Schweizer Aktienmarkt eine Quelle von Reichtum
Dividendenreport 2025
Schweizer Aktienmarkt eine Quelle von Reichtum
Die Aktionäre der größten Konzerne in der Schweiz werden seit Jahren mit Dividenden überschüttet – Auch die Manager werden großzügig bedient
dz Zürich
Seit dem jüngsten Dividendenreigen sind die Aktionärinnen und Aktionäre der 30 wertvollsten Unternehmen an der Schweizer Börse weitere 46,6 Mrd. sfr Franken reicher. Die Börsen-Zeitung publiziert seit 2010 alljährlich den großen Dividendenreport aus der Schweiz, und die Statistik zeigt: Die Firmen haben in den vergangenen 14 Jahren jedes Jahr durchschnittlich 4,5% mehr ausgeschüttet.
Reife Unternehmen zahlen mehr
Alteingesessene Großunternehmen mit etablierten Produkten, starker Marktstellung und eingespieltem Geschäftsmodell sind typischerweise besonders großzügige und verlässliche Dividendenzahler. Sie haben die kostspielige Aufbau- und Expansionsphase hinter sich und ernten die Früchte dieser Investitionen. Die Schweizer Wirtschaft ist reich bestückt mit reifen Unternehmen, die in ihren Märkten nicht selten weltweit führende Positionen besetzen.
Thomas Meier, ein Fondsmanager beim Vermögensverwalter Mainfirst in Frankfurt, der sich auf Anlagen in Aktien dividendenstarker Firmen spezialisiert, bezeichnet solche Unternehmen als „Dividendenaristokraten“ und der Schweizer Aktienmarkt zählt zu seinen bevorzugten Jagdrevieren. Aus gutem Grund:
2024 haben die 30 im Swiss-Leader-Index der Schweizer Börse enthaltenen Konzerne kumuliert knapp 66 Mrd. sfr Gewinn erwirtschaftet. Diesen schütteten sie fast vollständig aus, wenn man zu den Dividenden noch die Aktienrückkäufe im Wert von 18,5 Mrd. sfr dazurechnet. Zwar liegt die Ausschüttungsquote nicht immer so hoch, aber sie bewegt sich seit der Finanzkrise deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass den Unternehmen das einstige Grundvertrauen in die allgemeine Wirtschaftsentwicklung abhandengekommen ist.
Die Unternehmen investieren ihre Gewinne in neue Produktionsanlagen oder in die Entwicklung neuer Produkte, wenn sie einigermaßen zuverlässig mehr Nachfrage erwarten können. Wird diese Chance aber als gering eingestuft, werden die Gewinne eher an die Aktionäre zurückgeführt. Langfristig ist solches Verhalten wachstumshemmend und wohlstandsmindernd, weil es das Produktionspotential der Unternehmen verringert.
Nach diesem Muster verfuhr in den vergangenen Jahren auch Nestlé, die seit langer Zeit größte Dividendenzahlerin der Schweiz. Der Lebensmittelmulti hat im Dezember 2024 ein im Jahr 2022 lanciertes Aktienrückkaufprogramm im Wert von 20 Mrd. sfr abgeschlossen. Es war das zweite Programm in dieser Dimension seit der Finanzkrise.
Glücklich wurden die Aktionäre trotzdem nicht. Nestlé hat den Nimbus eingebüßt, in allen konjunkturellen Witterungsbedingungen überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erzielen zu können. Deshalb hat sich der Börsenwert des Konzerns 2024 um 63 Mrd. sfr auf 193 Mrd. sfr verringert – mit der Nebenwirkung, dass das Unternehmen für die zurückgekauften Aktien auch noch viel zu hohe Preise zahlte, was für eine zusätzliche Vernichtung von Aktionärswert sorgte.
Sakrosankte Dividende
Fondsmanager Thomas Meier geht davon aus, dass sich das Gewinnwachstum der Unternehmen in dem verschlechterten weltwirtschaftlichen Klima deutlich verlangsamen wird. Es sei deshalb in nächster Zeit auch mit viel weniger Aktienrückkäufen zu rechnen, meint er. An Dividendenkürzungen im großen Stil glaubt Meier aber nicht. „Die Firmen werden versuchen, ihre Dividenden auch in schwierigen Zeiten zu halten oder gar weiter zu steigern“, sagt er im Wissen, dass die Verlässlichkeit der Ausschüttungen ein bestimmender Faktor für die Loyalität der Aktionäre und für die Börsenbewertung der Firmen ist. Positiv gestimmt ist Thomas Meier für die Banken. „Sie standen in den letzten 15 Jahren in der Schmuddelecke des Finanzmarktes. Da sind sie jetzt herausgekommen.“ Meier glaubt, dass die Banken eine nächste Rezession besser durchstehen werden als früher.
