BIZ warnt vor Finanzrisiken durch Globalisierung
BIZ warnt vor Finanzrisiken durch Globalisierung
Zunehmende Bedeutung von Schattenbanken könnte zu Krisen führen – Volkswirtschaften anfälliger für Inflationsschocks – Kritik an Fiskalpolitik
mpi Frankfurt
Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beobachtet wachsende Risiken für die Weltwirtschaft und die Finanzstabilität. Die Ursachen dafür seien mannigfaltig. Neben aktuellen politischen Entwicklungen wie den zunehmenden geopolitischen Spannungen drohten auch strukturelle Faktoren wie die wachsende Staatsverschuldung oder die Zunahme von schlecht regulierten Finanzintermediären aus dem Nicht-Bankensektor zum Krisenherd zu werden.
„Die zunehmende Bedeutung von Schattenbanken im Finanzsystem, in Verbindung mit dem Wachstum der Anleihemärkte birgt auch Risiken für die Finanzstabilität“, warnt Hyun Song Shin, Wirtschaftsberater und Leiter der Abteilung für Geld- und Wirtschaftspolitik bei der BIZ. Er forderte bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts der Organisation die Politik auf, diese Finanzintermediäre aus dem Nicht-Bankensektor (NBFI) stärker zu regulieren. Zu NBFI zählen etwa Hedgefonds, Versicherungen, Investmentfonds oder Leasinggesellschaften. Diese Finanzinstitute verfügen über keine Bankenlizenz, weswegen sie auch nicht unter die Bankenregulierung fallen.
Wandel im Finanzsektor
Die Bedeutung der NBFI für den Finanzsektor steigt seit rund 15 Jahren, wie unter anderem Zahlen der BIZ verdeutlichen. Zwischen 2009 und 2023 stiegen ihre Gesamtaktiva von 167% auf 224% des globalen BIP. Bei den Banken fällt das Wachstum weniger rasant aus. Im gleichen Zeitraum steig ihr Gesamtaktiva nur von 164 auf 177%.

Diese Entwicklung zusammen mit einer anderen führt laut BIZ zu höheren Risiken für die Finanzstabilität. Vermögensverwalter investieren zunehmend global und sichern sich gleichzeitig gegen Wechselkursrisiken ab. „Die Veränderungen des globalen Finanzsystems in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass sich Veränderungen in den Finanzierungsbedingungen in einem Land schneller auf andere Volkswirtschaften auswirken“, sagt Shin. So könnten lokale Finanzrisiken zu einem globalen Problem führen.
Drohender Kipppunkt
Die BIZ erneuerte auch eine Kritik, die mit Blick auf die Politik des Weißen Hauses jedoch an Relevanz gewonnen hat. Die Fiskalpolitik vieler Staaten sei nicht nachhaltig. Die teilweise rasant steigende Staatsverschuldung könne in einer Finanzkrise enden. Wegen der großen Bedeutung für den globalen Finanzmarkt steht insbesondere die Fiskalpolitik der USA bei vielen Anlegern und Ökonomen unter Beobachtung.
Nach einer Berechnung von KfW Research droht die US-Staatsverschuldung stärker zu steigen als ohnehin angenommen. Ohne Gegenmaßnahmen wie Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen werde die Schuldenquote der USA in den kommenden zehn Jahren von 120 auf 150 bis 170% anwachsen. Es drohe ein Kipppunkt bei der Schuldentragfähigkeit der Vereinigten Staaten. „Sollte das Vertrauen der Märkte schwinden, könnten Kapitalabflüsse, steigende Risikoprämien und eine gefährliche Zins-Schulden-Spirale in Gang gesetzt werden“, sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.
Finanzkrise droht
Das Risiko dessen dürfte auch dadurch zunehmen, dass US-Präsident Donald Trump mit seinem erratischen Kurs und seinem Bruch mit Konventionen das Vertrauen der internationalen Anleger in die USA schwächt. Für Schumacher wird es entscheidend sein, ob die USA in den kommenden Jahren „den Mut aufbringen, fiskalisch verantwortungsvoll zu handeln“.
Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, sieht dafür jedoch keinen politischen Willen, weder bei den Republikanern noch bei den Demokraten. Er hält es daher für gut möglich, dass es in fünf bis sieben Jahren zu einer kurzen, von den USA ausgelösten Finanzkrise kommt. Erst dann dürften die Vereinigten Staaten zu einer nachhaltigeren Fiskalpolitik umschwenken. „Es braucht wohl den Druck der Finanzmärkte, damit sich in den USA etwas ändert“, sagt er.
Die BIZ wiederum fordert die Politik nicht nur bei der Regulierung und bei den Staatsausgaben zum Handeln auf. Die Regierungen müssten auch Maßnahmen ergreifen, um das geringe Produktivitätswachstum vieler Staaten zu erhöhen. Neben Strukturreformen würde auch ein Abbau von Handelshürden dazu beitragen.
Kontraproduktive Politik
Mit dem von Trump losgetretenen Zollkonflikt läuft die Entwicklung jedoch gerade in die entgegengesetzte Richtung. Das kritisiert die BIZ nicht nur, weil die Handelshürden das Wirtschaftswachstum reduzieren. Die Zölle seien zudem auch nicht geeignet, um die Ziele Trumps zu erreichen. Er werde damit nicht das Handelsdefizit der USA reduzieren. Es sei auch unwahrscheinlich, dass damit am Ende das verarbeitende Gewerbe in den USA gestützt werde.
Die Notenbanken wiederum müssten mit voller Entschlossenheit ihr Mandat der Preisstabilität umsetzen. In einem Umfeld mit mehr Inflationsschocks und erhöhter Unsicherheit sei dies dringlicher denn je. „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns deutlich vor Augen geführt, dass Preisstabilität die Grundlage für nachhaltiges Wachstum ist“, sagt Agustín Carstens. Für ihn war es der letzte Jahresbericht, den er als Generaldirektor der BIZ verantwortet hat. Ab dem 1. Juli hält der frühere spanische Notenbankchef Pablo Hernández de Cos dieses Posten inne.