Lagarde gegen lange Festlegung der EZB
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach Ansicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Dezember den Finanzmärkten mehr Klarheit verschaffen über den weiteren geldpolitischen Kurs – das aber, ohne sich allzu lange festzulegen. Lagarde äußerte sich am Freitag auf der Konferenz Reuters Next entsprechend. Dabei untermauerte sie zugleich trotz zunehmender Kritik die Einschätzung, dass die aktuell rekordhohe Inflation im Euroraum ein vorübergehendes Phänomen sei.
Die Aussagen schüren Einschätzungen, dass der EZB-Rat zwar im Dezember das Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP beschließen dürfte, sich darüber hinaus aber möglichst viele Optionen offenhalten möchte. Darauf hatte unlängst bereits das Protokoll der Oktober-Zinssitzung hingedeutet (vgl. BZ vom 26. November). In eine ähnliche Richtung hatten sich zuvor auch einige Notenbanker geäußert – so etwa auch Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 23. November).
Für die Zinssitzung am 16. Dezember hatte Lagarde wichtige Entscheidungen avisiert. Die EZB steckt jetzt aber in einem Dilemma: Einerseits ist die Inflation im November auf den Rekordwert von 4,9% gesprungen – was an sich für einen schnelleren Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik spricht. Andererseits hat die Wirtschaft aber schon wieder an Schwung verloren. Zudem erhöht aktuell die Corona-Mutante Omikron die Konjunkturunsicherheit. Einige Auguren befürchten sogar schon wieder eine erneute Rezession. Das spricht eher für eine anhaltende geldpolitische Unterstützung.
Lagarde sagte nun, dass die EZB den Finanzmärkten Mitte des Monats Orientierung über ihren weiteren geldpolitischen Kurs geben werde. Es gehe darum, etwas mehr Klarheit zu schaffen, sagte sie. „Ansonsten würden wir nur Unsicherheit auf Unsicherheit folgen lassen“, sagte sie auf der Konferenz. Sie neige aber dazu, dass sich die EZB noch nicht zu lange festlege. Im EZB-Rat war zuletzt eine zunehmende Kontroverse über die hohe Inflation und die angemessene geldpolitische Reaktion entbrannt. Einige Notenbanker scheuen dem Vernehmen nach zu viele Festlegungen über das PEPP-Ende hinaus.
Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau hatte im Interview gesagt: „Was die generelle Ausrichtung unserer Geldpolitik angeht, gibt es meines Erachtens einen breiten Konsens in unserem EZB-Rat.“ Für ihn gebe es nun zwei Schritte. „Erstens: Wir müssen aus unseren bewährten Kriseninstrumenten aussteigen – so wie es andere große Zentralbanken auch tun. Das gilt für das PEPP und für das derzeitige TLTRO-Programm. Danach werden wir in einem zweiten Schritt damit beginnen, unsere geldpolitische Akkommodierung allmählich anzupassen.“ Dann gehe es um das parallele Anleihekaufprogramm APP, um die Leitzinsen und um die Reinvestitionen. Zeitpunkt und Tempo dieses zweiten Schritts müssten aber offen bleiben, so der Notenbanker.