„Das verdanken wir nicht zuletzt der verschärften Regulierung. Deshalb ist es aus Sicht des Dividendenempfängers keine Tragödie, wenn die Banken konservativen Eigenkapitalvorgaben genügen müssen“, sagt der Fondsmanager, der natürlich weiß, dass sich Institute wie die UBS heftig gegen strengere Auflagen wehren. Die UBS verspricht ihren Aktionären stetig steigende Ausschüttungen, aber auch weitere Aktienrückkäufe in Milliardenhöhe. Je nach Entwicklung der Regulierung in der Schweiz wird sie sich vielleicht mit Aktienrückkäufen mehr Zurückhaltung auferlegen müssen.

Großzügig bedient werden seit der Finanzkrise nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Manager. Der durchschnittliche CEO-Lohn der Firmen im Swiss Leader Index ist zwischen 2010 und 2024 von 4,7 Mill. sfr auf 6,7 Millionen Franken gestiegen. Einen Rekord schaffte 2024 Novartis-Chef Vasant Narasimhan, der nach einer Gehaltserhöhung um 19% auf einen Jahreslohn von 19,2 Mill. sfr gekommen ist. In den USA zahlen viele Großunternehmen ihren CEO längst mehr als 20 Mill. Dollar pro Jahr. In Europa war die 20-Millionen-Marke bislang aber noch eine Art Schamgrenze.
Die hohen Cheflöhne sind für die Aktionäre naturgemäß leichter verdaubar, wenn auch ihre eigene Gesamtrechnung stimmt. Diese Gesamtrechnung wird als „Shareholder Value“ bezeichnet und setzt sich aus den Komponenten Börsenwert und Ausschüttungen (Dividenden plus Aktienrückkäufe) zusammen.
Mehr Lohn für wenig Leistung
Im Fall von Novartis ist der Shareholder Value 2024 um 2% gesunken, was die Akzeptanz von Narasimhans Lohnpaket kaum fördert. Besser fiele der Vergleich für Narasimhan aus, wenn man die 2023 erfolgte Abspaltung von Sandoz nicht als Ausschüttung einer Sachdividende bewerten würde, was sie aber tatsächlich ist. Ohne den Sandoz-Spin-off hätte auch Novartis eine Zunahme des Shareholder Value geschafft.
Auch Géraldine Picaud, Chefin des Genfer Prüfkonzerns SGS, hat 2024 beim eigenen Lohn weit kräftiger zugelegt als beim Shareholder Value. Nur knapp gereicht für eine Steigerung des Aktionärswertes hat es dem Private-Equity-Spezialisten Partners Group. Dessen CEO David Layton ist mit einem Sprung um 141% trotzdem zu dem am zweitbesten bezahlten Manager in der Schweiz hinter Narasimhan aufgestiegen.
Für beidseitige Zufriedenheit sorgte hingegen der Aromenhersteller Givaudan, der 2024 dem CEO eine Lohnsteigerung um 6% zugestand und gleichzeitig den Aktionärswert um 13% verbessert hat. Oft wird das Prinzip einer gleichläufigen Entwicklung von Lohn und Leistung aber verletzt, wenn die Leistung, sinkt. Auch Cheflöhne sind eben oft sehr unflexibel, wenn es um deren Anpassung nach unten geht, obschon die Cheflöhne typischerweise eine hohe Leistungskomponente enthalten. Swatch-Group-Chef Nick Hayek und Urs Gantner von der auf die Herstellung von Vakuumventilen spezialisierten VAT Gruppe in St. Gallen bilden diesbezüglich löbliche Ausnahmen. Wie es mit den Cheflöhnen weitergeht, wenn der Börsentrend ins Negative kippt, bleibt abzuwarten.
Im Schweizer Aktienmarkt regieren die „Dividendenaristokraten“. Die zahlreichen alteingesessenen Großkonzerne beglücken ihre Aktionäre alljährlich mit üppigen Ausschüttungen und die Manager verdienen kräftig mit. Doch dieses Frühlingsritual muss nicht für die Ewigkeit fortbestehen.