Inflation

Hohes Lohnwachstum verpasst EZB Dämpfer

Das hohe Lohnwachstum bei den Tariflöhnen im ersten Quartal beschert der EZB eine Enttäuschung. Diese versucht die Notenbank in einem Blogbeitrag zu relativieren.

Hohes Lohnwachstum verpasst EZB Dämpfer

Hohes Lohnwachstum verpasst EZB Dämpfer

Gehälter in der Eurozone steigen wieder stärker – Keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht

mpi Frankfurt

Die mit Spannung erwarteten Lohndaten für das erste Quartal fallen enttäuschend aus für die Europäische Zentralbank (EZB) und mahnen zur Vorsicht bei Tempo und Ausmaß der erwarteten Zinswende. Der von der EZB am Donnerstag veröffentlichte Indikator für die Entwicklung der Tariflöhne liegt für die ersten drei Monate des Jahres bei 4,7%. Das ist mehr als im Vorquartal, als sich das Wachstum von 4,7 auf 4,5% verlangsamt hatte.

Die Löhne gelten als eines der großen Aufwärtsrisiken für die Inflation. Die EZB erwartet, dass sich das Lohnwachstum in diesem Jahr verlangsamt. Ein höheres Wachstum als erwartet könnte die Rückkehr zum 2-Prozent-Inflationsziel der EZB verzögern, auch wenn es keine Anzeichen für eine zwischenzeitlich befürchtete Lohn-Preis-Spirale gibt.

Die Notenbank, wie auch eine Mehrheit der Ökonomen, geht davon aus, dass die Inflation in der Eurozone in den kommenden Monaten ein Auf und Ab hinlegen wird, ehe sich die Teuerung dann weiter dem Zielwert annähert und bis spätestens 2025 nachhaltig auf 2% fällt. „Aber es gibt einige Risiken: Wie sich die Löhne entwickeln und was mit der Produktivität, den Lohnstückkosten und den sinkenden Gewinnmargen geschieht, das sind dabei die wichtigsten Faktoren“, mahnte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der „Oberösterreichischen Nachrichten“.

Bundesbank mahnt zur Vorsicht

Die Bundesbank warnte in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Monatsbericht Mai vor Risiken für den Disinflationsprozess. Dabei verwies sie explizit auf die Entwicklung der Gehälter. „So fiel das Lohnwachstum zuletzt kräftiger als erwartet aus“, heißt es. „Dadurch könnte insbesondere der immer noch hohe Preisdruck bei Dienstleistungen länger anhalten.“

Das höher als erwartet ausgefallene Lohnwachstum dürfte die EZB nicht von der fest avisierten ersten Zinssenkung im Juni abbringen. Es könnte jedoch dazu führen, dass die Notenbank beim Tempo der Zinswende einen vorsichtigen Ansatz wählt. Innerhalb der EZB gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie stark und schnell die Zinsen sinken sollten.

Ein Lager hält die Geldpolitik, auch aufgrund der sich nur langsam erholenden Konjunktur, für deutlich zu restriktiv. Diese Notenbanker hätten die Leitzinsen daher am liebsten bereits im April gesenkt. Nun plädieren sie teilweise für zwei rasche Lockerungen in Folge. Nach der Zinssenkung im Juni, für die es einen breiten Konsens im EZB-Rat gibt, solle eine zweite direkt im Juli folgen. Andere Notenbanker haben es hingegen weniger eilig und mahnen angesichts der Aufwärtsrisiken für die Inflation zur Vorsicht. Das kräftige Lohnwachstum dürften sie nun als eine Bestätigung für ihre Position sehen.

EZB erwartet weiter einen Rückgang beim Lohnwachstum

Wie aus einem am Donnerstag veröffentlichten Blogbeitrag der EZB hervorgeht, erwartet die Notenbank jedoch weiterhin, dass sich das Lohnwachstum 2024 verlangsamen wird. Darauf deute unter anderem der Lohn-Tracker der irischen Notenbank hin. Dieser analysiert inserierte Stellenangebote im Euroraum. Bei diesem Lohnindikator ist die Wachstumsrate von 5,1% im Oktober 2022 auf zuletzt 3,4% im April gefallen. „Die heute veröffentlichten Daten passen der EZB offensichtlich nicht ins Konzept“, urteilt Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. Daher versuche die EZB den Anstieg des Tariflohnindikators im ersten Quartal über alternative Indikatoren zu relativieren.

Insgesamt gilt der EZB ein Lohnwachstum von 3% als vereinbar mit dem mittelfristigen Inflationsziel von 2%. So oder so müsste daher das derzeit kräftige Lohnwachstum durch eine niedrige Teuerung in anderen Bereichen kompensiert werden, damit die Inflation von aktuell 2,4% wieder nachhaltig auf 2,0% fällt.

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