Strukturwandel

Auf der Suche nach der KI-Produktivität

Damit Industriestaaten möglichst schnell KI in den Produktionsprozess integrieren können, müssen Bürokratie- und Regulierungslasten verschwinden, mahnt die Industrieländerorganisation OECD. Sonst habe der Standort im Wettbewerb das Nachsehen.

Auf der Suche nach der KI-Produktivität

Auf der Suche nach der KI-Produktivität

OECD-Debatte über Chancen der künstlichen Intelligenz und wie sie Staaten ergreifen können

lz Frankfurt

Dass künstliche Intelligenz (KI) die Produktivität stark beeinflussen wird und bereits mannigfach in diese Richtung wirkt, ist unter Ökonomen nahezu unbestritten. Aber über die Frage, in welcher Größenordnung sich dies abspielen wird, gibt es großen Dissens. Viele Experten erinnern sich noch an die Debatte über die produktiven Wirkungen von IT insgesamt. Robert Solow, der inzwischen verstorbene Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 1987, fasste seinerzeit die deprimierende Situation mit den Worten zusammen: „Man kann das Computerzeitalter überall sehen, außer in der Produktivitätsstatistik.“

Das Problem bei der Produktivitätsmessung: Es spielen viele Faktoren eine Rolle; die wenigsten sind dabei direkt in Zahlen herunterzubrechen. Und vieles macht sich erst nach Jahren bemerkbar, wenn sich auch die Strukturen angepasst haben. Inzwischen gehen Ökonomen davon aus, dass die Informationstechnik in den 90er Jahren die Produktivität wohl um 1 bis 1,5% pro Jahr erhöht hat.

Auch der Einfluss von KI ist schwer zu messen, zumal hierüber noch wenig Informationen vorliegen, wie sie konkret eingesetzt wird und wie Unternehmen davon profitieren. Auf einer Web-Veranstaltung der Industriestaatenorganisation OECD über die Wirkungen von KI legte OECD-Ökonom Peter Gal eine ganze Reihe von Schätzungen vor, die allesamt weit auseinanderliegen. Die Unternehmensberater von McKinsey sehen die Produktivität von Volkswirtschaften durch KI in den nächsten 10 Jahren auf Jahresbasis zwischen 0,7 und knapp 3,5% zulegen. Der IWF schätzt den Wert zwischen 1,0 und 1,5%, etwas höher als die OECD selbst, und Nobelpreisträger Daron Acemoğlu erwartet sogar weniger als 0,5%.

Flexible Regulierung nötig

Klar ist, dass vor allem Programmieren, Schreiben und das IT-Umfeld von KI profitieren, weil sich hier die schnellsten Erfolge erzielen lassen. Spannender wird es aber, wenn, wie Ziv Katzir, KI-Chef der Israel Innovation Authority, darlegte, die Entwicklung auch auf die Reduzierung von Ausbildungszeiten hinausläuft, weil Übungen und Fertigkeiten teilweise wegfallen. Oder wenn KI unmittelbar in Produkte integriert wird, wie das bereits bei Telefonen und Tablets geschieht.

Entscheidend ist dabei, wie schnell und strukturiert die Industriestaaten KI in ihre Wirtschaft integrieren können. Israel scheint hier sehr erfolgreich zu sein, was nach Meinung von OECD-Ökonom Boris Cournède auch daran liegt, dass die Regulierung flexibel angelegt ist und stets mit der Wettbewerbsfähigkeit heimischer Firmen auf dem Weltmarkt abgeglichen wird. Regulierer und Unternehmen samt Forschung arbeiteten zusammen; und jeder Sektor werde anders behandelt.

Ana Dujić, beim Bundesarbeitsministerium in Berlin für „Digitale Arbeit“ zuständig, sieht in Deutschland durchaus Fortschritte bei der Akzeptanz und Nutzung von KI. Doch geschehe das weitgehend informell und punktuell. Es fehle schlicht der organisatorische Prozess. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe auf dem Land hätten diesbezüglich Probleme. Dagegen stünden auch hohe Implikationskosten, komplexe und einschränkende Regulierungen, enorme Bürokratielasten und der vielfach überzogene Datenschutz. Hier, so Dujić, müsse die Bundespolitik „schnellstens für einfachere Zugänge“ sorgen, Rechtssicherheit garantieren und die Adaption „so unkompliziert machen, wie es irgend geht“.

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