Wachsende Staatsverschuldung

Am oberen Ende der fiskalischen Fahnenstange

Drastisch steigende Staatsschulden engen den finanziellen Bewegungsspielraum der Staaten immer weiter ein. Die USA stehen besonders im Fokus. Erste Stimmen warnen vor einer neuerlichen Schuldenkrise.

Am oberen Ende der fiskalischen Fahnenstange

Am oberen Ende der fiskalischen Fahnenstange

Drastisch steigende Staatsschulden engen den finanziellen Bewegungsspielraum der Staaten über die Zinslast immer weiter ein – USA besonders im Fokus

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die seit einiger Zeit weltweit wieder steigenden Haushaltsdefizite beunruhigen zunehmend viele Marktbeobachter. Sie machen sich Sorgen um die fiskalische Tragfähigkeit mancher Staaten, was auf die Zins- und Währungsentwicklung durchschlägt und sich in der Zuspitzung sogar in eine neue Schuldenkrise hineinentwickeln könnte. Aktuell fokussieren sie den Blick konkret auf die USA. Denn innerhalb von gut zehn Jahren hat sich die US-Verschuldung von 18,2 Bill. Dollar 2015 auf aktuell 36,6 Bill. Dollar verdoppelt. Und das jüngst von US-Präsident Donald Trump verabschiedete Steuergesetz „Big Beautiful Bill“ dürfte diesen Betrag noch weiter um mindestens 3 Bill. Dollar in die Höhe treiben.

„Unorthodoxe Mittel“

Kritisch daran ist unter anderem die wachsende Zinslast, weil sie den fiskalischen Bewegungsspielraum beschneidet und den Verschuldungsdruck weiter erhöht. Eine höhere Inflation könnte diesen Druck etwas mildern, weshalb der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds Kenneth Rogoff in den nächsten fünf bis sieben Jahren sogar Teuerungsraten von 20 bis 25% erwartet. Edoardo Campanella, Leiter der Unicredit-Denkfabrik „Investment Institute“ schwadroniert zudem über andere „unorthodoxe“ Formen von Zahlungsausfällen. Womöglich spielt er hier auf die jüngsten Ideen zu Kryptowährungen an, worüber die USA sich einen zweiten Markt für die Verschuldung aufmachen könnte.

Soweit ist es noch nicht, doch wird die US-Regierung im laufenden Jahr rund 795 Mrd. Dollar an ihre Gläubiger zahlen müssen. Bald dürfte die Zinslast sogar die Ausgaben für das Militär überholt haben, die sich aktuell auf 956 Mrd. Dollar belaufen. Der Wirtschaftshistoriker an der Harvard-Universität Niall Ferguson sieht darin mit Blick in die Vergangenheit anderer Länder die Saat gelegt für den Niedergang einer ganzen Nation.

Trumps Zollpolitik treibt Inflation

Dass daher der Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve steigt, die Schuldenlast durch Aufkäufe von Staatsanleihen oder durch niedrigere Zinsen zu mildern, sofern zugleich eine höhere Inflation akzeptiert wird, ist selbstredend. Das diesbezügliche Drängen von US-Präsident Trump ist ja nicht zu übersehen. Dumm nur, dass die aktuelle Zollpolitik die Preise ebenfalls nach oben treibt und der Dollar nachgibt, was tendenziell auch die Inflation befeuert.

Für Ralph Solveen, Ökonom bei der Commerzbank, sind aber nicht nur die USA ein fiskalischer Problemfall, sondern auch viele europäische Staaten. Sie haben ihre Defizite zuletzt ebenfalls gewaltig ausgeweitet, allerdings vor allem wegen ausufernder Sozialetats. Die Zinslastquote für Frankreich und Italien wird den Berechnungen zufolge bis 2035 auf 5 bis 6% des BIP zulegen. Und das dann in einer Zeit, da die demografischen Belastungen ebenfalls immer größer werden. Auch hier sieht Solveen den Druck auf die EZB bereits steigen; zudem werden die Forderungen immer drängender, über einen gemeinsamen europäischen Etat wenigstens das Militär zu finanzieren.

Triple-A-Bonität gibt Spielraum

Berlin müsste als EU-Nettozahler dann auch künftige Steigerungen mitfinanzieren. Und darauf bauen wohl die anderen Staaten, weil es bei den deutschen Finanzen noch Spielraum gibt, wie jüngst die Ratingagentur Scope gezeigt hat: Die Triple-A-Bonität ist stabil. Selbst Sondervermögen und höhere Militärausgaben werden die Schuldenquote auf allenfalls knapp 75% hochtreiben. Die Zinslast würde selbst dann nicht über 2% steigen – also deutlich unter den 5% des BIP für die künftigen Verteidigungsausgaben. Nach US-Ökonom Ferguson eigentlich ein positives Signal. Aber auch hier schlägt bald die Demografie mit voller Kraft zu, was auf die Steuereinnahmen drückt und die Staatsausgaben in die Höhe treiben wird. Dann dürfte auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht sein.

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