ExklusivKonjunkturampel steht auf „Grün“

Erstes Halbjahr rettet deutscher Wirtschaft das Ergebnis

Die Konjunkturampel zeigt grünes Licht für den Aufschwung – trotz der Zuspitzung im Zollstreit. Das überraschend gute Ergebnis im ersten Halbjahr und die Ausgabenprogramme der Bundesregierung für Infrastruktur und Verteidigung dämpfen die rezessiven Effekte der US-Handelspolitik.

Erstes Halbjahr rettet deutscher Wirtschaft das Ergebnis

Erstes Halbjahr rettet deutscher Wirtschaft das Ergebnis

Konjunkturampel steht auf „Grün“ – Wachstum von 0,3 Prozent für 2025 erwartet – US-Zollpolitik bremst, führt aber nicht in die Rezession

Die Konjunkturampel zeigt grünes Licht für den Aufschwung – trotz der Zuspitzung im Zollstreit. Das überraschend gute Ergebnis im ersten Halbjahr und die Ausgabenprogramme der Bundesregierung für Infrastruktur und Verteidigung dämpfen die rezessiven Effekte der US-Handelspolitik.

ba Frankfurt

US-Präsident Donald Trump mag mit seiner Zollpolitik den Welthandel durcheinanderwirbeln, aber die deutsche Wirtschaft in ein drittes Rezessionsjahr stoßen? „Eher nicht“, meint Carsten-Patrick Meier, Leiter von Kiel Economics, einer Ausgründung aus dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Konjunkturampel der Börsen-Zeitung und von Kiel Economics taxiert die Rezessionswahrscheinlichkeit für das laufende Jahr nur noch auf 27%. „Grünes Licht für den Aufschwung“ also, wie der Auswertungsalgorithmus zeigt, in den rund 50 Konjunkturindikatoren einfließen.

Trump hat der EU einen Importzollsatz von 30% neben den Einfuhrabgaben von 50% auf Aluminium und Stahl und von 25% auf Autos und Autoteile ab dem 1. August angedroht. Dieser würde den beginnenden Aufschwung „zweifellos merklich belasten“, so Meier. Außenhandelsökonomen setzen für jede Erhöhung des US-Zollsatzes um 10 Prozentpunkte eine Abnahme des deutschen Exports um 0,8% im selben Jahr an, wodurch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann um 0,3 bis 0,4% gedämpft würde.

Gebremster Effekt

Bei einem Zollsatz von 30% ergibt sich ein um etwa 0,8% geringerer Anstieg der hiesigen Wirtschaftsleistung. „Dass der Effekt nicht größer ist, liegt auch daran, dass die aus Deutschland hauptsächlich exportierten Investitionsgüter mithilfe eines relativ großen Anteils importierter Vorleistungen hergestellt werden; werden davon infolge geringerer Exporte weniger bezogen, steigt für sich genommen das BIP“, erklärt Meier.

Der Effekt verteilt sich auf die Kalenderjahre 2025 und 2026, würde der Zoll zum 1. August in Kraft treten. Wegen der relativ hohen gesamtwirtschaftlichen Dynamik des ersten Halbjahrs hätte er auf die durchschnittliche Zuwachsrate des BIP im laufenden Jahr nur noch eine geringe Wirkung, erwartet Meier. Und im kommenden Jahr stünden den rezessiven Effekten der US-Handelspolitik insbesondere die jüngst beschlossenen milliardenschweren Ausgabenprogramme der Bundesregierung für Infrastruktur und Verteidigung entgegen.

Strohfeuer der vorgezogenen Käufe

Der spürbare Tempogewinn der ersten Jahreshälfte verglichen mit dem vorherigen Halbjahr kam für viele Beobachter überraschend. Eine Rolle spielten dabei nicht nur die Vorzieheffekte wegen der drohenden höheren US-Importzölle bei deutschen Herstellern, sondern wohl auch bei Herstellern in anderen Ländern, die auf Vorleistungen aus deutscher Produktion zurückgreifen. Meier verweist hier auf den Anstieg der Gesamtexporte im März von 1,65 Mrd. Euro, der kräftiger ausfiel als allein durch den Sprung der Exporte in die Vereinigten Staaten um 350 Mill. Euro zu erklären wäre. Im April und Mai waren sie dann ähnlich wie die Ausfuhr in die USA rückläufig.

In den kommenden Monaten erwartet Meier vom Export nach diesem Strohfeuer nur wenig Dynamik, selbst wenn der für August angekündigte amerikanische „Basiszoll“ geringer ausfällt. Denn die Unternehmensstimmung in den wichtigsten Handelspartnerländern ist zuletzt wieder etwas trüber geworden und der Euro gegenwärtig sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen merklich teurer als vor der Wahl Trumps. Zudem haben sich die Exporterwartungen im verarbeitenden Gewerbe im Juni wieder eingetrübt.

Gemischte Signale

Die Signale für die weitere Entwicklung der Binnenkonjunktur sind gemischt, nachdem das Bruttoinlandsprodukt schon im Frühjahr wieder etwas langsamer gestiegen sein dürfte als zum Jahresauftakt. Die Auftragseingänge der Industrie bewegten sich auch zuletzt weiter in der Tendenz seitwärts. Bemerkenswert findet Meier dabei „immerhin das deutliche Orderplus, vor allem aus dem Ausland, in der seit längerem kränkelnden Kraftfahrzeugindustrie“.

In der Bauwirtschaft steigen die Auftragseingänge seit ihrem Tiefpunkt Anfang 2024 wieder leicht – und dies nicht nur im Tiefbau, sondern sogar im seit längerem schwächelnden Wohnungsbau. Dort legt das Volumen der Baugenehmigungen, gemessen an der veranschlagten Fläche, seit dem Tiefpunkt im Januar wieder zu. Dies zeigt sich aber noch nicht in der Bauproduktion, die im Mai spürbar zurückgegangen ist. Unterstützung dürfe die Bauwirtschaft durch das in diesem Jahr gesunkene Zinsniveau im Euroraum erhalten. Dies verbilligt Immobilienfinanzierungen.

Niveau noch unterdurchschnittlich

Hoffnungsvoll stimmt Meier, dass sich die Geschäftserwartungen der Firmen der gewerblichen Wirtschaft trotz des Gegenwinds vonseiten der US-Handelspolitik seit Februar kontinuierlich verbessert haben. Ihr langjähriges Durchschnittsniveau haben sie aber noch lange nicht wieder erreicht. In stärkerem Maße gilt dies für die Geschäftslagebeurteilung. Der zyklische Tiefpunkt wurde zwar bereits im Schlussquartal 2024 durchschritten. „Die Verbesserungen seither waren allerdings so gering, dass man die Beurteilung weiter nahe dem Rezessionsniveau verorten muss“, sagt Meier – auch mit Blick auf die erneute Eintrübung im Juni. In diesem waren die Produktionserwartungen im verarbeitenden Gewerbe für die kommenden drei Monate deutlich negativ.

Stagnation im zweiten Halbjahr

Kiel Economics erwartet daher für die zweite Jahreshälfte insgesamt nicht mehr als eine Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Im laufenden Sommerquartal dürfte sie leicht rückläufig sein, um dann zum Jahresende wieder anzuziehen. Im Jahresdurchschnitt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,3% steigen. „Eine Rezession im Sinne eines im Jahresdurchschnitt abnehmenden BIP dürfte angesichts des kräftigen Produktionsplus in der ersten Jahreshälfte mit hoher Sicherheit vermieden werden“, resümiert Meier.

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