Geldpolitik

Euro-Inflation geht durch die Decke

Der Druck auf die EZB wächst: Die Inflation ist auf den mit Abstand höchsten Wert seit Einführung des Euro gesprungen. Der Kampf um die Deutungshoheit im EZB-Rat ist bereits entbrannt.

Euro-Inflation geht durch die Decke

rec Frankfurt

Die Inflationsrate im Euroraum ist im März auf den mit Abstand höchsten Stand seit Einführung des Euro geschossen. Die vom Statistikamt Eurostat gemessenen 7,5% für März stellen nicht nur die bis dato höchste Teuerungsrate von 5,9% aus dem Februar in den Schatten. Die Schnellschätzung toppte zudem die Erwartungen der Analysten bei weitem. Das erhöht einmal mehr deutlich den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), bei der Sitzung Mitte April schneller als bislang avisiert die Zinswende einzuleiten. In Wortmeldungen von Bundesbankchef Joachim Nagel und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane deutete sich sogleich ein Kampf um die Deutungshoheit im EZB-Rat an.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der stark gestiegenen Energiepreise steigt die Inflation von Rekord zu Rekord. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten im Durchschnitt mit 6,6% gerechnet. Nach den Vorgaben aus einzelnen EU-Staaten, insbesondere Deutschland mit 7,6% beim EU-harmonisierten HVPI, hatten manche Analysten zuletzt gar einen Wert Richtung 8% in der gesamten Währungsunion für denkbar gehalten. Selbst zweistellige Raten scheinen nun in den kommenden Monaten möglich. In jedem Fall handelt es sich um einen neuerlichen Inflationsschock für Bürger, Banken und Unternehmen im Euroraum – und mutmaßlich auch für die EZB.

Gleichwohl gab sich EZB-Chefvolkswirt Lane einmal mehr gelassen und warnte vor Schnellschüssen. Es sei wichtig, dass sich die EZB Zeit nehme, sagte der Ire dem Wirtschaftssender CNBC. Es gelte, die nächsten Sitzungen und die in diesem Quartal anstehenden Prognosen zu nutzen, um sich ein umfassendes Lagebild zu verschaffen. Zu der kurz zuvor gemeldeten Jahresrate von 7,5% sagte Lane: „Das ist eine sehr hohe Zahl.“ Nun müssten die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf die Tarifrunden und die Folgen der Teuerung für Haushalte und Firmen analysiert werden.

Neue Prognosen erst im Juni

Eine deutlich besorgtere Tonlage schlug Bundesbankchef Nagel an. In einer Mitteilung ließ Nagel sich mit den Worten zitieren: „Die Inflationsdaten sprechen eine deutliche Sprache. Die Geldpolitik darf nicht die Gelegenheit verpassen, rechtzeitig gegenzusteuern.“ Nagel verband das mit einem Appell für eine rasche Normalisierung der Geldpolitik: „Wir haben im EZB-Rat klar gesagt: Die geldpolitischen Maßnahmen hängen von der Datenlage ab.“ Es ist ungewöhnlich, dass sich der Bundesbankchef mit Veröffentlichung der Daten in einer offiziellen Stellungnahme so deutlich zu Wort meldet.

EZB-Vizechef Luis de Guindos rechnet erst in einigen Monaten mit dem Höhepunkt des Inflationsschubs. Eine umfassend aktualisierte Datengrundlage wird dem EZB-Rat bei der bevorstehenden Sitzung am 13. und 14. April allerdings noch nicht vorliegen. Der EZB-Stab wird seine Schätzungen für Wachstum und Inflation im Juni aktualisieren. Bislang gingen Beobachter davon aus, dass der EZB-Rat erst dann – wie üblich – weiter gehende Beschlüsse fassen wird. Dies könnte sich angesichts der neuen Inflationsdaten ändern. Bereits im März hatte der EZB-Rat überrascht. Unter dem Eindruck des unerwartet starken Preisauftriebs beschloss er, die Anleihekäufe schneller zurückzufahren. Die Entscheidung erstaunte – auch weil sie nach allgemeiner Auffassung den Boden für eine Zinswende noch in diesem Jahr bereitet hat.

Die Rufe danach wurden angesichts des unerwartet kräftigen Preisauftriebs lauter. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer betonte: „Jetzt kommt es darauf an, dass die EZB endlich den Fuß vom Gas nimmt. Ansonsten steigen die Inflationserwartungen weiter, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest.“ Jens Eisenschmidt von der Großbank Morgan Stanley schrieb, der Druck auf die EZB, ihre Geldpolitik stärker zu straffen, steige, zumal die Geldmärkte mehr als zwei Zinserhöhungen um 25 Basispunkte bis Ende 2022 einpreisten. Dann wäre der Negativzins Geschichte.

Haupttreiber der Inflation im März war Energie, die sich im Zuge des Ukraine-Kriegs auf Jahressicht um 44,7% verteuerte, nach 32,0% im Februar. Unverarbeitete Lebensmittel verteuerten sich um 7,8%. Auch die Kernrate ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Lebensmittel stieg stark auf 3,0%. Die EZB peilt glatt 2% an.

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