Null-Corona-Strategie

China hadert mit Corona-Lockerung

In China scheint die kürzlich angedeutete Bereitschaft, die harten Coronaregeln lockerer zu handhaben, schon wieder aufgegeben zu werden. Das sorgt für Verstimmung an den Märkten.

China hadert mit Corona-Lockerung

nh Schanghai

Nur gut eine Woche nach ersten konkreten Anzeichen für eine Bereitschaft der chinesischen Regierung, ihre sogenannte Null-Covid-Politik etwas lockerer zu handhaben, schwinden die Hoffnungen auf rasche Veränderungen bereits. Die am Montag verbreiteten Corona-Inzidenzahlen zeigen einen weiteren Anstieg der Ansteckungsfälle auf ein Niveau, das zuletzt im Frühjahr erreicht wurde, als Schanghai für zwei Monate in den Lockdown ging.

In der südchinesischen Metropole Guangzhou, der Hauptstadt der wirtschaftsstärksten Provinz Guangdong, wächst die Angst, dass die bislang nur partiellen Lockdown-Maßnahmen in eine Vollschließung übergehen könnten, wie man sie in Schanghai erlebt hatte. Dies wäre ein klares Anzeichen dafür, dass China noch weit von einer wirtschaftsschonenderen Coronapolitik entfernt ist. Bange Blicke werden auch nach Shi­jiazhuang, der unweit von Peking gelegenen Hauptstadt der nordchinesischen Provinz Hebei, gerichtet.

Die Provinzkapitale mit rund elf Millionen Einwohnern galt als eine Art inoffizielle Versuchsstätte für ein deutlich laxeres Regelwerk zu Res­triktionen und Testzwängen. Allerdings schlossen die Behörden in Shijiazhuang am Montag die Schulen, erklärten Teile des Stadtgebiets zur Hochrisikozone, was unmittelbare Ausgangssperren nach sich zieht, und ordneten neue Massentests an. Alle Bewohner der Region sind aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Dies konterkariert praktische alle Facetten der bislang vermuteten beziehungsweise erhofften Lockerungen bei der Durchführung der Null-Covid-Regimes auf Lokalebene.

Für zusätzlichen Alarm bei den Behörden und auch in der Bevölkerung sorgt zudem, dass in der Hauptstadt Peking drei Todesfälle bei älteren Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung ausgewiesen wurden. Chinaweit waren letztmalig im Mai einige wenige tödliche Coronafälle offiziell angezeigt worden. Peking rechtfertigt die harte Coronapolitik in erster Linie damit, dass nur so eine Sterbewelle in der älteren Bevölkerung und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden kann.

Unter Marktteilnehmern macht sich nun Nervosität breit, dass die seit Novemberbeginn aufkeimenden Hoffnungen bezüglich einer konjunkturschonenderen Coronapolitik und der Aussicht auf einen graduellen Ausstieg aus der mit extremen Mobilitätsrestriktionen verbundenen Null-Covid-Strategie verfrüht waren. Entsprechend gerieten chinesische Aktien stark unter Druck, während der Yuan erneut gegenüber dem Dollar einbüßte.

Der starke Wertverfall der chinesischen Währung im Jahresverlauf hat sich als ein wesentlicher limitierender Faktor für eine offensivere geldpolitische Lockerung in China erwiesen. Regierung und Zentralbank befürchten, dass der bereits zu beobachtende Rückzug ausländischer Investoren aus chinesischen Staatsbonds und anderen Wertpapieren sich zu einem breiteren Kapitalabzug verdichten könnte, wenn die Zinsentwicklung in den USA und China weiter auseinanderläuft. Dementsprechend war es keine Überraschung, dass die chinesischen Leitzinsmarken für Unternehmens- und Hypothekenkredite bei der monatlichen Anpassungsrunde am Montag unverändert blieben. So verharrt die als Benchmark für Unternehmenskredite geltende einjährige Loan Prime Rate bei 3,65% und die fünfjährige Rate bei 4,3%.

Kürzlich warnte die People’s Bank of China (PBOC) in ihrem vierteljährlichen geldpolitischen Bericht eindringlich vor latenten Inflations­gefahren. Das zielt laut Experten auf eine mögliche Verbraucherpreishausse im Falle einer zügigen Erholung des stark eingetrübten Konsums. Analysten gehen davon aus, dass ein möglicher Zinssenkungsimpuls frühestens gegen Ende des ersten Quartals 2023 erfolgen dürfte.

Wertberichtigt Seite 2

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