Ukraine-Krieg

Peking schlägt neue Tonlage an

Erstmals ist in China von einem Krieg in der Ukraine die Rede. Die Regierung signalisiert Bereitschaft für eine Vermittlerrolle nach Gesprächen mit Kiew.

Peking schlägt neue Tonlage an

nh Schanghai

Im Zuge weiter verschärfter Kriegshandlungen Russlands und der Gefahr hoher Opferzahlen in der ukrainischen Zivilbevölkerung hat die Regierung in Peking sich zu einem ersten fühlbaren Positionswandel im Ukraine-Konflikt durchgerungen. Damit weicht sie die bislang wenig kaschierte Rolle als Verbündeter Russlands zumindest etwas auf.

In einer Erklärung des Pekinger Außenministeriums vom Dienstagabend heißt es, dass man den Ausbruch des Konflikts beklage und sich besorgt über die Gefahren für Zivilisten in der Ukraine zeige. „Die Ukraine zeigt sich bereit, ihre Kommunikation mit China zu vertiefen, und hofft darauf, dass China eine Rolle bei der Anbahnung eines möglichen Waffenstillstands spielen könne“, so das Statement weiter. Weiter heißt es in der Stellungnahme, dass China die „territoriale Integrität aller Länder respektiert“.

Das Statement folgte einer telefonischen Unterredung zwischen Chinas Außenminister Wang Yi und seinem ukrainischen Gegenpart Dmytro Kuleba vom Dienstag. Für Beobachter bringt sie eine Reihe von Überraschungen mit sich. Erstmals nämlich spricht die chinesische Regierung tatsächlich von einem Krieg in der Ukraine, nachdem sie sich bislang dem von der russischen Regierung ausgegebenen Jargon von „militärischen Operationen“ in der Ukraine angeschlossen hatte. Die Betonung des Respekts für „territoriale Integrität“ wiederum kommt der Anerkennung einer Verletzung der ukrainischen Souveränität durch Russland nahe. Bislang hatten es Sprecher des chinesischen Außenministeriums auf Journalistenfragen hin strikt abgelehnt, von territorialen Verstößen Russlands oder einer „Invasion“ zu sprechen.

Kritik an Sanktionen

In den sechs Tagen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine war es zu einem Telefongespräch zwischen den Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin sowie einem mehrfachen Austausch zwischen Wang und Russlands Außenminister Sergej Lawrow gekommen. China hatte zwar vom Start weg zum Dialog und einer Mäßigung der Konfliktparteien aufgerufen, aber weder einen direkten Draht zur Ukraine gewählt oder gar eine Vermittlerrolle signalisiert. Vielmehr schien man Putin zumindest verbal den Rücken zu stärken und richtete Schuldzuweisungen an die USA, die mit Waffenverkäufen an die Ukraine Russlands legitime Sicherheitsinteressen verletzt und die Situation zur Eskalation gebracht hätten.

Seit dem Gespräch zwischen Xi und Putin hat sich China zwar von Rechtfertigungsversuchen des russischen Vorgehens in der Ukraine zurückgehalten, aber zumindest indirekt signalisiert, dass man Russland bei den Wirtschaftsbeziehungen weiterhin die Stange hält. So wurde in den letzten Tagen scharfe Kritik an den dramatisch gesteigerten westlichen Sanktionen für Russland geübt und diese als unilaterale Vorstöße ohne jegliche Verankerung im internationalen Recht gegeißelt. Zudem wurde versichert, dass man Chinas Handelsbeziehungen zu Russland in vollem Umfang aufrechtzuerhalten gedenke.