Trotz nachlassendem Preisdruck

Inflationserwartungen steigen auf höchsten Stand seit über einem Jahr

Die Inflation im Euroraum lässt seit Monaten nach, die Inflationserwartungen der Verbraucher steigen dagegen. Für die EZB kann dieser Trend zum Problem werden.

Inflationserwartungen steigen auf höchsten Stand seit über einem Jahr

Inflationserwartungen steigen und steigen

mpi Frankfurt

Die Inflation im Euroraum lässt nach und könnte im Mai sogar knapp unter den Zielwert der EZB von 2% sinken. Die Verbraucher rechnen dennoch mit einer deutlich erhöhten Teuerung in einem Jahr. Ihre Inflationserwartungen für diesen Zeitraum legten von 2,9 auf 3,1% zu, wie aus dem Consumer Expectation Survey der EZB hervorgeht. Dies ist der höchste Stand seit Februar 2024.

Damit setzt sich der Trend fort, dass die Inflationserwartungen für in zwölf Monaten steigen. Ökonomen hatten hingegen einen Rückgang auf 2,8% erwartet. Die Prognose der Konsumenten für die Teuerung in drei Jahren blieb dagegen stabil bei 2,5%. Seit kurzem fragt die EZB auch die langfristigen Erwartungen ab: In fünf Jahren liegt die Inflation im Euroraum laut der Vorhersage der Verbraucher bei 2,1%.

Selbsterfüllende Prophezeiung

An der Online-Umfrage nahmen rund 19.000 Menschen aus elf verschiedenen Euro-Ländern teil. Die EZB hat die Inflationserwartungen von Verbrauchern, aber auch von Unternehmen, genau im Blick. Hohe Prognosen können zu selbsterfüllenden Prophezeiung werden, wenn die Haushalte und Firmen ihr Ausgabeverhalten entsprechend anpassen.

Die EZB selbst sieht sich auf einem sehr guten Weg, die Inflation in der Nähe ihres Zielwerts zu stabilisieren. Dementsprechend steuert sie auf eine weitere Zinssenkung kommende Woche Donnerstag zu. Es wäre die achte Lockerung um 25 Basispunkte seit Juni 2024. Wie der mittelfristige Inflationsausblick der Ökonomen der nationalen Notenbanken im Euroraum aussieht, werden die neuen Projektionen zu Wirtschaftswachstum und Inflation zeigen. Diese veröffentlicht die EZB im Rahmen ihres Zinsentscheides.

Wird die Geldpolitik demnächst expansiv?

Die Ergebnisse dessen könnten maßgeblich Einfluss darauf nehmen, ob die Zentralbank im Juli ein weiteres Mal senkt oder dann eine Zinspause einlegt. Im EZB-Rat gehen die Meinungen auseinander, ob der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz von derzeit 2,25% in diesem Jahr auf unter 2% sinken soll. Sollte es dazu kommen, dürfte die Geldpolitik expansiv wirken, die Konjunktur in der Eurozone also stimulieren, was wiederum den Inflationsdruck erhöht.

Angesichts des Zollkonflikts zwischen den USA und unter anderem der EU halten einige EZB-Ratsmitglieder eine expansive Geldpolitik für möglicherweise angebracht. Alleine die Unsicherheit über die Höhe und Dauer der Zölle schwächt die wirtschaftliche Aktivität im Euroraum ab.

Warnung vor Inflationsrisiken

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer mahnt die EZB bei der Lockerung der Geldpolitik dennoch zur Vorsicht. Er hält sogar die erwartete Zinssenkung in der kommenden Woche für falsch. „Höhere Zölle und De-Globalisierung sprechen im Euroraum langfristig für eine höhere Inflation“, sagte er. „Darüber hinaus gibt es weitere strukturelle Inflationstreiber, die die EZB nicht ausblenden darf.“

Dazu zählt er den demografischen Wandel, der das Lohnwachstum verstärken dürfte, die Auswirkungen des Klimawandels und der grünen Transformation der Wirtschaft sowie höhere Fiskalausgaben im Euroraum. „All dieser Inflationsrisiken sind sich die Bürger bewusst“, meint er. Deshalb seien die Inflationserwartungen der Verbraucher auch so hoch.

Deutsche Importpreise fallen

Einen aktuell abnehmenden Inflationsdruck in Deutschland signalisieren die Importpreise. Im April sind sie im Vormonatsvergleich so stark gesunken wie seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 nicht mehr. Fallende Energiepreise haben dazu geführt, dass der Rückgang der Einfuhrpreise bei 1,7% liegt. „Die fallenden Importpreise sind rundweg positiv für die deutsche Industrie“, sagte Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB). „Sie geben der EZB mehr Spielraum für Zinssenkungen und erlauben es den Unternehmen daher perspektivisch, bei den kurzfristigen Kapitalkosten zu sparen. Und sie verbilligen die Einkäufe von Unternehmen.“