Geldpolitik

EZB-Debatte nimmt gehörig Fahrt auf

Der EZB-Rat steht vor wegweisenden Entscheidungen über seine künftige Geldpolitik. Von den Notenbankern kommen da gegenteilige Botschaften.

EZB-Debatte nimmt gehörig Fahrt auf

ms Frankfurt

In der Debatte über die künftige EZB-Geldpolitik hat sich Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau dafür ausgesprochen, Teile der Flexibilität des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP beizubehalten, wenn PEPP in der Zukunft auslaufen sollte. Der Notenbanker richtete seinen Blick dabei insbesondere auf das parallele Anleihekaufprogramm APP. „APP könnte mehr als durch erhöhte feste Kaufvolumina davon profitieren, dass einige Formen an Flexibilität bei den Käufen über die Zeit hinzugefügt werden“, sagte Villeroy de Galhau laut Reuters bei einer Videokonferenz. Es lohne sich, das zu prüfen, so der Notenbanker.

Dissens im EZB-Rat

Mit seinen Aussagen fordert Villeroy de Galhau einige seiner Kollegen im EZB-Rat heraus und heizt die Diskussion und die Spekulationen über die künftige EZB-Geldpolitik an. Der EZB-Rat steht vor wegweisenden Entscheidungen, weil das PEPP mit einem Volumen von aktuell 1,85 Bill. Euro nach aktuellem Stand Ende März 2022 ausläuft. Die Notenbanker ringen derzeit darum, wie viel Unterstützung dann noch nötig ist, – und sie melden sich mit teils sehr gegensätzlichen Botschaften etwa zur Inflationsgefahr zu Wort. Als ein möglicher Kompromiss bei einem Ende des PEPP gilt eine Aufstockung des APP. Derzeit liegt das monatliche APP-Kaufvolumen bei rund 20 Mrd. Euro. Ob die Flexibilität vom PEPP auf das APP übertragen wird, ist im Rat umstritten. Bundesbankchef Jens Weidmann etwa sieht einen solchen Schritt kritisch.

Das PEPP bietet gegenüber dem APP vor allem in zwei Punkten mehr Flexibilität. So gilt keine Kaufobergrenze wie beim APP, wo diese bei 33% je Anleihe und Emittent liegt. Diese kritische Grenze könnte bei vielen Euro-Staaten bald erreicht sein – weswegen einige Beobachter eine simple Aufstockung des APP nicht als ausreichend betrachten, um Klippeneffekte bei einem PEPP-Ende zu vermeiden. Zudem richten sich die APP-Käufe noch stärker nach dem EZB-Kapitalschlüssel. Unlängst hatte es Berichte gegeben, dass es in der Notenbank Überlegungen für ein ganz neues Programm gebe – samt Vorkehrung, die den Ankauf unabhängig vom Kapitalschlüssel der EZB erlauben würde. Ein EZB-Sprecher hatte daraufhin darauf verwiesen, dass auf unteren Ebenen derzeit viele Optionen diskutiert würden.

„Es könnte sich lohnen zu prüfen, ob und wie zumindest einige Elemente dieser PEPP-Flexibilität in unserem ,virtuellen‘ Werkzeugkasten verbleiben sollten“, sagte Villeroy de Galhau nun am Dienstag. „Ihre bloße Existenz, die theoretische Möglichkeit ihrer Nutzung, würde bedeuten, dass wir sie wahrscheinlich nicht tatsächlich nutzen müssten.“ Dagegen hatte auch der estnische Zentralbankchef unlängst gesagt: „Ich glaube nicht, dass wir die Flexibilität, die es beim PEPP gab, einfach übertragen können.“ Auch andere Notenbanker argumentieren so. Als Problem gelten zudem mögliche Konflikte mit dem Bundesverfassungsgericht.

Mit der Wortmeldung von Villeroy de Galhau setzt sich auch der jüngste Reigen teils gegenteiliger Botschaften von Euro-Notenbankern fort. Allen voran EZB-Präsidentin Chris­tine Lagarde und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane betonen derzeit immer wieder, dass die hohe Inflation vor allem vorübergehend sei und die EZB „nicht überreagieren“, also nicht zu früh die Geldpolitik straffen dürfe. Dazu passen Aussagen über mehr breite Anleihekäufe über das PEPP-Ende hinaus. Andererseits schlagen immer mehr Notenbanker zumindest auch mahnende Töne zur Inflation an. Erst am Montag hatte der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot vor Inflationsrisiken gewarnt. Das hat mit dazu geführt, dass am Geldmarkt nun gar schon eine erste EZB-Zinserhöhung für Dezember 2022 fest eingepreist ist.

Kaufvolumen im Fokus

Angesichts der Konjunkturerholung im Euroraum und der anziehenden Inflation hatte der EZB-Rat allerdings im September entschieden, das Kauftempo bei PEPP im vierten Quartal zumindest „moderat“ zu reduzieren. Am Dienstag gab es nun erste Zahlen für den Oktober, die mit Spannung erwartet worden waren. Die EZB teilte mit, dass das Eurosystem den Nettobestand an PEPP-Papieren in der Woche bis vergangenen Mittwoch um 18,8 Mrd. Euro erhöht hat. Im Vergleich mit den vergangenen Wochen bedeutet das ein eher höheres Kaufvolumen. In der Vergangenheit hatte die EZB aber mehrfach darauf hingewiesen, dass nicht zu viel Fokus auf die Wochenzahlen gelegt werden sollte. Entscheidender seien die monatlichen Daten.

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