Notenbanken

Nagel nimmt Geldpolitik in die Pflicht

Nicht nur an den Finanzmärkten tobt eine Debatte, ob die Zentralbanken mit der geldpolitischen Straffung bereits überziehen und das Risiko einer Rezession noch verschärfen. Für Bundesbankchef Joachim Nagel ist die Antwort klar.

Nagel nimmt Geldpolitik in die Pflicht

ms Frankfurt

Im Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation müssen die Zentralbanken nach Ansicht von Bun­desbankpräsident Joachim Na­gel unbedingt entschlossen und zeitig handeln. Andernfalls drohten später nur umso drastischere Zinsschritte mit noch höheren wirtschaftlichen Kosten, sagte Nagel am Donnerstag bei einer Konferenz von Bundesbank und Banque de France in Eltville. Es gehe jetzt zudem darum, den Haushalten und Unternehmen klare Signale zu senden, dass die Geldpolitik für stabile Preise sorgt. Der jüngste Anstieg der Inflationserwartungen von Haushalten und Unternehmen in Deutschland sei „besorgniserregend“, sagte Nagel.

Mit seinen Aussagen untermauert Nagel einerseits seine Forderung nach einer deutlichen geldpolitischen Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die rekordhohe Inflation im Euroraum. Die EZB hat zwar eine Zinswende ab Juli avisiert; angesichts der sich abschwächenden Wirtschaft gibt es aber Zweifel, wie entschlossen diese ausfällt. Am Mittwoch hatte auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ungewohnt deutlich Taten der EZB eingefordert. Andererseits schaltet sich Nagel auch in die globale Debatte ein, ob die Zentralbanken mit der geldpolitischen Straffung bereits überziehen und das Risiko einer Rezession noch verschärfen.

Hohe wirtschaftliche Kosten

„Meines Erachtens dürfen die Zentralbanken derzeit nicht mit zu wenig und zu spät reagieren“, sagte Nagel. „Wenn die Geldpolitik hinter die Kurve fällt, könnten noch stärkere Zinserhöhungen notwendig werden, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Dies würde zu wesentlich höheren wirtschaftlichen Kosten führen.“ Insbesondere in den USA haben zuletzt Warnungen zugenommen, dass die deutliche geldpolitische Straffung der Fed in eine Rezession mündet. Aber auch in Euroland mahnen Kritiker, die EZB laufe Gefahr, die Zinswende zur ökonomischen Unzeit anzugehen. Einerseits befeuert der Ukraine-Krieg die Inflation, andererseits belastet er die Wachstumsperspektiven.

Für Nagel geht es jetzt auch um ein unmissverständliches Zeichen an die Privathaushalte und Firmen. „Wir müssen den Haushalten und Unternehmen klare und rechtzeitige Signale geben, dass wir entschlossen sind, Preisstabilität zu gewährleisten“, sagte er. „Solche Signale tragen zu niedrigeren Inflationserwartungen bei und helfen, die Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen.“ Die große Sorge vieler Notenbanker ist, dass es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt, die die hohe Inflation zum Dauerproblem macht. „Als Mitglieder des EZB-Rates müssen wir sicherstellen, dass sich die erhöhte Inflation mittelfristig nicht verfestigt“, sagte Nagel. In Deutschland stehen im Herbst wichtige Tarifrunden an.

Besorgt zeigte sich Nagel in dem Kontext über das Anziehen der Inflationserwartungen von Haushalten und Unternehmen in Deutschland. Im Mai hätten die Haushalte für die nächsten fünf Jahre eine durchschnittliche Inflationsrate von 5,3% erwartet. Damit lag der Wert den zweiten Monat in Folge über 5%. Zugleich hätten auch die Firmen ihre Erwartungen nach oben geschraubt. Ihre mittelfristig erwartete Durchschnittsrate sei auf 4,7%, gestiegen. „Derzeit deuten die Umfragen darauf hin, dass die Inflationserwartungen der privaten Haushalte und Unternehmen in Deutschland etwas weniger fest verankert sind als etwa vor einem Jahr“, so Nagel. Das sei ein Grund zur Sorge: „Risiken für die Preisstabilität existieren.“

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