Konjunktur

Industrie schafft Produktionsplus

Die deutsche Industrie hat trotz der anhaltenden Materialknappheiten im Juli etwas mehr hergestellt als erwartet. Die erst zweite Produktionsausweitung in diesem Jahr ist dennoch keine Trendwende. Finanzmarktprofis schrauben derweil die Erwartungen ebenfalls zurück.

Industrie schafft Produktionsplus

ba Frankfurt

Die unerwartet kräftige Produktionsausweitung im Juli und der vierte Rückgang der ZEW-Konjunkturerwartungen in Folge signalisieren, dass die deutsche Wirtschaft den eingeschlagenen Wachstumskurs fortsetzen wird, allerdings wird die Dynamik zum Jahresende hin deutlich zurückgehen. Insbesondere der Chipmangel in der Automobilindustrie, die Ressourcenknappheit am Bau sowie die Sorgen über die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie verstärken die zuletzt aufgekommene Skepsis über die weitere konjunkturelle Entwicklung – sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone.

Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) kletterte hierzulande die Gesamtfertigung von Industrie, Bau und Energieversorgern im Juli um saison- und kalenderbereinigt 1,0% zum Vormonat. Ökonomen hatten zwar die erst zweite Produktionsausweitung in diesem Jahr nach März erwartet, hatten allerdings im Schnitt nur ein Plus von 0,7% auf dem Zettel. Zudem revidierten die Wiesbadener Statistiker den Rückgang vom Juni von den zunächst gemeldeten 1,3% auf 1,0% nach oben. Für den Vorjahresvergleich notiert Destatis einen Zu­wachs von 5,7%. Im Vergleich zu Februar 2020, dem letzten von der Coronakrise unbelasteten Monat, lag die Produktion 5,5% niedriger.

Das Bundeswirtschaftsministerium bescheinigte dem verarbeitenden Gewerbe nach dem Produktionsminus im zweiten Vierteljahr einen „freundlicheren Start in das dritte Quartal“. Die gewichtigen Bereiche Maschinen- sowie Automobilbau hätten die Fertigung ausgeweitet, und der Ausstoß im Baugewerbe liege weiter auf hohem Niveau. Die Wiesbadener Statistiker berichteten, dass die Industrie im engeren Sinne 1,3% mehr fertigte, während die Bauaktivität um 1,1% zulegte. Die volatile Energieerzeugung hingegen ging um 3,2% zurück.

Ökonomen erwarten jedoch, dass die Produktion im August bereits wieder zurückgeht: Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, verweist auf die „verhältnismäßig schwach ausgefallenen“ August-Daten des Automobilindustrieverbandes VDA. Eine nachhaltige Wende bei der Produktion, so mahnt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen, „wird es erst geben, wenn die Engpässe bei den Vorprodukten überwunden sind“. Von einer raschen Besserung gehen Ökonomen derzeit nicht aus. Etwas optimistischer zeigt sich in dieser Hinsicht aber das Wirtschaftsministerium, das bei den Lieferengpässen den „Tiefpunkt nun überwunden“ sieht. Ein ähnliches Ergebnis zeigen die vom Ifo-Institut erhobenen Produktionserwartungen – wegen der Hoffnung, dass sich die Knappheitsprobleme „in den kommenden Monaten auflösen“, kletterte das Barometer um 4 auf 27 Punkte, einen „sehr hohen Wert im langfristigen Vergleich“, wie Ifo-Experte Klaus Wohlrabe betonte.

Auch die ZEW-Konjunkturerwartungen wurden im September von den Spannungen in den Lieferketten gedämpft. Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Analysten und institutionellen Anleger blicken so skeptisch auf die Wirtschaft wie seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 nicht mehr. Der Indikator, der im Mai noch den höchsten Stand seit gut zwei Dekaden erreicht hatte, ist seitdem stetig gesunken – im September um 13,9 auf 26,5 Punkte. Die Finanzmarktprofis gingen zwar noch von einer weiteren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage aus, jedoch haben sich „das erwartete Ausmaß und die Dynamik der Verbesserung inzwischen erheblich reduziert“, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Der Lageindikator hingegen klettert seit Februar 2021 kontinuierlich, aktuell um 2,6 auf 31,9 Punkte. „Die Weichen sind auf Abkühlung ge­stellt“ prognostiziert Gitzel. Im Schlussquartal werde es nach üppigem Wachstum im zweiten und dritten Quartal „lediglich Magerkost geben“.

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