Geldpolitik

EZB relativiert Inflationsanstieg

Die Inflation in Euroland ist weiter deutlich höher als erwartet. Das schürt Zweifel an der Lageeinschätzung und der Politik der EZB. Die Notenbank hält nun mit einer neuen Analyse dagegen.

EZB relativiert Inflationsanstieg

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Einschätzung untermauert, dass das Inflationsproblem im Euroraum bei weitem nicht so groß sei wie in den USA – was die Argumentation vieler EZB-Granden stützt, dass auch kein rigides Gegensteuern wie von der US-Notenbank Fed vonnöten sei. Allerdings zeichnet sich zunehmend ab, dass die EZB-Volkswirte ihre Inflationseinschätzung im März erneut revidieren müssen – was diejenigen im EZB-Rat stärken dürfte, die eine raschere Zinswende befürworten.

Weltweit hat die Inflation im Jahr 2021 rasant angezogen und auch zu Jahresbeginn 2022 vielerorts nach oben überrascht. Die US-Notenbank Fed hat deshalb in den vergangenen Wochen eine deutliche Kehrtwende hingelegt und visiert nun eine beispiellose geldpolitische Straffung an. Die EZB ist da deutlich zurückhaltender. Die Euro-Notenbanker verweisen zum einen auf die unterschiedlichen Inflationsniveaus und die unterschiedlichen Treiber. Allerdings stehen Einschätzung und Kurs der EZB zunehmend in der Kritik – vor allem in Deutschland.

In einer am Montag vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht betonen die EZB-Experten nun zum einen, dass die Inflation in den USA weiter deutlich höher sei als in der Eurozone. Tatsächlich war die US-Verbraucherpreisinflation im Januar auf 7,5% geklettert – der höchste Stand seit 40 Jahren. Im Euroraum lag sie bei 5,1%. Allerdings liegt auch das weit jenseits des 2-Prozent-Ziels der EZB, und die Abweichung von der Konsensschätzung von 4,4% war so groß wie kaum je zuvor. Zum anderen verweisen die Experten auf die viel höhere Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) in den USA als Indiz für einen größeren zugrundeliegenden Preisdruck. In den USA liegt diese aktuell bei 6,0%, im Euroraum bei 2,3%. Aber auch das liegt über dem historischen Durchschnitt.

Die EZB-Experten argumentieren zudem, dass die Aufwärtsüberraschung in den USA weitaus größer gewesen sei als im Euroraum. Mit Blick auf Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Consensus Economics sei davon auszugehen, dass die Inflation 2023 im Euroraum unter 2% bleiben werde. Das gelte nicht für die USA. „Die Unsicherheit bezüglich der Inflationsaussichten schien in den Vereinigten Staaten viel größer zu sein“, heißt es in der Analyse.

Zweifel an EZB-Prognosen

Allerdings mehren sich auch im Euroraum die Zweifel daran, dass die Inflation wie von den EZB-Volkswirten im Dezember prognostiziert absehbar wieder unter 2% rutscht. Nach 3,2% für das laufende Jahr hatten sie da für 2023 und 2024 jeweils 1,8% vorausgesagt. Bereits im Dezember hatte es daran teils große Zweifel im EZB-Rat gegeben (vgl. BZ vom 17.12.2021).

Carsten Brzeski, Global Head of Macro der ING, sagte am Montag, dass allein die neuen technischen An­nahmen für die März-Projektionen die Prognosen für 2023 und 2024 näher oder sogar auf 2% heben sollten. „Das wäre ein weiteres Argument für die EZB-Falken“, so Brzeski.