Geldpolitik

Notenbanker befeuert EZB-Zinsspekulationen

EZB-Ratsmitglied Klaas Knot hat als erster Euro-Notenbanker öffentlich eine Zinserhöhung gleich um 75 Basispunkte im September ins Spiel gebracht. Neue Preisdaten aus Deutschland bestätigen den anhaltend starken Preisdruck im Euroraum.

Notenbanker befeuert EZB-Zinsspekulationen

ms Frankfurt

EZB-Ratsmitglied Klaas Knot hat als erster Euro-Notenbanker öffentlich eine Zinserhöhung gleich um 75 Basispunkte im September ins Spiel gebracht. Wenn die Inflationsaussichten so blieben wie derzeit, sei es zwingend, die Leitzinsen im September um mehr als 25 Ba­sispunkte anzuheben, wie es für die Juli-Sitzung angekündigt ist, sagte Knot der französischen Zeitung „Le Monde“. „Die nächste Stufe ist eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte, aber unsere Optionen sind nicht unbedingt darauf beschränkt.“ Die EZB sei angesichts der hohen Inflation „sehr besorgt“.

Mit seinen Aussagen heizt Knot die Spekulationen über künftige kräftige Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) noch einmal erheblich an. Der EZB-Rat hatte am Donnerstag für Juli eine erste Zinserhöhung seit dann elf Jahren angekündigt – um 25 Basispunkte. Für September sowie darüber hinaus stellte er weitere Zinsschritte in Aussicht – im September dann womöglich um 50 Basispunkte. Tempo und Ausmaß der Normalisierung sind im Rat aber umstritten. Die Ankündigungen der EZB haben einen Ausverkauf bei Euro-Staatsanleihen ausgelöst, was teils Ängste vor einer neuen Euro-Schuldenkrise hervorruft.

Der niederländische Zentralbankchef Knot, ein Hardliner („Falke“) im EZB-Rat, betont nun den dringenden Handlungsbedarf seitens der EZB. „Wir sind sehr besorgt über die Inflation“, sagte er. Die Inflation lag im Mai auf dem Rekordniveau von 8,1%. Das EZB-Ziel liegt auf mittlere Sicht bei 2,0%. „Besonders be­sorgt sind wir darüber, dass sich die Inflation auf den gesamten Warenkorb ausweitet. Mittlerweile steigen 75% der Preise, die wir messen, um mehr als 2%.“ Die sogenannte Kernrate ohne Energie und Lebensmittel im Euroraum liegt aktuell bei 3,8%.

Auf die Frage, ob seine Aussagen darauf hindeuten, dass er im September für eine 75-Basispunkte-Erhöhung sei, sagte Knot: „Alles, was ich sagen kann, ist, dass die Erhöhung mehr als 0,25 (Prozent-)Punkte be­tragen muss.“ In den USA wird lebhaft über Zinsschritte der Fed von 75 Ba­sispunkten spekuliert. Knot rechnet mit weiteren EZB-Zinsanhebungen im Oktober und im Dezember: „Alles wird von den Daten und der wirtschaftlichen Lage abhängen, aber es besteht die reale Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen im Oktober und im Dezember weiter steigen werden.“

Volkswirte erwarten, dass die EZB ihre Leitzinsen nach einer Anhebung um 50 Basispunkte im September weiter in Schritten von 25 Punkten erhöht, wie aus einer Umfrage von Bloomberg hervorgeht. Die Befragten erwarten bei jeder der drei dann noch verbleibenden Sitzungen in diesem Jahr weitere Erhöhungen. Nach dem großen Zinsschritt, den die No­tenbanker für September angesetzt haben, werden sie demnach jedoch zu kleineren Intervallen zurückkehren, darunter zwei im ersten Halbjahr 2023 – im Februar und im Juni.

Starker Preisdruck hält an

Neue Preisdaten aus Deutschland bestätigten am Dienstag den anhaltend starken Preisdruck im Euroraum. So teilte das Statistische Bundesamt mit, dass die Großhandelspreise im Mai um durchschnittlich 22,9% zum Vorjahresmonat gestiegen sind. Das liegt nur geringfügig unter den 23,8% vom April – dem größten Zuwachs seit Beginn der Berechnungen 1962. Zugleich schossen im April die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte um 39,9% in die Höhe. Das sei der größte Preisanstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung 1961, so die Statistiker. Die Inflation in Deutschland lag im Mai nach EU-Berechnung (HVPI) bei 8,7%. In nationaler Rechnung waren es 7,9% – die höchste Rate seit dem Winterhalbjahr 1973/1974.