Deutsche Klimaziele

Hoffnung auf ein Effizienzwunder

Die klimapolitischen Ziele Deutschlands sind nach einer Bundesbank-Studie unter den bisherigen Rahmenbedingungen nicht zu erreichen. Muss der CO2-Preis noch stärker steigen? Und was macht das mit der Konjunktur?

Hoffnung auf ein Effizienzwunder

Hoffnung auf ein Effizienzwunder

Deutschlands klimapolitische Ziele sind nach einer Bundesbank-Studie nicht zu erreichen – CO₂-Preis muss steigen

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die Energieintensität der Produktion ist zuletzt deutlich zurückgegangen. Doch um die Emissionsziele zu erreichen, muss die Energieeffizienz noch stärker steigen. Berlin versucht das durch Regulierung. Doch der Fortschritt lässt sich nur mit höheren Energiepreisen erzwingen.

Wenn es um die deutschen Klimaziele geht, ist in der Öffentlichkeit schnell weitgehend Einigkeit zu erzielen – solange die Bekenntnisse abstrakt genug bleiben. Schließlich will niemand den nächsten Generationen einen kaputten Planeten übergeben oder fortwährend mit den desaströsen Folgen des Klimawandels kämpfen, der Sturmfluten, Landverluste, Stürme und verstärkte Trockenheit mit sich bringt. Sobald die Diskussion indes konkreter wird, wird schon differenzierter und empfindlicher darauf reagiert. Etwa im Hinblick auf den deutschen Anteil an den Emissionen im Weltmaßstab. Was kann Berlin tatsächlich erreichen? Und was, wenn andere Länder nicht mitziehen und damit – zumindest temporär – im Wettbewerb von niedrigeren Kosten profitieren, weil der hohe Aufwand für die Transformation entfällt?

Die Größenordnung der Aufgabe ist gewaltig. Laut dem runderneuerten Bundesklimaschutzgesetz müssen in Deutschland bis 2030 noch rund 35% der Treibhausgasemissionen gegenüber 2023 eingespart werden. Und nach 2030 muss es dann in diesem Tempo weitergehen.

Druck über den Energiepreis

Ein Hebel dafür ist die Kostenschraube: Die CO2-Bepreisung soll fossile Energie stetig verteuern, so dass die Unternehmen von sich aus in energiesparende Technologien investieren oder auf regenerative Energien übergehen. Oder sie mindern ihre Produktion, was natürlich nicht intendiert ist, aber eine reale Gefahr darstellt, wie die Bundesbank in einer Studie dargelegt hat: Denn hält die Zunahme der Energieeffizienz nicht mit der Bepreisung Schritt und ziehen die Kosten immer weiter an, kann es zu signifikanten Produktionsverlusten kommen.

Auch aus diesem Grund fährt die Bundesregierung inzwischen zweigleisig und hat noch ein Energieeffizienzgesetz (EnEfG) hinterhergeschickt, mit dem die Wirtschaft auf dem regulativen und behördlichen Weg beim Umbau begleitet wird – böse Stimmen sagen: gezwungen wird –, um den „richtigen“ Effizienzpfad einzuschlagen. Das Regelwerk ist im November 2023 in Kraft getreten.

Noch mehr Bürokratie

Das Gesetz hat bereits bei seiner Beratung massive Kritik nach sich gezogen, zumal es ausgesprochen bürokratisch daherkommt. Um das Reduzierungsziel zu erreichen, werden Unternehmen etwa gezwungen, Energiemanagementsysteme einzuführen. Außerdem werden Umweltpläne und Energie-Audits verlangt. Das alles ist mit massiver Bürokratie verbunden, weil Meldungen abgegeben, Statistiken ausgefüllt und die Einhaltung der Vorgaben protokolliert werden müssen. Zudem droht bei Verfehlungen ein hohes Bußgeld. Ist etwa ein Energiemanagementsystem nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig eingerichtet worden, kann das mit bis zu 100.000 Euro geahndet werden.

