Notenbanken

Debatte über digitales Zentralbankgeld

Weltweit haben Zentralbanken ihre Arbeit an digitalem Zentralbankgeld forciert. Immer wieder gibt es Sorgen vor einem gefährlichen globalen Wettlauf. Die Zentralbank der Zentralbanken mahnt nun zur Kooperation.

Debatte über digitales Zentralbankgeld

ms Frankfurt

Der Chef der Zentralbank der Zentralbanken BIZ, Agustín Carstens, hat ein eindringliches Plädoyer gehalten, dass die Notenbanken weltweit beim Thema digitales Zentralbankgeld eng zusammenarbeiten und ein globales Netzwerk anstreben sollten. Carstens äußerte sich am Dienstag bei einer Fachkonferenz des Institute for Law and Finance (ILF) der Frankfurter Goethe-Universität. Ein System mit digitalem Zentralbankgeld als Herzstück sei in jedem Fall allen anderen möglichen Szenarien für die Zukunft des Geldes vorzuziehen, so Carstens. Sehr kritisch äußerte er sich zur Idee des Decentralized Finance (DeFi).

Weltweit haben Zentralbanken in den vergangenen Monaten ihre Arbeit an digitalem Zentralbankgeld forciert. Hintergrund sind nicht zuletzt die Pläne des US-Techgiganten Facebook für eine eigene Digitalwährung. Politiker, Aufseher und Notenbanken fürchten Risiken für die Finanzstabilität, sorgen sich aber auch um das staatliche Geldmonopol. Hinzu kommt der Trend zu digitalem Zahlen. Vor allem Chinas Zentralbank drückt bei dem Thema aufs Tempo. Viele Experten sehen Vorteile für jene, die am schnellsten sind (First Mover Advantage). Das schürt Sorgen vor einem gefährlichen globalen Wettlauf der Zentralbanken.

BIZ-Chef Carstens mahnt nun zur Kooperation. Durch ein globales Netzwerk von Zentralbankwährungen „könnten die Kosten für grenzüberschreitende Zahlungen gesenkt, ihre Geschwindigkeit und Transparenz erhöht und der Zugang für Nutzer in verschiedenen Ländern erweitert werden“, sagte er. „Ein solches Netz wäre eine globale Version der nationalen Währungssysteme, die auf dem Vertrauen in die Zentralbanken basieren.“ Nötig sei dafür die technische Kompatibilität der nationalen Zentralbankwährungen. Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) könne diese verbinden. Darauf aufbauend könne dann der Privatsektor eine wichtige Rolle spielen.

Carstens sieht neben einem solchen System zwei weitere mögliche Szenarien für die Zukunft des Geldes – die er aber beide für nicht wünschenswert hält. Das eine sei ein System, in dem Stablecoins großer Techfirmen mit den nationalen Währungen und miteinander konkurrieren. Neben vielen anderen Risiken bestehe da etwa die Gefahr, dass das Geldsystem fragmentiert werde, so Carstens. Das andere Szenario sei eine de­­zentrale Zukunft des Geldes, basierend auf der Idee von Kryptowährungen und dezentralen Finanzanwendungen – DeFi. Im Kern ist das Ziel bei DeFi, das Finanzwesen zu „demokratisieren“, indem große Banken und andere Mittelsmänner ausgeschaltet werden. Laut Carstens, der Bitcoin seit langem kritisch sieht, ist das aber „nicht das, was dezentrale Finanzanwendungen liefern“: „Zwischen Vision und Realität klafft eine große Lücke.“ In der Praxis gebe es „eine Menge Zentralisierung im dezentralen Finanzwesen“. Das liege etwa daran, dass selbstausführende Protokolle oder „Smart Contracts“ darauf angewiesen seien, dass Einzelpersonen den Code schreiben und aktualisieren. Zudem komme Missbrauch hinzu: „Bislang wurde der DeFi-Raum vor allem für spekulative Aktivitäten genutzt“, so Carstens.

Streit über Nutzen

Über Notwendigkeit und Nutzen digitalen Zentralbankgeldes wurde indes auf der Konferenz auch durchaus leidenschaftlich gerungen. So untermauerte der frühere BIZ-Chefökonom Stephen Cecchetti seine kritische Position. Cecchetti befürchtet insbesondere Nachteile für die Finanzstabilität und eine größere Rolle des öffentlichen Sektors in der Kreditallokation. Dagegen verteidigte EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil die Idee. Es gehe darum, in Zeiten zunehmender Digitalisierung weiter Zentralbankgeld anzubieten. „Es wäre womöglich die größere Revolution, nichts zu tun“, so Bindseil.

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