Länderratings

Inflationsexperi­ment treibt Staatsschulden

Während der Coronakrise haben Notenbanken und Industriestaaten Programme von nie dagewesenem Ausmaß beschlossen, um die Folgen der Krise zu mildern. Das hat die Erholung zwar beschleunigt, doch das Zurückschrauben ist politisch heikel.

Inflationsexperi­ment treibt Staatsschulden

ast Frankfurt

Die Staaten haben während der Coronakrise ihre ohnehin bereits rekordhohen Schuldenberge weiter erhöht. Vielerorts wurden umfangreiche Unterstützungsprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur beschlossen. Doch wenn die Staaten diese nicht rechtzeitig zurückfahren, drohen ihnen Einbußen bei der Bewertung ihrer Bonität. Das geht aus der Länderstudie von Independent Credit View (I-CV) hervor, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Die Rückkehr in die Normalität ist jedoch heikel: Wird der richtige Zeitpunkt verpasst, riskieren die Staaten die Erholung – oder eine Überhitzung.

Die Hoffnung, dass sich das weitere Anwachsen der Staatsschulden auf das Coronajahr beschränken würde, hat sich nicht erfüllt. Die Ausläufer der Pandemie sind auch 2021 deutlich zu spüren. Viele Staaten hatten im Frühling 2020 zur Linderung der Krisenfolgen umfassende Programme aufgelegt. So wurden Arbeitslosengelder aufgestockt, Kurzarbeit ermöglicht, Unternehmens- und Einkommensteuern gestundet oder Konkurs-Moratorien ausgesprochen. Entgegen den Erwartungen vieler Ökonomen wurden diese Maßnahmen weit ins Jahr 2021 verlängert. Allerdings mit ungleichen Auswirkungen: Länder mit robusten Haushalten erholen sich schneller als solche, die bereits vor der Pandemie eine hohe Verschuldung aufwiesen.

Diese ungleiche  Entwicklung zeigt sich weltweit. Während etwa in Asien neue Infektionsherde die Aussicht auf eine weitere Erholung trüben – und wie in China zu neuen Einschränkungen führen –, kaufen sich die USA aus der Krise. Auch Europa ist zweigeteilt: Die bilanzstarken Nordländer schütteln die Folgen der Pandemie ab, während die stark vom Tourismus abhängigen Südländer herbe Rückschläge verzeichnen. Hoffnung macht hier – etwa in Spanien und Portugal – die hohe Impfquote.

Die Haushalte vieler Staaten stehen jedoch auf wackligen Beinen. Die Zinsen sind historisch niedrig, eine neue Verschuldung ist dementsprechend verhältnismäßig günstig. Die Programme zur Konjunkturstimulation zeigen zudem vielerorts Wirkung. Der Arbeitsmarkt etwa in Europa und den USA ist erstaunlich stabil, das Wirtschaftswachstum weist deutliche Aufholeffekte nach der Krise auf. Doch neuerliche ökonomische Schocks wie die unerwartet anhaltend hohe Inflation und das schwächelnde Wachstum in China könnten die positive Dynamik ausbremsen.

Bei der Bewältigung der Pandemiefolgen spielten die Notenbanken eine zentrale Rolle. Ihre Bilanzen sind auf neue Rekordstände angewachsen. Bei der Fed hat sich die Bilanz verdoppelt, die EZB ist nah dran. Durch die Geldschwemme waren die Konjunkturstimuli für die Staaten stemmbar. Langfristig belasten sie die Staatshaushalte aber. Sie müssen wieder zurückgefahren werden. Die Autoren der Studie sehen hier eine gefährliche Zweischneidigkeit: Ein zu frühes Zurückfahren der Stimuli würde die Erholung gefährden, ein zu spätes zu Überhitzung führen. Nur: Derart hohe Staatsschulden lassen sich nicht langfristig rechtfertigen – jedenfalls nicht ohne Einbußen für die Bonität.

Seit der letzten Länderstudie hat sich mit Dänemark nur ein Land im direkten I-CV-Rating von 51 Staaten verbessert, mit Island und Malaysia wurden zwei Länder herabgestuft. Insgesamt bleiben die Bonitätsbewertungen der meisten Staaten bei I-CV relativ stabil. Der Grund: Die negativen Konsequenzen für Unternehmen, Haushalte und Länder werden durch die unterstützende Fiskal- und Geldpolitik aufgeschoben.

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