„Wachstumskiller“

Ifo-Chef Clemens Fuest sprach bereits von einem „Wachstumskiller“. Wenn Energie knapp und teuer sei, würden Unternehmen auch ohne Regulierung in energiesparende Techniken investieren, mahnte er. Das Problem: Die Energieeffizienz ist nicht per Regulierung zu steigern, sondern das Ergebnis vieler technologischer Prozesse – vor allem das Produkt von Innovationen, die erfahrungsgemäß nicht planbar sind. Und wird zu viel verlangt oder steigen die Preise als Hebel zu mehr Energieeffizienz, führt das zu Wachstumseinbußen oder die Unternehmen verlagern Produktion ins günstigere Ausland. Finanzhilfen oder eingerichtete Netzwerke, wie sie parallel zum Gesetz von der Bundesregierung angeboten werden, wirken nur temporär – oder sind allenfalls für Unternehmen hilfreich, die keine Möglichkeit zur Verlagerung haben.

Schon in normalen Konjunkturphasen sind mehr Bürokratie, zusätzliche gesetzliche Vorgaben und höhere Kosten schwer zu vermitteln, in der gegenwärtigen schwierigen Situation verschlimmern sie die Lage noch mehr, wirken geradezu toxisch. Zudem sind die Vorgaben sehr ambitioniert und mit den gegenwärtigen Technologien nicht so einfach oder gar nicht in der gesetzten Zeitspanne erreichbar.

Zwischen 1991 und 2019 sank die Energieintensität nach der Bundesbankstudie, also die eingesetzte Energie je Produktionsoutput, jährlich um knapp 2%. Ein Wirtschaftswachstum in dieser Größenordnung war also ohne Energiemehrverbrauch möglich. Das Energieeffizienzgesetz verlangt aber eine Senkung des Energieverbrauchs um viel mehr in den verbleibenden knapp sechs Jahren. Bei einem Fortschritt der Energieeffizienz in der bisherigen Größenordnung müsste das Bruttoinlandsprodukt danach deutlich stärker sinken, um die Minderungsziele zu erreichen, was in der Öffentlichkeit wohl kaum vermittelbar wäre.

Technologischer Fortschritt

Oder die Energieeffizienz steigt in bisher unbekannte Größenordnungen. Das erscheint allerdings unrealistisch. Die Fortschrittsrate müsste in jedem Sektor dann schon um das Zweieinhalbfache steigen, was bisher nur in einzelnen Jahren und Sektoren gelungen sei, räumt die Bundesbank ein.

Um das Ziel trotzdem zu erreichen, hält die Bundesbank daher weitere klimapolitische Maßnahmen für unumgänglich. Die CO2-Bepreisung hält sie für zu zahm. „Es erscheint fraglich, ob der derzeit angelegte CO2-Preispfad die dafür nötigen Anreize schafft“, heißt es. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sei mit dem Emissionspreis allenfalls einen Rückgang um 15,7% relativ zu 2023 möglich. Weitere 19,2% müssten dann „mit strikteren Klimapolitikmaßnahmen wie einem stärkeren Anstieg des CO2-Preises“ erzielt werden.

Das könnte allerdings, so die Modellsimulationen, „für eine gewisse Zeit Produktionsverluste nach sich ziehen“, räumen die Ökonomen ein. Begleitet von einem schnelleren energiesparenden technologischen Fortschritt könnte ein höherer CO2-Preis später indes wieder mit Produktionszuwächsen einhergehen, heißt es versöhnlich. Eine höhere Energieeffizienz helfe bei der Entwicklung, verbillige den Energieeinsatz, und die Produktion erhole sich trotz recht steilen CO2-PCO2-Preispfadsreispfads „beträchtlich“. Doch das ist wohl zunächst ein Hoffnungswert. Für viele Unternehmen dürfte die Flucht ins Ausland einfacher ein, als auf mehr Fortschritt zu hoffen.

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