Konjunktur

Inflation erhitzt die Gemüter

Der EZB-Rat ist aktuell mit einem Dilemma konfrontiert: Einerseits schwächelt die Euro-Wirtschaft etwas. Andererseits hält sich die hohe Inflation hartnäckig. Die Sorgen nehmen zu – auch unter den Euro-Hütern.

Inflation erhitzt die Gemüter

ms Frankfurt

Unmittelbar vor der Veröffentlichung wichtiger Inflationszahlen für den Euroraum und Deutschland haben neue Teuerungssignale und Prognosen von Volkswirten Inflationssorgen weiter angeheizt. So wurde am Freitag bekannt, dass sich die deutschen Importpreise im Oktober erneut stärker verteuert haben als erwartet, und zwar um 21,7% – was das größte Plus auf Jahressicht seit der zweiten Ölkrise Anfang der 1980er Jahren bedeutet. Zudem warnte die Commerzbank in ihrem neuen Jahresausblick vor ei­ner langfristig deutlich höheren Inflation.

Am Montag und Dienstag werden erste Schätzungen für die Inflation im Euroraum und in Deutschland im November vorgelegt. Erwartet wird ein neuerlicher deutlicher Anstieg. Für Deutschland beläuft sich die Konsensschätzung laut Bloomberg für den EU-harmonisierten HVPI auf 5,5% – nach 4,6% im Oktober. Für den Euroraum beläuft sich die Schätzung auf 4,4% – gegenüber 4,1% im Vormonat. Die jeweils höchsten Schätzungen liegen mit 5,9% und 4,7% deutlich darüber.

Die neuen Inflationsdaten dürften wiederum die Debatte über die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) anheizen und auch Einfluss auf die Stimmungslage im EZB-Rat haben. Zuletzt hatten die warnenden Stimmen von Seiten der Notenbanker zugenommen, allen voran von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel. Sie sprach von Aufwärtsrisiken für die Inflation. Bislang geht der EZB-Rat aber noch davon aus, dass der Inflationsanstieg im Wesentlichen nur temporär ist.

Kontroversen im EZB-Rat

Der Debatte kommt besondere Bedeutung zu, weil der EZB-Rat vor zentralen Weichenstellungen steht. Für die Sitzung im Dezember hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde wichtige Entscheidungen angekündigt. Als nahezu ausgemacht gilt, dass das 1,85 Bill. Euro umfassende PEPP-Programm im März 2022 beendet wird. Unklar ist aber, wie es danach weitergeht – ob etwa das parallele Anleihekaufprogramm APP aufgestockt wird. Heftig umstritten im EZB-Rat ist vor allem auch die Frage, ob und wie die PEPP-Flexibilität er­halten werden soll.

Am Freitag nun verstärkte zunächst die Meldung von Destatis zu den deutschen Importpreisen Zweifel und Befürchtungen, dass der Inflationsanstieg nicht nur von kurzer Dauer sein könnte. Der starke Anstieg von 21,7% übertraf die Erwartungen von Volkswirten von im Schnitt lediglich 19,6% deutlich. Im September hatte das Plus bei 17,7% gelegen. Der starke Oktober-Anstieg ging nun erneut vor allem auf die rasant steigenden Kosten für Energie zurück: Deren Einfuhr verteuerte sich um 141,0% im Vergleich zum Oktober 2020. Experten erwarten, dass die erhöhten Kosten bei den Einfuhren auch auf die Verbraucherpreise durchschlagen werden.

Das Münchener Ifo-Institut meldete zudem am Freitag, dass derzeit so viele Firmen in Deutschland ihre Preise erhöhen wollen wie nie zuvor. Der entsprechende Index der Ifo-Preiserwartungen sei auf 45 Punkte gestiegen – ein neuer Rekordwert seit Beginn der Umfragen. Im Vormonat lag der Wert bei 41 Punkten. Das Ifo-Institut fragt Firmen nach Plänen für Preiserhöhungen in den kommenden drei Monaten. „Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Verbraucherpreise“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. Das Ifo-Institut erwartet nun eine Inflationsrate von 3% in diesem Jahr und 2,5 bis 3% im Jahr 2022.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnte am Freitag bei Vorlage des Jahresausblicks 2022: „Mit dem Coronavirus ist die Inflation zurückgekehrt. Langfristig droht eine deutlich höhere Inflation, auch wenn die Teuerungsraten 2022 sinken dürften“, sagte er. „Im Kielwasser der Pandemie dürfte in den nächsten Jahren weiter zu viel Liquidität in den Umlauf kommen.“ Er verwies zudem auf den sinkenden Anteil der Arbeitsbevölkerung in vielen Weltregionen, den Klimawandel und den Rückbau der Globalisierung.

Neue Daten der EZB zu den Geldmengen zeigten am Freitag, dass die breit gefasste Geldmenge M3 im Oktober um 7,7% zugelegt hat – etwas stärker als zuvor und als erwartet. Zugleicht zog das Wachstum der Firmenkredite leicht auf 2,5% an – was als erfreuliches Signal für die Euro-Wirtschaft angesehen wird.

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