Geldpolitik

EZB-Chefin demonstriert Entschlossenheit

Binnen weniger als 24 Stunden haben drei der weltweit wichtigsten Zentralbanken über ihren weiteren Kurs entschieden. Die Europäische Zentralbank (EZB) sticht dabei mit ihrem Zinskurs und der demonstrierten Entschlossenheit hervor.

EZB-Chefin demonstriert Entschlossenheit

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat davor gewarnt, den Willen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die zu hohe Inflation zu unterschätzen. „Unsere Entschlossenheit sollte nicht in Frage gestellt werden“, sagte Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung des EZB-Rats in Frankfurt. Das gelte sowohl für die Entschlossenheit, das 2-Prozent-Inflationsziel zu erreichen, als auch für die Entschlossenheit, dafür die Leitzinsen „deutlich und ausreichend“ anzuheben und sie dann lange genug im restriktiven Bereich zu halten. Zuvor hatte der EZB-Rat seine Leitzinsen erneut um 50 Basispunkte angehoben und für März einen Schritt in derselben Größenordnung avisiert.

Bereits nach der Zinssitzung Mitte Dezember und dann beim Weltwirtschaftsforum in Davos Mitte Januar hatte sich Lagarde in ungewöhnlich offener Form gegen die an den Finanzmärkten verbreiteten Markterwartungen gestellt. Viele Investoren gingen zuletzt davon aus, dass die EZB die Leitzinsen weniger aggressiv anheben werde als von ihr avisiert. Vereinzelt wird sogar schon auf Zinssenkungen noch in diesem Jahr spekuliert. Lagardes Intervention am Donnerstag war nun aber weniger deutlich als insbesondere in Davos. Zugleich sandte der EZB-Rat Signale, die Beobachter als Hinweis auf eine mögliche baldige Zinspause und womöglich sogar absehbare Zinssenkungen interpretierten.

Der EZB-Rat beschloss bei seiner Sitzung am Donnerstag zwar, die drei Zinssätze um jeweils 50 Basispunkte anzuheben. Der Leitzins liegt damit nun bei 3,0% und der an den Finanzmärkten aktuell maßgebliche Einlagensatz bei 2,5%. Beides bedeutet den höchsten Stand seit Ende 2008. Wegen der weiter „viel zu hohen“ Inflation erklärte der EZB-Rat zudem seine Absicht, die Leitzinsen im März um weitere 50 Basispunkte anzuheben.

Zugleich hielt sich der EZB-Rat aber mit Blick über den März hinaus sehr bedeckt. Nach der avisierten Zinserhöhung im März werde der Rat bei dem Treffen „eine Bewertung des darauffolgenden geldpolitischen Pfads vornehmen“, hieß es. Das werteten Beobachter als Signal, dass bereits bald Schluss sein könnte mit den Zinserhöhungen. Viele erwarten den Höhepunkt des Zinszyklus derzeit nach einer Zinserhöhung im Mai um 25 Basispunkte bei einem Einlagensatz von dann 3,25%. Einige halten es nun aber sogar für möglich, dass bereits im März bei 3,0% Schluss ist – wenn die Inflation bis dahin weiter deutlich sinkt und die Euro-Wirtschaft weiter schwächelt.

Bereits am Mittwoch, einen Tag vor der Sitzung des EZB-Rats, hatte die Debatte über einen künftig weniger aggressiven EZB-Kurs neue Nahrung erhalten. Die Inflation in der Eurozone war im Dezember überraschend stark von 9,2% auf 8,5% gefallen. Im Oktober hatte sie noch bei 10,6% gelegen. Zum anderen drosselte die US-Notenbank Fed am Mittwochabend ihr Zinserhöhungstempo erneut (siehe Text auf dieser Seite). Allerdings lag die Kernrate der Inflation (ohne Energie und Lebensmittel) im Januar konstant bei 5,2%. Die Kernrate gilt als besserer Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck, und das anhaltend hohe Niveau signalisiert eine Verfestigung des Preisdrucks – wenn auch auf niedrigerem Niveau. Trotzdem erklärte der Rat am Donnerstag, dass die Risiken rund um den Inflationsausblick jetzt ausgewogener seien als zuvor.

Die Befürworter weiterer deutlicher Zinserhöhungen im EZB-Rat verweisen aber auch darauf, dass sich die Euro-Wirtschaft bislang als widerstandsfähiger gegen den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation präsentiert hat als gedacht. Im Schlussquartal 2022 wuchs sie zumindest noch um 0,1%, statt wie erwartet zu schrumpfen. Auch Lagarde hob nun die bessere Konjunkturlage hervor.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters verließen die Notenbanker die Zinssitzung am Donnerstag mit der Erwartung von noch mindestens zwei weiteren Zinserhöhungen. Über das Erhöhungstempo und den zu erreichenden Zinsgipfel bestünden weiter unterschiedliche Auffassungen, zitierte Reuters zwei EZB-Ratsmitglieder. Auf der Grundlage der aktuellen Daten rechneten demnach einige Notenbanker mit einer möglicherweise letzten Anhebung um 25 Basispunkte bei dem Treffen am 4. Mai. Andere wiederum seien der Ansicht, dass die Serie von Anhebungen um 50 Basispunkte fortgesetzt werden solle, so dass der Einlagensatz dann auf 3,5% steigen würde. Manche Währungshüter hätten das als möglichen Zinsgipfel angesehen. Andere hätten eine Fortsetzung der Zinserhöhungen über den Sommer auf ein noch höheres Niveau ins Auge gefasst.

Mehr Klimaschutz

Am Donnerstag beschloss der EZB-Rat zudem die Modalitäten für die Verringerung der Anleihebestände des Staatsanleihekaufprogramms APP. Wie bereits im Dezember angekündigt, wird sich das APP-Portfolio von Anfang März bis Ende Juni 2023 monatlich im Durchschnitt um 15 Mrd. Euro verringern. Das anschließende Tempo des Portfolioabbaus ließen die Notenbanker noch offen. Bei den Ankäufen von Unternehmensanleihen im Rahmen der Wiederanlage wird nun stärker auf Emittenten mit einer besseren Klimaleistung geachtet.