„Grüne“ Geldpolitik

Klimaschützer setzen EZB unter Druck

Laut einem Rechtsgutachten sieht Greenpeace die Notenbanken in der Pflicht, Klimarisiken stärker zu berücksichtigen – und stellt juristische Schritte in Aussicht.

Klimaschützer setzen EZB unter Druck

rec Frankfurt

Die Klimaschutzorganisation Greenpeace sieht die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bundesbank in der Pflicht, Klimarisiken stärker in der Geldpolitik zu berücksichtigen – und droht andernfalls mit juristischen Schritten. Sie stützt ihren Vorstoß, der im Wesentlichen Käufe von Unternehmensanleihen betrifft, auf ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. Darin kommt die Rechtsanwältin Roda Verheyen, die federführend an der erfolgreichen Klimaklage gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt war, zu dem Schluss: „Es ist zulässig und geboten, klimarelevante Kriterien bei der Geldpolitik der EZB zu Grunde zu legen.“ Greenpeace-Ökonom Mauricio Vargas fordert: „Die Notenbank muss aktiv werden.“

Mit dem Rechtsgutachten erhöht Greenpeace den Druck auf die Euro-Währungshüter, sich angesichts der laufenden Strategieüberprüfung zu einer aktiveren Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu bekennen (siehe Schwerpunkt Seite 7). Eine stärkere Berücksichtigung klimabezogener Kriterien ist im EZB-Rat und unter Ökonomen umstritten. Zuletzt hat sich der in Sachen grüne Geldpolitik besonders kritische Bundesbank-Chef Jens Weidmann da­hingehend etwas offener gezeigt (vgl. BZ vom 5. Juni). Vargas er­kennt: „Die Bundesbank bewegt sich, aber in kleinen Schritten.“

Mit dem neuerlichen Vorstoß zielt Greenpeace im Kern auf das seit 2015 laufende EZB-Programm zum An­kauf von Unternehmensanleihen. Im Zuge des Corporate Sector Purchase Programme (CSPP) hat das Eurosystem aus EZB, Bundesbank und den anderen nationalen Notenbanken Papiere im Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro er­worben. Gegenwärtig halten EZB und Co. via CSPP Unternehmensanleihen im Wert von 279 Mrd. Euro. Dabei sind Studien zufolge Papiere von Unternehmen und Branchen mit eher klimaschädlichen Geschäftsmodellen überrepräsentiert. Ein wesentlicher Grund ist, dass solche Unternehmen einen relativ hohen Kapitalbedarf haben. Klimaschützer fordern ein Ende dieser „Unwucht“.

Konkret verlangen nun Vargas und Verheyen, dass die EZB ihre Leitlinien für die Geldpolitik um Klimarisiken ergänzt. Diese müssten auf einer Stufe mit Erwägungen wie Finanzstabilitätsrisiken und dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung stehen. Sie widersprechen der Auffassung, das Primärmandat der Preisstabilität sei mit einem solchen Vorgehen unvereinbar. Verheyen leitet dies aus einer Reihe von Normen zu Klima- und Umweltschutz in den europäischen Verträgen, der Europäischen Grundrechtecharta und dem Pariser Klimaabkommen her. Diesen sei die EZB als EU-Organ verpflichtet. Verheyen konstatiert, „dass die EZB Klimarisiken berücksichtigen darf und wahrscheinlich sogar muss“.

Ein solcher Schritt hätte weitreichende Folgen über Anleihekäufe hinaus, beispielsweise im Umgang mit Kreditsicherheiten, die Banken für den Zugang zu Zentralbankgeld hinterlegen müssen. Greenpeace drängt den EZB-Rat, die Leitlinien bis zum Abschluss der Strategieüberprüfung anzupassen, und hält sich mehrere Klagewege offen. Vorbild ist eine Klimaklage der Umweltorganisation Client Earth gegen die Zentralbank Belgiens, die bald den Europäischen Gerichtshof beschäftigen dürfte.