Konjunktur

„Komplette Kehrtwende“ in der US-Industrie

Zwar hat der Inflationsdruck nachgelassen, auch zeichnet sich bei Lieferkettenstörungen eine gewisse Entspannung ab. Dennoch hat sich in den USA im verarbeitenden Gewerbe die Stimmung weiter eingetrübt.

„Komplette Kehrtwende“ in der US-Industrie

det Washington

 In der amerikanischen Industrie ist nicht mehr viel übrig vom Aufschwung nach der Coronakrise. Sehe man von den Lockdowns während der Pandemie ab, berichteten Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe von dem „schwierigsten geschäftlichen Um­feld seit 2009“, also zu Zeiten der Weltfinanzkrise: So ordnet Chris Williamson, Chefökonom von S&P Global, die jüngsten Einkaufsmanagerumfragen seines Instituts ein.

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global ist im Juli um 0,5 Zähler auf 52,2 Punkte gefallen. Das entspricht den Markterwartungen. Die erste Schätzung für den PMI hatte bei 52,3 Punkten gelegen. Die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe schlägt sich auch in dem einschlägigen Bericht des Institute for Supply Management (ISM) nieder. Dieser rutschte im Juli um 0,2 Prozentpunkte auf 52,8% und erreichte damit den tiefsten Stand seit 25 Monaten.

Der Wachstumsschub, der im Frühjahr zu beobachten war, habe eine komplette Kehrtwende ge­macht, so Williamson. „Die höheren Lebenshaltungskosten sind der meistgenannte Grund für die sinkenden Verkaufszahlen und die insgesamt schlechteren Aussichten“. Schwächere Nachfrage führte dazu, dass die Produktion zum ersten Mal seit Juni 2020 schrumpfte. Die Neuaufträge, die nun zwei Monate in Folge nachgegeben haben, rutschten so weit ab wie zuletzt vor mehr als zwei Jahren. Als Gründe dafür werden andauernde Störungen in globalen Lieferketten ebenso wie Preiserhöhungen genannt. Auch wiesen die Neueinstellungen den geringsten Anstieg seit einem halben Jahr auf. Befragte Unternehmen berichteten insbesondere von Problemen, geeignete Fachkräfte für offene Positionen zu finden.

Als positiv hob Williamson die Tatsache hervor, dass sich die Lieferkettenstörungen trotz Problemen etwas entspannt hätten. Das verringerte den Anstieg der Inputpreise, und die Inflationskomponente wies den geringsten Anstieg seit fast eineinhalb Jahren auf. Obwohl die Inflation im historischen Vergleich weiterhin auf einem hohen Niveau verharrt, sieht der Experte darin immerhin ein weiteres Signal dafür, dass die Teuerungsrate in den USA womöglich ihren Höhepunkt erreicht hat.

Preise steigen weniger stark

Trotz der etwas geringeren Inflation haben Sorgen über die künftigen Konjunkturaussichten die Stimmung in der Branche weiter gedrückt. Die Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten schätzen Unternehmen nämlich so schlecht ein wie zuletzt im Oktober 2020. Ähnliches zeigt der ISM-Index: Sowohl die Produktionskomponente als auch die Auftragseingänge gaben gegenüber Juni nach. Der Unterindikator für Beschäftigung deutete den dritten Monat in Folge auf Kontraktion hin. Anlass zum Optimismus gab der starke Preisrückgang. Die Inflationskomponente des Index fiel um 18,5 Prozentpunkte auf 60,0%.

Gepaart mit dem zweiten aufeinanderfolgenden Quartal negativen Wachstums sehen Experten in den Zahlen weitere Vorboten einer möglichen Rezession. Schließlich hatte die US-Notenbank sowohl im Juni als auch Mai schrumpfende Produktion im verarbeitenden Gewerbe gemeldet und dürfte im Juli einen weiteren Rückgang feststellen.

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