Deutsche Inflation

Nur Atempause bei der Teuerung

Der Inflationsdruck hat im Juni zwar nicht noch weiter zugelegt, Ökonomen sehen darin aber allenfalls eine Atempause. Bei den Verbrauchern hält die Sorge vor höheren Preisen ohnehin an. Die „gefühlte Inflation“ liegt der Dekabank zufolge bei 18%, entsprechend halten sie sich schon beim Konsum zurück.

Nur Atempause bei der Teuerung

Die Teuerung in Deutschland hat im Juni leicht nachgelassen. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich nach nationaler Abgrenzung noch 7,6% mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten trotz des Starts von Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket im Öffentlichen Personennahverkehr mit einem Anstieg auf 8,0% gerechnet. Im Mai war die Teuerungsrate mit 7,9% so hoch ausgefallen war wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr während der ersten Ölkrise.

In der europäischen Abgrenzung (harmonisierter Verbraucherpreis-Index, HVPI), die für die Europäische Zentralbank (EZB) wegen der Vergleichbarkeit im Währungsraum relevant ist, liegt die Inflation nach wie vor über der Acht-Prozent-Schwelle bei 8,2% zum Vorjahresmonat. Im Mai waren es noch 8,7%.

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie merklich angestiegen und beeinflussen die hohe Inflationsrate erheblich, schreiben die Statistiker. So seien die Energiepreise im Juni 2022 um 38,0 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen – und damit in einem ähnlichen Ausmaß wie in den Vormonaten. Auch die Preise für Nahrungsmittel hätten mit 12,7 % überdurchschnittlich zugelegt. Deutliche Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen wirkten sich dabei preiserhöhend aus. Hinzu kämen die preistreibenden Effekte unterbrochener Lieferketten infolge der Corona-Pandemie. Sondereffekte wie die Auswirkungen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts seien in den Ergebnissen enthalten. In welchem Ausmaß sie sich genau ausgewirkt haben, lasse sich aber mit den vorläufigen Ergebnissen noch nicht darstellen.

Es sei eine kleine Erleichterung für die Verbraucher, dass der Juni gegenüber dem Vormonat keinen weiteren Kaufkraftverluste gebracht hätte, kommentiert Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. „Allerdings handelt es sich wohl eher um eine Atempause und nicht um einen Wendepunkt in der Inflation. Der Höhepunkt der Inflation dürfte eher im September erreicht werden.“ Der Rückgang sei vor allem auf die staatlichen Entlastungsmaßnahmen wie Tankrabatt und 9 Euro-Ticket zurückzuführen. Sie haben den Preisanstieg für sich genommen um schätzungsweise 0,9 Prozentpunkte gesenkt und werden im August auslaufen.“

Geldpolitische Deutung

Zur geldpolitischen Deutung der Inflationsdaten, schreibt Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners, genüge ein Blick auf die Stelle vor dem Komma, wobei die 8 die gefürchtete Zahl sei. „Denn eine 8 vor dem Komma wäre gleichbedeutend mit einem neuen Rekord für das wiedervereinigte Deutschland. Zudem würde die 8 vor dem Komma die Diskussionen über größere Zinsschritte der EZB neu befeuern.“ Die Zahl habe das Potenzial, neue Schockwellen durch die Märkte zu senden, warnte Altmann.

„Gefühlte Inflation“ noch höher

Die Preise steigen der DekaBank zufolge in der Wahrnehmung der Verbraucher deutlich stärker als in der offiziellen Inflationsstatistik ausgewiesen. Die gefühlte Inflationsrate liege derzeit bei fast 18%, sagte DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater am Mittwoch bei der Vorstellung neuer Konjunkturprognosen. „Das ist ebenfalls historisch hoch“, betonte er, und „konjunkturhemmend“. „Das Verbrauchervertrauen ist eingebrochen.“ Viele Haushalte müssten auf Erspartes zurückgreifen, um über die Runden zu kommen. „Die Sparquote sinkt bereits.“ Die Inflation drohe alle Bereiche der Wirtschaft zu erfassen.

Für Deutschland rechnet die DekaBank in diesem Jahr deshalb nur mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,6%. „Eine gefährdete Energieversorgung, rekordhohe Inflationsraten und eine schwächelnde Weltkonjunktur verlangen auch von den deutschen Unternehmen ihren Tribut“, sagte Kater. „Die Perspektiven für die deutsche Konjunktur werden sich im Jahresverlauf weiter verfinstern.“

Die US-Notenbank ist bei der Inflationsbekämpfung durch Zinsanhebungen zwar schon viel weiter als die EZB, steht laut der Präsidentin der Federal Reserve Cleveland aber „erst am Anfang”. In einem Interview mit dem Nachrichtensender CNBC sagte Loretta Mester, sie präferiere in diesem Jahr einen Leitzinsanstieg auf 3% bis 3,5%. Im nächsten Jahr wäre sie zur Senkung des Teuerungsdrucks für ein Niveau von „etwas über 4%”, selbst wenn die Wirtschaft damit in die Rezession abrutschen sollte.

„Es besteht das Risiko einer Rezession”, sagte Mester zudem am heutigen Mittwoch. „Wir straffen die Geldpolitik. Mein Basisprognose ist langsameres Wachstum in diesem Jahr.” Eine Rezession gehöre zu diesem Szenario nicht. Die „sehr, sehr hohe Inflation” trübe aber die Zuversicht der Verbraucher in die Wirtschaft, so Mester. „Wir sind jetzt auf dem Weg, unsere Zinsen auf ein normaleres und sogar restriktives Niveau zu bringen, damit wir die Inflationsrate senken und eine zukünftig gute Konjunktur sicherstellen können.” Vordringliche Aufgabe sei erst einmal, die Inflation unter Kontrolle zu bringen.