Preise

Deutsche Inflation zieht weiter an

Seit Jahresbeginn hat die Teuerung in Deutschland wie nahezu weltweit kräftig angezogen. Dieser Trend setzt sich auch im August fort. Die Zweifel, dass es nur ein rein vorübergehendes Phänomen ist, nehmen zu.

Deutsche Inflation zieht weiter an

ms Frankfurt

Die Inflation in Deutschland hat im August erneut angezogen und steuert damit weiter auf Werte in Richtung von deutlich mehr als 4% oder gar 5% zu. Im August lag sie gemäß EU-Berechnung bei 3,4% und in nationaler Rechnung bei 3,9%. Das wird die hitzige Debatte in Deutschland über den Inflationsanstieg sicher noch einmal verschärfen – zumal die Teuerung längst den Lohnanstieg übertrifft. Zusammen mit einer unerwartet hohen Inflation in Spanien untermauerten die Daten zudem die Erwartung einer ebenfalls anziehenden Inflation im Euroraum. Eurostat legt am heutigen Dienstag Daten vor. Das dürfte dann auch die Diskussion über den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) anheizen – und das wohl auch intern.

„Teuer-Schock“

Seit Jahresbeginn hat die Teuerung in Deutschland wie nahezu weltweit angezogen. Ob es sich dabei um ein rein temporäres Phänomen handelt oder doch um einen längerfristigen Trend, ist derzeit für Notenbanker, Ökonomen und Marktteilnehmer die alles entscheidende Frage – und heftig umstritten. Die EZB sieht den Preisanstieg als temporär an und macht keine Anstalten, von ihrer sehr expansiven Geldpolitik abzukehren. Die Zweifel und die Kritik an diesem Kurs nehmen aber zu. Längst hat das Thema in Deutschland auch die breite Öffentlichkeit und die Politik erreicht. „Teuer-Schock“ und „Inflation frisst unsere Löhne auf“, titelte am Montag die „Bild“-Zeitung.

Mit den von Destatis am Montag gemeldeten 3,4% gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) erreichte die Inflation im August den höchsten Stand seit dem Jahr 2008. Die 3,9% in nationaler Rechnung bedeuten sogar ein 28-Jah­res-Hoch. Treiber dieser Entwicklung sind insbesondere Basis- und Sondereffekte. So sind etwa die Preise vor einem Jahr im Zuge der Coronakrise eingebrochen und zur Jahresmitte hatte die Bundesregierung temporär die Mehrwertsteuer gesenkt. Zudem schlägt sich nun die neue CO2-Bepreisung nieder.

Zugleich nimmt aber auch der Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Preisstufen deutlich zu. So verzeichneten etwa die Erzeuger- und die Importpreise im Juli die höchsten Stände seit den Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahren. Hintergrund sind auch die Engpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten. Das schürt Zweifel, dass es sich bei dem Inflationsanstieg um ein rein temporäres Phänomen handelt. Unklar ist aber weiter, wie stark das am Ende auf die Verbraucherpreise durchschlagen wird.

Sicher ist indes, dass es bei der Inflationsrate in den nächsten Monaten weiter nach oben gehen dürfte. Die Bundesbank hält im Jahresverlauf gemessen an der nationalen Rate eine Teuerung von bis zu 5% für möglich. Für 2022 erwartet aber auch sie schon wieder niedrigere Raten.

Entscheidend für die Frage, ob die Inflation nur vorübergehend stark steigt, ist insbesondere auch, ob es zu einer Preis-Lohn-Spirale kommt. Das sieht die EZB bislang nicht. Allerdings lassen jüngste Tarifforderungen aus Deutschland einige Beobachter hellhörig werden. Das Narrativ, dass die deutschen Tarifabschlüsse in diesem Jahr gedämpft seien, „gehört der Vergangenheit an“, sagte am Montag etwa Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING: „Die jüngsten Ankündigungen zeigen, dass die Gewerkschaften mit Forderungen in die anstehenden Verhandlungen gehen, die sich an den aktuellen Inflationszahlen und nicht an den Inflationserwartungen orientieren.“

Die Verdienstzuwächse der Millionen Tarifbeschäftigten in Deutschland halten aktuell jedenfalls nicht mehr Schritt mit der steigenden Inflation. Wie Destatis ebenfalls am Montag mitteilte, erhöhten sich die Tariflöhne von April bis Juni um durchschnittlich 1,9% zum Vorjahresquartal. Ohne Sonderzahlungen wie Corona-Boni lag das Plus sogar nur bei 1,4%. Deutlich schneller legten die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum zu, nämlich um 2,4%. Auch im Gesamtjahr könnten die Prei­se schneller steigen als die Löhne.

Für den Euroraum insgesamt wird im August ein Anstieg der Inflation von zuletzt 2,2% auf 2,6% erwartet – zumal nach dem überraschend starken Inflationsanstieg in Spanien im August von 3,3%. Das dürfte auch die Debatte in der EZB über die Teuerung anheizen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt davor, das Risiko einer dauerhaft höheren Inflation auf die leichte Schulter zu nehmen. Dagegen hatte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel erst vor wenigen Tagen gesagt, dass sich die EZB auf längere Sicht eher um eine zu niedrige Inflation sorge.