Investitionsabkommen

Chinapolitik braucht Vertrauen: Warum nicht wie Merkel?

Es war zu erwarten, dass der von der EU gestartete Sanktionswettlauf mit China nicht das letzte Wort einer schon jetzt unguten Entwicklung sein würde. Mit ihrem Beschluss, das Investitionsabkommen „einzufrieren“, hat das EU-Parlament den Flurschaden...

Chinapolitik braucht Vertrauen: Warum nicht wie Merkel?

Es war zu erwarten, dass der von der EU gestartete Sanktionswettlauf mit China nicht das letzte Wort einer schon jetzt unguten Entwicklung sein würde. Mit ihrem Beschluss, das Investitionsabkommen „einzufrieren“, hat das EU-Parlament den Flurschaden nicht nur politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich weiter gesteigert.

EU-Unternehmen im Nachteil

Die in siebenjährigen Verhandlungen hart errungenen Zugeständnisse für europäische Unternehmen, für Geschäfte und Investitionen in China sind damit erst einmal vom Tisch. Das ist umso bedauerlicher, als die USA, noch unter der Präsidentschaft von Trump, China entsprechende Zugeständnisse für US-Unternehmen abgerungen haben. Der Status quo, der europäische Unternehmer sowohl gegenüber chinesischen als auch gegenüber US-Konkurrenten schlechter stellt, wird also auf unbestimmte Zeit festgeschrieben. Insbesondere für Deutschland, als mit Abstand wichtigsten Handelspartner Chinas in der EU, ist das ein schwerer Rückschlag.

Fortschritte in Menschenrechtsfragen wurden hingegen nicht gemacht. Eher muss es wohl als Rückschritt interpretiert werden: Mit dem Stopp des Investitionsabkommens ist die Ratifizierung des Verbots der Zwangsarbeit – zugegebenermaßen in recht vager Form –, wie in den Artikeln 29 und 105 der International Labour Organisation (ILO) festgeschrieben, ebenfalls vom Tisch.

Wider die Schaufensterpolitik

In Wirtschaft und Politik sind rationale Entscheidungen gefragt. Es ist erschreckend, wenn die zugänglichen Berichte zutreffen, wie in der Provinz Xinjiang mit Minderheiten umgegangen wird. Die Frage muss aber erlaubt sein, was daraus folgt. Es mutet jedenfalls für viele, die etwas von China verstehen, seltsam naiv an, zu glauben, dass die EU – selbst im Verbund mit den USA – China zwingen könnte, in dieser Frage einzulenken.

Fortschritte kann es nur durch eine Politik der kleinen Schritte geben, verbunden mit einem engen wirtschaftlichen Austausch zum Nutzen aller. Die Politik der Bundeskanzlerin in den vergangenen 16 Jahren steht dafür vorbildhaft. Nur wer das Vertrauen der chinesischen Führung besitzt, kann auch auf sensiblen Feldern Fortschritte erzielen, ohne dass die beteiligten Parteien ihr Gesicht verlieren. Eine Position, die im Übrigen gerade wieder vom großen, alten Mann der US-amerikanischen Außenpolitik, Henry Kissinger, für seine jahrzehntelangen Erfahrungen im Umgang mit China bestätigt wurde.

Schaufensterpolitik und Drohgebärden, die unzweifelhaft auch auf innenpolitische Stimmungen und Wahlen abzielen, sind hingegen wenig hilfreich. Mit ihrem Beschluss täuscht das EU-Parlament im Übrigen eine Handlungsfähigkeit vor, die die EU in der Realität nicht besitzt. Vielmehr scheint das nicht neue Machtgerangel zwischen EU-Parlament und EU-Kommission nun auch die Chinapolitik erreicht zu haben.

Unabhängig von China belegt eine Vielzahl von Studien, dass internationale Sanktionen in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle in Bezug auf die eigentlichen Ziele wirkungslos und im schlechtesten Fall zum Schaden aller sind. Die Sanktionen gegen Russland und den Iran sind dafür schlagende Beispiele.

Die EU muss sich vorwerfen lassen, Sanktionen gegen China auf den Weg gebracht zu haben, ohne wirklich an die Folgen gedacht zu haben. „Shoot first and ask questions later“ darf nicht das Motto einer verantwortlichen Außen- und Außenwirtschaftspolitik sein. Gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas für Deutschland und Europa, gemessen an der politischen Bedeutung Chinas für die Welt und für eine Einbindung Chinas als Co-Architekt einer sich verändernden Weltordnung, wäre es von großem Schaden, wenn sich Europa von China weiter entfernen würde.

Tatsächlich ist und bleibt der wirtschaftliche Austausch, der sich unlösbar mit dem Austausch von Menschen und Meinungen verbindet, die Triebfeder für Veränderungen – auch im gesellschaftspolitischen Bereich – und für ein friedliches, konstruktives Zusammenleben auf dem einen Globus. Dass dieser Austausch holprig verläuft, wenn ein Schwergewicht wie China immer weiter in der Weltwirtschaft aufsteigt – wenn auch nicht so, wie man sich das im „Westen“ vorstellt –, muss auf Grund der Komplexität der Situation und der Geschichte Chinas akzeptiert werden.

Der EU und ihren Institutionen würde ein größeres Fingerspitzengefühl, gepaart mit der Anerkennung der wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte Chinas in den letzten vierzig Jahren, gut zu Gesicht stehen. Dazu gehört auch einen Weg zu finden, die Verhandlungen über das für deutsche und europäische Unternehmen vorteilhafte Investitionsabkommen wieder aufzunehmen.