juli wandte sich der ehemalige Präsident sogar an Russland und bat um Hilfe in Form von Öl. Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Hilfspaket dauern an und mussten aufgrund des politischen Vakuums zuletzt immer wieder unterbrochen werden. Das spiegelt sich auch in den immer weiter sinkenden Anleihekursen wider.

Nordea gehört zu den Anleihegläubigern des Staates Sri Lanka. Auch wenn wir nur weniger als 1% der sri-lankischen Staatsanleihen halten, sind wir früh dem Board der Anleihebesitzer beigetreten, um uns als Investor einzubringen. Der Dialog mit den Gläubigern gehört bei Nordea schon lange zu den Engagement-Aktivitäten, mit denen wir positive Veränderungen bei den Emittenten bewirken wollen. Noch wird das Engagement in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen von Staatsanleihegläubigern nicht ausreichend genutzt. Obwohl Staatsanleihen nach Angaben der International Capital Market Association (ICMA) rund 68% des weltweiten Anleihemarktes ausmachen, ist der Dialog zwischen Anlegern und Emittenten weit weniger verbreitet als auf den Kredit- und Aktienmärkten. In einer Umfrage der PRI unter den Unterzeichnern gab noch im Jahr 2020 ein Drittel von 495 PRI Signatories an, sich nicht zu engagieren. Dabei können Anleihegläubiger eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den Wandel voranzutreiben und ESG-Politik durch ihre Investitionsentscheidungen zu beeinflussen. Für diese Zurückhaltung mag es gute Gründe geben – darunter die Sorge, dass ein solches Engagement als politische Lobbyarbeit oder Einmischung in die Entscheidungen der Regierungen missverstanden werden könnte.

Spätestens wenn es aber um einen Default geht, ist der Dialog geboten – schon allein um einen Interessenausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern zu vermitteln, die wir als Assetmanager schließlich treuhänderisch vertreten. Dieser Dialog bietet aber auch die Chance, die starke Verhandlungsposition im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie etwa des Klimawandels zu nutzen.

Und das tun wir im Falle von Sri Lanka. Unstrittig ist, dass die Restrukturierung an strenge Auflagen zu koppeln ist und dabei auch lokale Anleihebesitzer einen Teil der Last werden schultern müssen. Richtig und wichtig ist zudem, dass der IWF eingebunden ist. Denn das wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein. Darüber hinaus fordern wir jedoch – etwa in einem Brief, den wir bereits im April an die sri-lankische Regierung gerichtet haben – eine weitreichendere Restrukturierung nach ESG-Kriterien.

Im Pariser Abkommen hat sich auch Sri Lanka zu sogenannten Nationally Determined Contributions (NDCs) verpflichtet, die dazu geeignet sind, seine Emissionen zu reduzieren und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Die Finanzierung von Projekten, die dazu beitragen, wäre im Interesse aller – des Landes, der Bevölkerung und der Kreditgeber – und könnte einen kleinsten gemeinsamen Nenner für die Verhandlungen darstellen. Möglichen Einwänden, dass doch in Sri Lanka die sozialen Probleme dringender seien als die Bekämpfung des Klimawandels, könnte man entgegenhalten, dass bei einem Problem, das die gesamte Menschheit betrifft, leichter ein Konsens herzustellen ist als in der Frage nach der richtigen Sozialpolitik. Außerdem hat die Bekämpfung des Klimawandels immer auch eine starke soziale Komponente.

Ein weiteres Argument für eine konzertierte Aktion der Gläubiger ist die Geopolitik. Es sollte uns alle besorgen, dass sich Sri Lanka an Russland gewendet und um Hilfe gebeten hat. Das Risiko, dass ein Staat in seiner Verzweiflung einen solchen Schritt unternimmt, kann nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft liegen.

Auch das Argument, dass es schließlich ein ökologisches Projekt – nämlich die Umstellung von konventioneller, chemischer Landwirtschaft auf organische – war, das die Stimmung im Lande zum Kippen brachte, lasse ich nicht gelten. Die Reform war zum einen schlecht durchdacht und ohne Subventionen und Übergangsfristen umgesetzt; und zum anderen ging es der Regierung wohl gar nicht um nachhaltige Reformen, sondern eher darum, angesichts der extrem angespannten Haushaltslage die hohen Kosten für Düngemittel einzusparen. Die Folge: Die Ernten brachen dramatisch ein, und die Hungerkrise verschärfte sich weiter.

Unterstützung des IWF

Dies zeigt, dass nachhaltige Reformen nicht übers Knie gebrochen werden können. Doch nach unserer Erfahrung ist gerade eine Krise, wie Sri Lanka sie derzeit durchlebt, der richtige Moment, um damit anzufangen. Noch haben wir für unseren Vorschlag, die Zahlungsunfähigkeit Sri Lankas zur Umstrukturierung seiner Staatsschulden in „Paris Aligned Bonds“ zu nutzen, keine Mehrheit unter den Gläubigern.

Was mich aber zuversichtlich macht, sind drei Elemente. Erstens: Die Unterstützung des IWF. Zweitens: Die nun von der Regierung angekündigte Wiederaufnahme des Dialogs, die in den vergangenen Wochen faktisch unmöglich war. Drittens: Die Win-win-Situation zwischen Sri Lanka und dem Kapitalmarkt. Denn die Nachfrage der Investoren nach klimaneutralen Investments ist größer als das Angebot. Auch wenn Sri Lanka ein verhältnismäßig kleiner Emittent ist – das Angebot an nachhaltigen Anleihen würde sich immerhin vergrößern, und das Beispiel könnte Schule machen. Unabhängig davon: Das aktive Engagement mit und in souveränen Staaten, in denen wir investiert sind, bleibt für uns ein integraler Bestandteil unserer Strategie.