Lohnentwicklung vergrößert Spielraum für Zinssenkungen der EZB
Lohnentwicklung vergrößert Spielraum für Zinssenkungen
Tariflöhne im Euroraum wachsen deutlich schwächer als zuletzt – Ermutigendes Signal für die Dienstleistungsinflation
mpi Frankfurt
Das Lohnwachstum in der Eurozone hat sich zum Jahresstart deutlich abgeschwächt. Die Tariflöhne legten im ersten Quartal nach EZB-Daten vom Freitag um 2,4% zu. In den beiden vorangegangenen Drei-Monats-Abschnitten waren die Löhne noch um 5,4 bzw. 4,1% gestiegen. Die Lohnentwicklung beeinflusst stark die Dienstleistungsinflation, weshalb die EZB diese genau beobachtet.
Seit langem liegt die Teuerung für die arbeitsintensiven Dienstleistungen bei rund 4%. Bei Gütern ist der Inflationsdruck dagegen sehr moderat. Für eine nachhaltige Rückkehr zum Inflationsziel von 2% benötigt die EZB jedoch Fortschritte bei der Dienstleistungsinflation und damit den nun erfolgten Rückgang beim Lohnwachstum.
Anstieg im laufenden Quartal erwartet
Die Analysten von Morgan Stanley rechnen jedoch mit einem wieder stärkeren Lohnwachstum im laufenden Quartal, bevor es sich in der zweiten Jahreshälfte abschwächen sollte. Davon geht auch die EZB selbst aus.
Im Rahmen ihres nächsten Zinsentscheides Anfang Juni präsentiert die Notenbank neue Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum. Diese könnten maßgeblich beeinflussen, wie viele Zinssenkungen die EZB in diesem Jahr noch beschließt. Eine weitere Lockerung um 25 Basispunkte am 5. Juni gilt als quasi gesetzt und ist an den Finanzmärkten eingepreist. Es wäre die achte Zinssenkung im laufenden Zyklus. Der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz läge dann bei 2%.
Vertauschte Rollen bei der EZB
Wie es dann weitergeht, ist dagegen umstrittenen. Belgiens Notenbankpräsident Pierre Wunsch, eigentlich ein Vertreter eines eher restriktiven Kurses, hält es für gut möglich, dass die EZB den Einlagensatz auf unter 2% senken wird, ehe es eine Zinspause gibt. Sein griechischer Amtskollege Yannis Stournaras, der eigentlich für einen eher expansiven Kurs steht, antizipiert dagegen eine baldige Zinspause. „Ich glaube, dass wir die Zinsen im Juni ein weiteres Mal senken werden, und dann sehe ich eine Pause“, sagte er am Freitag der griechischen Zeitung „Kathimerini“.

Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel plädiert bei weiteren Zinssenkungen für einen behutsamen Kurs. „Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Unsicherheiten sollten wir in der Geldpolitik vorsichtig bleiben“, sagte er am Donnerstag beim Treffen der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) im kanadischen Ferienort Banff.
Wie sich der Zollkonflikt der USA mit Europa mittelfristig auf die Inflation auswirken wird, wird eine große Rolle beim weiteren Kurs der EZB spielen. Ein durch die Zölle deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum der Eurozone könnte die Inflation dämpfen. Auf der anderen Seite könnten Lieferkettenstörungen und höhere Produktionskosten durch die Zölle den Inflationsdruck verstärken. Diese Position vertritt unter anderem EZB-Direktorin Isabel Schnabel.
Faktor Demografie
Doch auch die Lohnentwicklung beeinflusst, wie viel Spielraum die Notenbank für Zinssenkungen noch hat. Aufgrund des demografischen Wandels und dem damit verbundenen Arbeitskräftemangel ist die Verhandlungsposition von Arbeitnehmern und Gewerkschaften besser als früher. Die Folge könnte ein stärkeres Lohnwachstum sein und damit eine weiterhin hartnäckig hohe Inflation bei Dienstleistungen.
Fällt das Lohnwachstum dagegen wegen des gedämpften Wirtschaftswachstums doch moderat aus, könnte die EZB die Zinsen insgesamt stärker senken.